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Sichere Lieferkette

Erstellt am: 14.11.2012 | Stand des Wissens: 15.03.2021
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

Die sichere Lieferkette ist definiert als Zusammenfassung aller "Akteure und Maßnahmen, die mit dem Versand von Luftfracht unter Einhaltung der gesetzlichen Sicherheitsanforderungen (Verordnung (EG) Nr. 300/2008 [EG/300/2008] und deren Durchführungsvorschriften) in Verbindung stehen" [LBA12a]. Daraus resultiert, dass Luftfahrzeuge nur mit Frachtstücken zu beladen sind, welche im Sinne der Luftsicherheit als sicher eingestuft wurden [LBA12a].
Die sichere Lieferkette beschreibt dabei übergeordnete Randbedingungen und die Teilnehmer der klassischen beziehungsweise integrierten Lieferkette detailliert und geht dabei auf die aufzuwendenden Vorkehrungen für die Sicherheitskontrollen ein. Darüber hinaus kann und wird ein kleiner Teil der Frachtstücke stichprobenhaft einer Kontrolle zugeführt.
Der Nutzen der sicheren Lieferkette besteht darin alle Teilnehmer vom Beginn der Lieferkette beim Versender, über den Spediteur bis zum Luftfrachtführer in die Sicherheitsvorkehrungen einzubinden. Daraus resultiert ein zeitlicher, logistischer, qualitätsmäßiger und finanzieller Vorteil der sicheren Lieferkette, da eine erneute Sicherheitskontrolle und das damit einhergehende Umpacken, Durchsuchen, Neuverpacken et cetera, der Luftfracht am Flugplatz entfällt. [LBA12a]
Feste Bestandteile der sicheren Lieferkette sind der reglementierte Beauftragte und der Luftfrachtfrachtführer. Zusätzlich ist an der sicheren Lieferkette ein geschäftlicher (zu beachten: Möglichkeit seit 01. April 2016 in Deutschland ausgesetzt), ein bekannter oder ein unbekannter Versender beteiligt. Diese sind wie folgt definiert:
Reglementierter Beauftragter:
Der reglementierte Beauftragte kann eine Agentur, eine Spedition, ein Luftfahrtunternehmen oder eine sonstige Stelle sein, welche für die Gewährleistung der Sicherheitskontrollen für Fracht und Post zuständig ist [LBA18d].
Die Zulassung zum reglementierten Beauftragten wird durch die zuständige Behörde des Mitgliedstaates (in Deutschland: Luftfahrt-Bundesamt (LBA)) erteilt. Für eine erfolgreiche Zulassung ist unter anderem ein Sicherheitsprogramm, welches vom antragstellenden Unternehmen angefertigt wird und dem LBA im Rahmen des Zulassungsverfahrens vorgelegt wird, erforderlich. Mit der Aufnahme in die "Unionsdatenbank zur Sicherheit der Lieferkette" gilt ein reglementierter Beauftragter als zugelassen [EU2015/1998a].
Luftfrachtführer:
Der Luftfrachtführer, ist der Teilnehmer der Lieferkette, welcher letztendlich den Lufttransport der Fracht- und Luftpoststücke mit einem geeigneten Luftfahrzeug durchführt. Dabei ist zu beachten, dass für Luftfahrzeuge, die gleichzeitig mit der Fracht auch Passagiere transportieren, unter Umständen striktere Sicherheitskontrollen gefordert sind. Beispielsweise hat in den USA bei An- oder Überflügen eine 100 prozentige Sicherheitskontrolle der Frachtstücke zu erfolgen [VR12].
Wird Luftfracht-/post von Drittflughäfen (Flughäfen außerhalb der EU) in die EU transportiert, so sind die Regelungen des ACC3 für Luftfahrtunternehmen zu beachten (siehe Synthesebericht "ACC3" in gleichnamiger Wissenslandkarte).
Bekannter Versender:
Entsprechend des Luftfahrbundesamtes ist der bekannte Versender ein behördlich zugelassenes Unternehmen, der die Luftfracht erstmalig in den Sendeumlauf bringt und dessen Betriebsverfahren den Sicherheitsvorschriften entsprechen, die es gestatten, die Fracht auf dem Luftweg zu befördern. [LBA12a]
Der bekannte Versender ist verpflichtet eigenverantwortlich sicherstellen, dass die "identifizierbare Luftfracht/Luftpost an seinem Betriebsstandort oder auf seinem Betriebsgelände ausreichend vor unbefugtem Zugriff und vor Manipulationen geschützt wird" [LBA12a]. Aus diesem Grund kann diese "sichere" Luftfracht ohne weitere Sicherheitskontrolle an ein Unternehmen, welches den Status als reglementieren Beauftragten trägt, überliefert werden [LBA12a].
Der Vorteil des bekannten Versenders ist, dass bedingt durch diesen Status der Prozess der Luftfrachtabfertigung erheblich simplifiziert wird und schneller abgewickelt werden kann, da im Gegensatz zum unbekannten Versenders keine weiteren Sicherheitskontrollen der Luftfracht vor dem Verladen in ein Luftfahrzeug stattfinden müssen. Dies spart Zeit und Kosten im Rahmen des Sendeprozesses. [LBA12a]
Der Status des bekannten Versenders kann von deutschen Unternehmen beim Luftfahrt-Bundesamt (LBA) beantragt werden. Im Rahmen des Zulassungsprozesses muss unter anderem ein Sicherheitsprogramm vom antragstellenden Unternehmen erarbeitet werden. Das Unternehmen hat mindestens einen Sicherheitsbeauftragten zu benennen, welcher für die Sicherheitskontrollen und für die Überwachung der Einhaltung dieser verantwortlich ist. Des Weiteren führen Vertreter des LBA eine sogenannte "Validierung" durch, was eine Prüfung des Betriebsstandortes vor Ort darstellt. Diese Validierung wird auch nach dem erfolgreichen Durchlaufen des Zertifizierungsprogramms in Abständen von mindestens fünf Jahren immer wieder durchgeführt. Erhält ein Unternehmen den Status des bekannten Versenders, so wird es in die Unionsdatenbank zur Sicherheit der Lieferkette aufgenommen [LBA18b, LBA18a].
Der folgenden Grafik kann die Anzahl der in Deutschland behördlich zugelassenen bekannten Versendern und zugelassenen reglementieren Beauftragten zwischen 2011-2018 entnommen werden:
401838.PNG
Abbildung 1: Anzahl der Zulassungen des LBA im Zeitraum: 2011-2018; eigene Darstellung nach [LFBA19]
Geschäftlicher Versender:
Ein geschäftlicher Versender führt Fracht als Erstes in den Sendungsumlauf ein. Dabei ist es ihm erlaubt, diese Fracht mit Nur-Frachtflugzeugen zu befördern und kann dabei auf eine erneute Sicherheitskontrolle vor dem Verladen der Fracht verzichten. Die Beförderung von Fracht innerhalb des Laderaums eines Passagierflugzeuges ist im Rahmen des Status des geschäftlichen Versenders nicht gestattet [LBA16, S.21; LBA12a].

Für den Status des geschäftlichen Versenders ist keine behördliche Zulassung notwendig, sondern eine Ernennung durch einen reglementierten Beauftragten. Für die Ernennung hat der geschäftliche Versender eine Verpflichtungserklärung und ein Sicherheitsprogramm zu erstellen. Er verpflichtet sich damit bestimmte Sicherheitsstandards zu gewährleisten [LBA16, S.21; [LBA12a].

Seit dem 01. April 2016 ist der Status des geschäftlichen Versendes in Deutschland ausgesetzt. Grund hierfür sind vom LBA aufgedeckte Missstände, die es veranlasst haben, strengere Maßnahmen gemäß Artikel 6 der EU-Verordnung Nr. 300/2008 [EG/300/2008] einzuleiten. Allen reglementieren Beauftragten in Deutschland ist es daher nicht mehr möglich geschäftliche Versender zu benennen [LBA16, S.21].
Unbekannter Versender:
Der unbekannte Versender ist weder ein bekannter noch geschäftlicher Versender. Die Luftfracht eines unbekannten Versenders gilt als "unsichere" Fracht und muss deswegen vor dem Verladen in das Luftfahrzeug von einem reglementieren Beamten oder dem Luftfahrtunternehmen einer Sicherheitskontrolle unterzogen werden. Die zeitaufwendigen Kontrollen generieren für den Versender unter Umständen erhebliche Mehrkosten [LBA12a].

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich zwei Möglichkeiten für Unternehmen in Deutschland ergeben, um Luftfracht "sicher" zu versenden.
Die erste Möglichkeit ist das Versenden als bekannter Versender, die zweite Möglichkeit ist das Versenden von Luftfracht als unbekannter Versender mit zusätzlichen Sicherheitskontrollen durch reglementiere Beauftragte [LBA12a]. Beide Möglichkeiten werden im folgenden Schaubild dargestellt:
401838_schematische_Darstellung_Lieferkette.PNG

Abbildung 2: Schematische Darstellung einer sichern Lieferkette nach [Grand12, S. 163], [AThl12]
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Maßnahmen zur Erhöhung der Luftsicherheit (Security) (Stand des Wissens: 15.12.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?132104
Literatur
[AThl12] André Thielmann Risikoanalyse der "sicheren Lieferkette" für mögliche Neugestaltung der Luftfrachtsicherheit, Dresden, 2012/02/13
[Grand12] Grandjot, Hans-Helmut, Bernecker, Tobias Leitfaden Luftfracht - Ein Lehr- und Handbuch, Ausgabe/Auflage 3. Ausgabe, vollständig überarbeitete Auflage, Hussverlag München, 2012, ISBN/ISSN 9783941418974; 3941418971
[LBA12a] Luftfahrt-Bundesamt (LBA) (Hrsg.) FAQs zu den Rechtsgrundlagen der Zulassung zum bekannten Versender, 2012
[LBA16] Luftfahrt-Bundesamt (LBA) (Hrsg.) Jahresbericht 2014/2015/2016, 2016/09
[LBA18] Luftfahrt-Bundesamt (LBA) (Hrsg.) Statistik bekannte Versender, reglementierte Beauftragte, 2018/01/30
[LBA18a] Luftfahrt-Bundesamt (LBA) (Hrsg.) FAQ zum Zulassungsverfahren für bekannte Versender, 2018
[LBA18b] Luftfahrt-Bundesamt (LBA) (Hrsg.) Zulassungsverfahren - Ablauf Zulassung zum behördlich anerkannten bekannten Versender, 2018/02/16
[LBA18d] Luftfahrt-Bundesamt (LBA) (Hrsg.) Reglementierte Beauftragte - Allgemeines, 2018/05/29
[LFBA19] Luftfahrt-Bundesamt (LBA) (Hrsg.) Jahresbericht 2017/2018/2019 des Luftfahrtbundesamtes, 2019/06
[VR12] Verkehrsrundschau, Springer Fachmedien München GmbH, Aschauer Straße 30, 81549 München (Hrsg.) USA-Fracht muss geröntgt werden, 2010/04/10
Rechtsvorschriften
[EG/300/2008] Verordnung (EG) Nr. 300/2008
[EU2015/1998a] Durchführungsverordnung (EU) 2015/1998
[VOEG2320/2002] Verordnung (EG) Nr. 2320/2002
[VOEG272/2009] Verordnung (EG) Nr. 272/2009
Glossar
Versender Versender (auch Verlader genannt) sind Unternehmen, die Transportleistungen und verwandte logistische Dienstleistungen für ihre Sendungen nachfragen.
Validierung
Als Validierung bezeichnet man die Prüfung, ob ein Lösungsansatz für ein bestimmtes reales Problem verwendungsfähig ist.
Spediteur Spediteure fungieren als Intermediäre zwischen Versender und Transporteur bzw. Frachtführer. Sie „besorgen” den Transport. Hierunter fallen insbesondere die Festlegung auf Verkehrsmittel und die Beauftragung ausführender Unternehmen.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?401838

Gedruckt am Freitag, 19. April 2024 01:56:01