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JadeWeserPort (JWP)

Erstellt am: 14.04.2003 | Stand des Wissens: 20.10.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn

Die beiden großen deutschen Containerterminal-Standorte Hamburg und Bremerhaven weisen trotz geplanter und erfolgter Erweiterungen und Innenverdichtung nur begrenzte Möglichkeiten für einen weiteren Ausbau auf. Nachdem in Hamburg 2002 der Container Terminal Altenwerder eröffnet wurde und das Terminal Burchardkai 2009 und 2014 neben Leistungssteigerung durch Automatisierungen in der Lagerführung mit insgesamt zehn neuen Containerbrücken verstärkt wurde, wurde 2016 eine zusätzliche Erweiterung und Automatisierung des Burchardkais durchgeführt, im Zuge derer drei weitere Containerbrücken installiert wurden. Dadurch soll das Terminal in der Lage sein, an zwei Stellplätzen Schiffe mit einer Kapazität von 20.000 TEU abfertigen [HHLA16]. In Bremerhaven wurde 2008 die im Rahmen des Großprojektes Container-Terminal 4 (CT 4) geschaffene 1.681 Meter lange Erweiterung der Stromkaje des Container-Terminals eröffnet [Aden08, S. 399].
Nachdem eine Bedarfsanalyse von PLANCO den Bedarf eines Tiefwasserhafens in Deutschland bestätigte [PLANCO00] und Roland Berger & Co. in einer Standortanalyse für Wilhelmshaven votierte [Rola00; Rola00a], einigten sich die Länder Niedersachsen, Hamburg und Bremen am 30.03.2001 auf den Bau eines Containerhafens in der Deutschen Bucht am Standort Wilhelmshaven, wobei Hamburg seine Beteiligung am Bau des Hafens später zurückzog. Nach Verzögerungen während der Bauzeit wurde der JadeWeserPort im September 2012 eröffnet [NDR12c].
Heute ist der JadeWeserPort der östlichste Tiefwasserhafen der Nordrange und zeichnet sich in der aktuellen Ausbaustufe durch eine Kailänge von 1.725 Metern bei 18 Metern Wassertiefe und einer Terminalfläche von 130 Hektar aus. Bisher sind 8 der geplanten 16 Containerbrücken auf dem Terminal im Einsatz. Bis Ende 2023 sollen jedoch zwei weitere Brücken errichtet und im kommenden Jahr in Betrieb genommen werden. Die maximale Jahresumschlagkapazität beträgt etwa 2,7 Millionen TEU [EUR20], wobei im Jahr 2022 ein Jahresumschlag von 0,68 Millionen TEU erzielt wurde. Nautische Simulationen haben gezeigt, dass der Hafen, nach einer kurzen Revierfahrt von 23 Seemeilen, von Containerschiffen mit Schiffslängen bis 430 Meter, 58 Metern Breite und Tiefgängen bis zu 16 Metern erreicht werden kann. Zum Vergleich: die Revierfahrt nach Hamburg beträgt 78 Seemeilen, die nach Bremerhaven 32 Seemeilen [WisB19. S. 9]. Damit können bis zu vier Großcontainerschiffe der neuen Generation mit Kapazitäten von über 20.000 TEU und Feederschiffe zeitgleich, tideunabhängig, voll beladen abgefertigt werden [Koch05]. Die Entfernung zum Nord-Ostsee-Kanal beträgt 73 Seemeilen, bis Skagen sind es 314 Seemeilen und Ushant liegt 639 Seemeilen entfernt.
Betreiber des Hafens wurde die EUROGATE Container Terminal Wilhelmshaven GmbH & Co KG. EUROGATE ist Europas führender Containerterminalbetreiber mit zehn Terminal-Standorten und einem Umschlag von mehr als 11,8  Millionen TEU in 2022 [EUGT23]. In Wilhelmshaven stehen Eurogate aktuell 93 Hektar mit einer Umschlagskapazität von 1,4 Millionen TEU jährlich zur Verfügung. Der Standort soll eine zentrale Rolle im Terminalnetz spielen [Rein02a, S. 94]. Außerdem beteiligte sich APM Terminals International (30 Prozent), ein Unternehmen der Maersk-Gruppe, an dem allen Reedern offenstehenden Hafen.
An den JadeWeserPort direkt angrenzend besteht eine 160 Hektar große Fläche, die als Güterverkehrszentrum genutzt wird. Mit seiner vertikal integrierten und damit prozessorientierten Logistikfunktion soll es dazu beitragen, am Standort Wilhelmshaven kein ausschließlich umschlagorientiertes, sondern ein Logistik integrierendes Interface zu entwickeln. Aus Marktumfragen wurden die folgenden Angebote als nachfragegerecht ermittelt:
  • Gleisanschlüsse für den konventionellen Schienenverkehr,
  • KV-Umschlaganlage für den intermodalen Verkehr,
  • Speditionsdienstleistungen,
  • Anmietung von Lagerhallen,
  • Dienstleistungen rund um den Container (Depot, Reparatur) [Koch05, S. 222 f.].
Die Baukosten des Jadeweserports betrugen insgesamt etwa 1 Milliarde Euro, wovon 350 Millionen Euro auf die Suprastruktur entfallen [JWPR10]. Die Fertigstellung des Containerhafens war für 2010 geplant, im Frühjahr 2010 wurde nach Terminüberschreitungen und im Ergebnis der Wirtschaftskrise 2008/09 von der Realisierungsgesellschaft und den Betreibern der 5. August 2012 als Starttermin für die ersten 1000 Meter Kaje festgelegt, welcher nach Rissen in der Kaimauer auf September 2012 verschoben wurde. Eine feierliche Eröffnung des Hafens fand am 21. September 2012 statt. Weitere Ausbaumöglichkeiten sind gegeben. Ein jährlicher Umschlag von 6 Millionen TEU wäre mit einer zweiten Ausbaustufe möglich, was jedoch nur bei deutlich höheren Umschlagszahlen nötig wird [HAZ16]. Mit der Planung des Ausbauverfahrens soll auf Bestreben des Landes Niedersachsen 2018 begonnen werden, indem zunächst eine Bedarfsanalyse durchgeführt wird [WiZei18].
Die ersten Dienste, die den JadeWeserPort in seiner Anlaufphase bedienen, verlaufen nach Europa sowie Nord- und Südostasien. Die Inbetriebnahme verlief zunächst schleppend, da langfristige Verträge der Reedereien mit anderen Häfen bedient werden müssen. So hat der JadeWeserPort im ersten vollen Geschäftsjahr 2013 nur rund 76.000 TEU umgeschlagen und musste die Mitarbeiter lange Zeit in Kurzarbeit beschäftigen [NDR14b]. Seitdem konnte der Umschlag um über 880 Prozent auf über 650.000 TEU gesteigert werden. Ein für 2019 erwarteter weiterer Wachstum blieb jedoch aus, obwohl der Volkswagen-Konzern in diesem Jahr ein neues Verpackungszentrum am JadeWeserPort eröffnete. Ebenfalls investierte der Tiefkühllogistiker Nordfrost bis 2020 noch einmal 100 Millionen Euro in seinen Standort [NDR18e]. In Abbildung 2 ist die Entwicklung des Containerumschlags im JadeWeserPort dargestellt. 
Umschlag JWP.pngAbbildung 2: Containerumschlag im JadeWeserPort von 2013 bis 2022 in TEU [WHV23]
Aufgrund seiner Lage steht der Tiefwasserhafen in Konkurrenz um das Hinterland zu den deutschen Häfen Hamburg und Bremerhaven sowie den Häfen der ARA-Range. Die Betreiber setzen auf einen hohen Transshipment-Anteil durch den Umschlag von Containern für das beziehungsweise aus dem Baltikum, Skandinavien und Russland.
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Ausbau der Kapazitäten und Ausweitung des Leistungsangebot der Seehäfen zur Sicherung ihrer Wettbewerbsposition (Stand des Wissens: 20.10.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?286709
Literatur
[Aden08] Aden, Detthold Seehäfen - Logistische Netzknoten der Globalisierung, veröffentlicht in Das Beste der Logistik, Springer-Verlag / Berlin, Heidelberg, 2008
[EUR20] Eurogate (Hrsg.) Eurogate Container Terminal Wilhelmshaven, 2020
[HAZ16] Hannoversche Allgemeine Zeitung (Hrsg.) Land will Jade-Weser-Port ausbauen
, 2016/02/15
[HHLA16] HHLA (Hrsg.) Weitere Containerbrücken für die Abfertigung von besonders großen Schiffen, 2016/08/15
[JWPR10] JadeWeserPort Realisierungs GmbH & Co. KG (Hrsg.) JadeWeserPort Wilhemshafen - Hafen der Zukunft, 2010/11/25
[Koch05] Koch, J. JadeWeserPort erhält GVZ und KV-Anschluss, veröffentlicht in Internationales Verkehrswesen: Fachzeitschrift für Wissenschaft und Praxis, Deutscher Verkehrs-Verlag / Hamburg, 2005/05, ISBN/ISSN 0020-9511
[NDR12c] Norddeutscher Rundfunk (Hrsg.) JadeWeserPort: Tiefwasserhafen an der Nordsee, 2012
[NDR14b] o.A. JadeWeserPort liefert miese Zahlen, 2014/04/08
[NDR18e] Norddeutscher Rundfunk (Hrsg.) JadeWeserPort im Aufwind: Auch Eurogate wächst, 2018/01/31
[PLANCO00] o.A. Bedarfsanalyse für einen Tiefwasserhafen in der Deutschen Bucht, Essen, 2000/10
[Rein02a] Reinhold, Martin Seehafenwirtschaft in einer globalisierten Welt, veröffentlicht in 8. Kieler Seminar zu aktuellen Fragen der See- und Küstenschifffahrt, Perspektiven und Probleme des Weltseeverkehrs im neuen Jahrhundert, Schriftenreihe der Deutschen Verkehrswissenschaftlichen Gesellschaft B 245, Ausgabe/Auflage B 245, Bergisch Gladbach, 2002, ISBN/ISSN 3-933392-45-4
[Rola00] o.A. Standortanalyse Tiefwasserhafen Deutsche Bucht - Endbericht, Hannover, 2000/10/20
[Rola00a] o.A. Standortanalyse Tiefwasserhafen Deutsche Bucht - Kurzfassung Endbericht, Hannover, 2000/10/20
[WHV23] Stadt Wilhelmshaven (Hrsg.) Güterumschlag der Seeschifffahrt , 2023/06
[WisB19] Wissenschaftlicher Beirat Internationales Verkehrswesen (Hrsg.) Chancen der Digitalisierung für die deutschen Seehäfen nutzen und Investitionen in die Infrastruktur optimieren
, Trialog Publishers Verlagsgesellschaft, Baiersbronn, 2019/01
[WiZei18] Wilhemshavener Zeitung (Hrsg.) Althusmann will Planung für zweite Ausbaustufe des JadeWeserPorts vorantreiben, 2018/01/11
Weiterführende Literatur
[Siche01] Sichelschmidt, Henning Das Projekt eines deutschen Tiefwasser-Containerhafens und seine Rolle im Standortwettbewerb, veröffentlicht in Kieler Arbeitspapiere, Ausgabe/Auflage Nr. 1025, Kiel, 2001, ISBN/ISSN 0342-0787
Glossar
Twenty-foot equivalent unit Zwanzig-Fuß-Äquivalente-Einheit (Twenty-foot Equivalent Unit). Eine statistische Hilfsgröße auf der Basis eines 20-Fuß-ISO-Containers (6,10 m Länge) zur Beschreibung von Verkehrsströmen oder -kapazitäten. Ein genormter 40'-ISO-Container der Reihe 1 entspricht 2 TEUs.
Hinterland Das Hinterland eines Seehafen ist das landeinwärts hinter dem Hafen liegende Territorium, welches durch die Herkunfts- und Bestimmungsorte der im Hafen abzufertigen Güter und Passagiere begrenzt wird. Seine Grenzen hängen von den Hinterlandverkehrsanbindungen ab und variieren nach Gutarten, den Umschlagkapazitäten, dem Schiffstyp und der Verkehrsinfrastruktur. Das Vorland eines Seehafens ist das seewärts vor dem Hafen liegende Territorium, welches durch die überseeischen Herkunfts- und Bestimmungsorte der Güter begrenzt wird.
Hafenrange
Unter einer Hafenrange wird eine gedanklich zusammengefasste Hafengruppe verstanden, für die im Linienverkehr meist gleiche Frachtraten gelten. Die Häfen einer Range stehen untereinander in intensivem Wettbewerb.
Unter der Nordseerange werden allgemein die Häfen Hamburg, Bremen/Bremerhaven, Amsterdam, Rotterdam und Antwerpen zusammengefasst sowie z.T. Le Havre, Dünkirchen, Zeebrügge, Vlissingen und Flushing einbezogen.
Als ARA-Range werden die Häfen Antwerpen. Rotterdam und Amsterdam bezeichnet.
Suprastruktur
Gegenbegriff zu Infrastruktur. Die Suprastruktur umfasst alle Einrichtungen, die für Transport-, Umschlag- und Lager- sowie Beschaffungs- und Verarbeitungsprozesse innerhalb einer Verkehrsanlage, wie einem Seehafen, nötig sind. In einem Hafen gehören zur Suprastruktur beispielsweise Kräne, Lager- und Kühlhäuser sowie Bürokomplexe. Im Gegensatz zur Infrastruktur wird die Suprastruktur häufig nicht von der öffentlichen Hand finanziert, sondern von den Betreibergesellschaften beschafft, gewartet und entsorgt.
Güterverkehrszentrum Ein Güterverkehrszentrum (GVZ) ist ein logistischer Knoten, an dem ein Übergang zwischen mindestens zwei Verkehrsträgern, i. d. R. jedoch drei Verkehrsträgern, möglich ist und weitere logistische Funktionen, wie bspw. die Lagerung, angeboten werden.
CO
= Kohlenstoffmonoxid. CO ist eine chemische Verbindung aus Kohlenstoff und Sauerstoff und gehört damit neben Kohlenstoffdioxid zur Gruppe der Kohlenstoffoxide. Es ist ein farb-, geruch- und geschmackloses Gas. Kohlenstoffmonoxid beeinträchtigt die Sauerstoffaufnahme von Menschen und Tieren. Schon kleine Mengen dieses Atemgiftes haben Auswirkungen auf das Zentralnervensystem.
Es entsteht bei der unvollständigen Oxidation von kohlenstoffhaltigen Substanzen. Dies erfolgt zum Beispiel beim Verbrennen dieser Stoffe, wenn nicht genügend Sauerstoff zur Verfügung steht oder die Verbrennung bei hohen Temperaturen stattfindet. Kohlenstoffmonoxid selbst ist brennbar und verbrennt mit Sauerstoff zu Kohlenstoffdioxid. Hauptquelle für die CO-Belastung der Luft ist der Kfz-Verkehr.
Kombinierter Verkehr
Intermodaler Verkehr, bei dem der überwiegende Teil der in Europa zurückgelegten Strecke mit der Eisenbahn, dem Binnen- oder Seeschiff bewältigt und der Vor- und Nachlauf auf der Straße so kurz wie möglich gehalten wird.
Depot „Depot” wird häufig synonym zum Begriff „Lager” verwendet. Im Rahmen von Tourenplanung wird der Ausgangs- und Endpunkt von Touren oft als Depot bezeichnet.
Seehafenterminal
In einem Containerterminal erfolgt der Umschlag von Containern, Wechselbehältern, Wechselbrücken oder Sattelaufliegern und ähnlichen Ladeeinheiten im Hafen. Weiterhin kann auch Projektgeschäft, z.B. übergroße Ladungen, umgeschlagen werden.
Zusätzlich zu den Containerterminals umfasst der Begriff des Seehafenterminals auch andere Ladungs- und Terminalarten, wie z.B. Massengutterminals oder Flüssiggutterminals.
Charakteristisch für Seehafenterminals ist die Anbindung an das Wasser und mindestens einen weiteren Verkehrsträger.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?41372

Gedruckt am Samstag, 20. April 2024 09:27:16