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Beschaffungslogistik im Handel

Erstellt am: 31.07.2014 | Stand des Wissens: 15.12.2023
Synthesebericht gehört zu:

Die Aufgabe der Beschaffungslogistik als Teilbereich der Handelslogistik besteht in der Planung, Steuerung und Kontrolle der logistischen Prozesse in der Lieferkette. Die Beschaffung ist dabei einer der zentralen Punkte in ihrer Wortschöpfungskette [Zent12, S.735]. Diese reicht von den Produzenten über Logistikdienstleister bis in die Zentralläger des Handels [Zent13]. Die Beschaffungslogistik ist durch eine hohe Komplexität gekennzeichnet. Dies lässt sich auf vielzählige und mehrstufige Lieferanten-Beziehungen sowie kurze Produktlebenszyklen von Konsumgütern zurückführen [VaKo12]. Die Komplexität steigt zusätzlich durch heterogene logistische Anforderungen der Produktgruppen, wie zum Beispiel die Aufrechterhaltung einer Kühlkette bei Lebensmitteln [Zent13].

Eine zentrale Herausforderung der Beschaffungslogistik im Handel liegt in der Lösung des Zielkonflikts zwischen der Gewährleistung eines hohen Lieferservices (und damit der Vermeidung leerer Regale) und niedriger Kosten für logistische Prozesse. Daraus ableitbar sind Fragestellungen zur Struktur der Lieferkette (zum Beispiel Auswahl von Beschaffungsländern oder Lagerstandorten), sowie zur Bestimmung der zu beschaffenden Gütermenge [Gude13]. Während in der Vergangenheit die Industrie die Warenströme in den Handel steuerte, geben heute die Handelsketten die Rahmenbedingungen für die logistische Abwicklung vor. Dies ist durch ein hohes Bündelungspotential des Handels begründet. Zusätzlich stellen die Logistikkosten im Handel einen höheren Anteil an den Gesamtkosten dar als in der Industrie [ArIs08]. Zudem kommt die sich teilweise abzeichnende Entwicklung der Eigenproduktion im Handel, das heißt, dass zur Sicherung der Versorgung, die Handelsunternehmen selbst Produktionsaktivitäten übernehmen [Zent12, S.740ff]. Die Beschaffungslogistik als Unternehmensfunktion ist für den Handel daher von steigender Bedeutung [ArIs08].

Die fortschreitende Globalisierung und der damit verbundene Abbau von Zollschranken und anderen Handelshindernissen haben eine beschaffungsseitige Internationalisierung der Handelsunternehmen ermöglicht. Entsprechend steigen die direkten Importe (Bezug direkt von einem ausländischen Lieferanten) und indirekten Importe (Bezug über einen inländischen Importhändler) des Handels. Wichtige Motive sind Kostenvorteile durch unterschiedliche Lohnniveaus und eine Differenzierung des Sortimentes [ThBo12]. Hinsichtlich der Beschaffungsländer gibt es jedoch zwischen den Warengruppen deutliche Unterschiede. So bezieht der Handel beispielsweise Bekleidung vorrangig aus Asien, während Waren des täglichen Bedarfs wie Grundnahrungsmittel vorrangig aus Europa kommen [Stat11; Stat18w]. Zur Veranschaulichung der Thematik, internationale Handelsströme, können der Abbildung 1 die volumenmäßig wichtigsten Handelspartner der EU für Importe im Jahre 2019 entnommen werden.
Beschaffungslogistik_FIS.pngAbb. 1: Wichtigste Handelspartner der EU bei Importen (Grafik zum Vergrößern bitte anklicken)
Mit der Ausweitung des internationalen Handels geht aktuell eine wachsende Unpaarigkeit der Warenströme einher. So wurden im Jahr 2020 containerisierte Güter im Umfang von 16,1 Millionen TEU von Asien nach Europa transportiert. In der Gegenrichtung betrug der Umfang nur 6,9 Millionen TEU [UN20, S.15]. Aus diesem Ungleichgewicht resultiert eine hohe Zahl von Leercontainern, die an Orte zurückgeführt werden müssen, an denen sie wieder beladen werden können. Transport, Umschlag und Lagerung dieser Leercontainer haben Auswirkungen auf die Umwelt und das Transportsystem. So werden zum Beispiel für Leercontainerdepots Flächen im direkten Umfeld von Häfen verbraucht, außerdem verursachen die Bewegung und Verteilung von Leercontainern eine Steigerung des Verkehrsaufkommens und damit zusätzliche CO2- und Lärmemissionen [Mitt08]. Weitere Informationen zur Auswirkung von Leercontainerströmen können der Wissenslandkarte "Leercontainerlogistik" entnommen werden.
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. Dr. h.c. W. Kersten
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Handelslogistik (Stand des Wissens: 27.04.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?415841
Literatur
[ArIs08] Arnold, D., Isermann, H., Kuhn, A., Furmans, K., Tempelmeier, H. Handbuch Logistik, Ausgabe/Auflage 3., neu bearbeitete Auflage, Springer-Verlag / Berlin Heidelberg, 2008, ISBN/ISSN 3540729283
[Gude13] Timm Gudehus Logistik: Grundlagen - Strategien - Anwendungen, Ausgabe/Auflage 2. Ausgabe, Springer-Verlag, 2013, ISBN/ISSN 3662084082, 9783662084083
[Mitt08] Mittal, Neha Regional Empty Marine Container Management, 2008/10, Online-Referenz http://hdl.rutgers.edu/1782.2/rucore10001600001.ETD.17529
[Stat11] Statistisches Bundesamt Herkunft von Produkten im deutschen Lebensmitteleinzelhandel nach Produktkategorien , 2011
[Stat18w] Statistisches Bundesamt Wichtigste Herkunftsländer für Textil- und Bekleidungsimporte nach Deutschland nach Einfuhrwert im Jahr 2017, 2018/03
[ThBo12] Eva Thelen, Günther Botschen Internationale Beschaffung, veröffentlicht in Handbuch Handel: Strategien - Perspektiven - Internationaler Wettbewerb, Ausgabe/Auflage 2., vollständig überarbeitete Auflage, Springer Gabler, Wiesbaden, 2012
[UN20] United Nations (Hrsg.) Review of Maritime Transport 2020, 2020/11/12
[VaKo12] Vahrenkamp, Richard, Kotzab, Herbert, Siepermann, Christoph Logistik: Management und Strategien, Ausgabe/Auflage 7. Auflage, Oldenbourg Verlag, München, 2012, ISBN/ISSN 3486705792, 9783486705799
[Zent12] Zentes Joachim, Handbuch Handel: Strategien Perspektiven Internationaler Wettbewerb, Gabler Verlag / Wiesbaden, 2012, Online-Referenz doi:10.1007/978-3-8349-3847-3, ISBN/ISSN 978-3-8349-3847-3
[Zent13] Joachim Zentes, Bernhard Swoboda, Dirk Morschett, Hanna Schramm-Klein Handbuch Handel: Betriebs- und Vertriebstypen , Ausgabe/Auflage 2. Auflage, Springer, 2013
Glossar
Twenty-foot equivalent unit Zwanzig-Fuß-Äquivalente-Einheit (Twenty-foot Equivalent Unit). Eine statistische Hilfsgröße auf der Basis eines 20-Fuß-ISO-Containers (6,10 m Länge) zur Beschreibung von Verkehrsströmen oder -kapazitäten. Ein genormter 40'-ISO-Container der Reihe 1 entspricht 2 TEUs.
Logistikdienstleister Logistikdienstleister (abgekürzt: LDL; Englisch: logistics service provider) bezeichnet die Weiterentwicklung des traditionellen Speditionsgeschäfts. Über Transport, Umschlag und Lagerung (TUL) hinaus bietet der LDL weitere Leistungen und Lösungen an, zum Beispiel kundenbezogene Lagerung, Kommissionierung, Assemblierung, Fakturierung usw. LDL und 3PL werden häufig synonym verwendet.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?434368

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 13:05:19