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Kundensegmente des Buslinienfernverkehrs

Erstellt am: 25.04.2013 | Stand des Wissens: 18.01.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

Das Kundensegment des Buslinienfernverkehrs besteht vor allem aus preissensiblen Nutzern. In diesem Kundensegment sind die Fahrtkosten das mit Abstand wichtigste Entscheidungsmerkmal, während die Kunden bereit sind, im Gegenzug Kompromisse hinsichtlich der Reisezeit und des Reisekomforts hinzunehmen [BeBo08a, S. 129].
Mögliche Personengruppen dieses Kundensegmentes sind insbesondere Personen, die sich in der Ausbildung befinden und typischerweise über ein niedriges Einkommen verfügen. Dabei handelt es sich unter anderem um Berufsanfänger, Auszubildende, Studenten sowie junge Familien, die 33 Prozent der Fahrgäste im Fernbus stellen. Fahrgäste mit über 50 Jahren erreichen einen Marktanteil von 25 Prozent. Für diese Personengruppe sind Busreisen günstig und komfortabel. Immer häufiger nutzen auch Geschäftsreisende den Buslinienfernverkehr aufgrund des kostenfreien WLANs und der verfügbaren Steckdosen. In Hinblick auf das Geschlecht nutzen mehr Frauen mit 60 Prozent den Fernbus [Fern17].
Bisher wurden die preissensiblen Kunden von anderen Verkehrsmitteln beziehungsweise Konzepten bedient. Beispielsweise gehören die Nutzer der internetbasierten Mitfahrzentrale zu einer sehr preissensiblen Personengruppe, die auf Komfort und Flexibilität zugunsten des Preises verzichten möchten. Hierbei hat sich aufgrund von starken Netzwerkexternalitäten die Online-Plattform "BlaBlaCar" zu einem faktischen Monopolisten auf dem Markt der Onlinevermittlung von Fahrten entwickelt. Im Jahr 2016 hatte diese Anbieterplattform in Deutschland nach eigenen Angaben einen Marktanteil hinsichtlich der Mitfahrgelegenheiten von 90 Prozent erreicht [Welt16]. Wird der reine Marktanteil des Fernbusses von BlaBlaCar (BlaBlaCar Bus) betrachtet, so betrug der Anteil im Herbst 2019 rund 7,4 Prozent [BAFG20, S. 1]. Das Geschäftsmodell von Blablacar zeichnet sich dadurch aus, dass Busse auf Hauptachsen verkehren und Fahrgemeinschaften der Feinerschließung des Territoriums dienen. Der BlaBlaCar Bus fährt insgesamt 22 inländische und sieben ausländische Reiseziele an [Blab21]. Seit Anfang des Jahres 2016 können alle Fahrten nur noch über ein Online-Buchungssystem vermittelt werden [WiWo16b]. Dabei werden verschiedene Nutzungspakete angeboten.
Ein weiteres Indiz der Existenz und Größe des beschriebenen Kundensegmentes im deutschen Fernverkehr lieferte der Erfolg des im Jahr 1995 eingeführten "Schönes-Wochenende-Tickets" (Verkauf inzwischen eingestellt, dafür Verkauf des auch unter der Woche ab 9 Uhr geltenden Quer-durchs-Land-Tickets) der Deutschen Bahn. Das Ticket, das ausschließlich im Nahverkehr genutzt werden kann und hier für eine höhere Auslastung der Züge am Wochenende sorgen sollte, führte damals zu einer Abwanderung aus den Fern- in die Nahverkehrszüge und zur Aktivierung neuer Nachfrage. Der Verlust an Fahrkomfort und die deutlich längere Fahrzeit wurden dabei durch den geringeren Preis kompensiert, was auch darauf hindeutet, dass das Merkmal Fahrkosten bei Kaufentscheidungen in diesem Kundensegment auch heute noch die mit Abstand wichtigste Rolle spielt. Diese Folgerung wird auch durch die Ergebnisse einer Befragung von Fernverkehrskunden der DB bestätigt [Perr98a, S. 187].
Die Fernbusse, die Mitfahrgelegenheiten und auch die Bahn bedienen somit das Zielsegment der preissensiblen Fernfahrenden.
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Buslinienfernverkehr (Stand des Wissens: 08.02.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?409383
Literatur
[BAFG20] Bundesamt für Logistik und Mobilität (Hrsg.) Marktbeobachtung Güterverkehr - Marktanalyse des Fernbuslinienverkehrs 2019, 2020/08
[BeBo08a] Becker, M., Bohn, A., Gätner, C., Haunerland, F., Kluge, M., Krause, M., Krischok, F., Künzel, C., Mösken, M., Moll, R., Neumann, F., Rößler, R., Rüsike, V., Schönherr, O., Siehlow, M., Splinter, C., Sturtz, M. InterCity-Busverkehr in Europa, veröffentlicht in Transport Economics and Other Infrastructure Working Papers , Ausgabe/Auflage WP-TR-14, 2008/09/15
[Blab21] BlaBlaCar (Hrsg.) BlaBlaCar startet neues Netzwerk in Deutschland, 2021/06/10
[Fern17] Fernbusse.de (Hrsg.) FlixBus hat seit 2013 82 Millionen Passagiere befördert, 2017/10/13
[Mfg11] Vom Studentenprojekt zur größten Mitfahrbörse Europas. Rund 130.000 Personen nutzen täglich mitfahrgelegenheit.de für günstige Reisemöglichkeiten per Auto, Bus und Bahn., 2011/05/10
[Perr98a] Perrey, L. J. Nutzenorientierte Marktsegmentierung: Ein integrativer Ansatz zum Zielgruppenmarketing im Verkehrsdienstleistungsbereich, Dr. Th. Gabler Verlag, Wiesbaden, 1998/08/14, ISBN/ISSN 978-3409136983
[Welt16] Welt.de (Hrsg.) Der Schicksalsmoment der Mitfahrgelegenheiten, 2016/05/28
[WiWo16b] WirtschaftsWoche Online (Hrsg.) Strategie-Wechsel: BlaBlaCar wird kostenpflichtig, 2016/05/04
Glossar
Netzwerkexternalitäten
Nutzen an einem Standard oder Netzwekr wächst, wenn dessen Nutzerzahl größer wird
Geschäftsmodell
Ein Geschäftsmodell besteht allgemein aus den drei Hauptkomponenten Nutzenversprechen (value proposition), Architektur der Wertschöpfung und Ertragsmodell.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?409405

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 14:03:00