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Infrastrukturplanung für Elektromobilität: Bedarfsermittlung und Standortkriterien

Erstellt am: 11.10.2012 | Stand des Wissens: 24.05.2023
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IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.

Der Aufbau von Ladeinfrastruktur ist derzeit noch mit Unsicherheiten behaftet. Sowohl die Durchdringung der Fahrzeugflotte mit Elektrofahrzeugen als auch die Entwicklung und Verbreitung verschiedener Ladetechniken wie auch die unterschiedlichen Geschäfts- und Betreibermodelle haben Auswirkungen auf die Bedarfsermittlung und die Standortkriterien für die Ladeinfrastruktur. Einerseits trägt die Steigerung an elektrisch betriebenen Fahrzeugen zur Auslastung und einem höheren Bedarf an Ladeinfrastruktur bei, andererseits kann je nach Dichte der halböffentlichen und öffentlichen Ladepunkte an im Stadtbild gut sichtbaren Stellen zur Förderung der Elektromobilität beitragen. Beeinflusst wird der Bedarf an Wechselstrom (englisch: alternative current, AC) Ladeinfrastruktur unter anderem durch die Verbreitung von alternativen Antriebskonzepten wie Range Extender- oder Brennstoffzellenfahrzeuge, Plug-in-Hybriden, optimierte Routenplanung der Elektrofahrzeuge, aber auch die zunehmende Verbreitung von Schnellladestationen. Die steigende Auslastung von Ladeinfrastruktur und die langfristig zunehmende elektrische Leistung pro Ladepunkt verändern die Anforderungen an die Ladeinfrastruktur. Im Regierungsprogramm wird der Aufbau einer bedarfsgerechten, kunden- und wettbewerbsfreundlichen, diskriminierungs- und barrierefreien öffentlich zugänglichen Ladeinfrastruktur gefordert. Der Aufbau soll möglichst flächendeckend erfolgen, Parallelinfrastrukturen sollten dabei aber vermieden werden [BMWi11i]. Die Nationale Plattform Zukunft der Mobilität (NPM) geht davon aus, dass eine Flächendeckungsphase mit öffentlicher Ladeinfrastruktur bis etwa 2025 abgeschlossen sein sollte, anschließend wird erwartet, dass die Standorte sich marktgetrieben ausbreiten und es somit zu einer Nachverdichtung kommt. Das Ziel flächendeckende Ladeinfrastruktur soll erreichet werden, indem alle Nutzenden, die auf die öffentliche Ladeinfrastruktur angewiesen sind, alle bisher mit Verbrennerfahrzeug zurücklegbare Strecken zukünftig mit dem Elektroauto zurücklegen können. [NPM20a] Die NPM geht dafür von einem maximalen Abstand von 30 bis 50 Kilometern aus. Im Jahr 2019 hat die Bundesregierung den Masterplan Ladeinfrastruktur verabschiedet, welcher kontinuierlich weiterentwickelt wurde um im Koalitionsvertrag festgeschrieben wurde [Bund22]. So ist im Koalitionsvertrag zwischen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP aus dem Jahr 2021 ist ein dem Bedarf vorauslaufender Ausbau der Ladesäuleninfrastruktur mit dem Ziel von einer Million öffentlich und diskriminierungsfrei zugänglichen Ladepunkten bis 2030 adressiert [BReg21f].
Im Jahr 2022 wurde ein Masterplan Ladeinfrastruktur II von der Bundesregierung entwickelt, indem Aufbau und Betrieb von Ladepunkten bequemer, schneller und einfacher sowie das Geschäftsmodell attraktiver gestaltet werden soll, um somit stärkere privatwirtschaftliche Investitionen zu mobilisieren. [Bund22]
Die Nationale Plattform Elektromobilität (NPE) geht in ihrem Fortschrittsbericht 2018 für die Jahre 2020 bis 2025 von einem Ladeinfrastrukturbedarf ausgedrückt im Verhältnis zur Anzahl der Fahrzeuge von 1:14 bis 1:16,5 für das Normalladen im öffentlichen Bereich aus. Unter Berücksichtigung des von der NPE prognostizierten Fahrzeughochlaufs ergab sich ein Bedarf in absoluten Zahlen von 45.000 bis 71.000 AC-Ladepunkten und von 4.200 bis 7.100 Gleichstrom (englisch: direct current, DC) -Ladepunkten bis zum Jahre 2020. In den darauf folgenden fünf Jahren ist laut dieser Studie der Aufbau von 130.000 bis 190.000 AC-Ladepunkten sowie 13.000 bis 19.000 DC-Ladepunkten im öffentlichen Bereich notwendig. Daraus ergibt sich ein Investitionsbedarf von 2 bis 3 Milliarden Euro, der laut NPE mit einem Förderbedarf von 800 Millionen bis 1,2 Milliarden Euro einhergeht [NPE18, S.53ff.]. Am 1. Januar 2023 waren insgesamt 69.212 Normalladepunkte und 13.139 Schnellladepunkte bei der Bundesnetzagentur registriert [BNetzA]. Die Gesamtanzahl an Ladepunkten lag dementsprechend bei 82.351.
markthochlauf_e_fahrzeuge_und_ladeinfrastruktur.PNGAbb. 1: Markthochlauf E-Fahrzeuge und Ladeinfrastruktur ([NPE18, S.55]) (Grafik zum Vergrößern bitte anklicken)
Hauptsächlich werden die Fahrzeuge allerdings regelmäßig im privaten Bereich geladen, in dem nahezu ein Verhältnis von 1:1 zwischen Ladepunkten und Fahrzeugen vorliegt. Daraus ergibt sich für das Jahr 2025 ein Bedarf von 2,4  bis 3,5 Millionen Ladepunkten im privaten Bereich verbunden mit Investitionskosten in Höhe von 4,4 Milliarden bis 6,3 Milliarden Euro [NPE18, S.53ff.].
Auf europäischer Ebene wurde im Jahr 2014 durch die Richtlinie über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe ([Richtlinie 2014/94/EU]) Maßnahmen für den Aufbau von öffentlichen Ladepunkten festgelegt. So wurden durch die Mitgliedsstaaten durch die europäische Richtlinie unter anderem dazu verpflichtet, einen nationalen Strategierahmen über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe zu entwickeln und zu veröffentlichen. [EU14d] Im März 2023 wurde vom Europäischen Rat und Parlament eine vorläufige Einigung bezüglich der Verordnung über die Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (sogenannte [AFIR] Verordnung) erzielt. Die AFIR-Verordnung löst die Richtlinie 2014/94/EU ab. Es soll eine flächendeckende Ladeinfrastruktur für Elektro-PKWs entwickelt werden, indem bis Ende 2025 mindestens alle 60 Kilometer innerhalb des Kernnetzes des transeuropäischen Verkehrsnetzes Ladestationen bestehen. Weiterhin wurden klare Vorgaben hinsichtlich des Bezahlens an den Stationen festgelegt. An jedem Ladepunkt soll eine elektronische Bezahlung (kontaktlose Kartenzahlung mittels QR-Codes) ermöglicht werden, weiterhin sollen die Preise klar ersichtlich sein (pro Kilowattstunde oder pro Kilogramm angezeigt). [REU23]
Das BMVI hat eine weitere Studie  zu dem Ladeinfrastrukturbedarf ab 2025 über die Nationale Leitstelle Ladeinfrastruktur in Auftrag gegeben. In ihrem Bericht Ladeinfrastruktur nach 2025/2035: Szenarien für den Markthochlauf wird ein Bedarf von 5,4 bis 8,7 Millionen privaten Ladepunkten am Wohnort prognostiziert, während sich für den Arbeitsplatz ein Bedarf von 2,5 bis 2,7 Millionen Ladepunkten abzeichnet. Der Bedarf an öffentlicher Ladeinfrastruktur wurde anhand sechs Entwicklungsszenarien bestimmt, welche sich in Annahmen zum Nutzerverhalten, Aufbau von privater Ladeinfrastruktur sowie zur Auslastung von öffentlich zugänglicher Ladeinfrastruktur unterscheiden. Zwischen den Szenarien schwankt der Bedarf zwischen 437.000 und 843.000 öffentlichen Ladepunkten (Vergleich Abbildung ). Diese decken einen Anteil öffentlicher Ladevorgänge von 12 bis 24 Prozent ab. Der Prognose zufolge wird das Verhältnis von E-Autos zu öffentlich zugänglichen Ladepunkten von 13:1 im Jahr 2023 zu 20:1 im Jahr 2030 ansteigen. Im burbanen Raum (bis 2030 14:1) wird der Anstieg dabei nicht so stark sein wie im ländlichen Raum (bis 2030 23:1) [NOW20, S.64].
Ladeinfrastrukturbedarf.pngAbb. 2: Gegenüberstellung des Bedarfs an Ladeinfrastruktur in Deutschland [NOW20, S.64] (Grafik zum Vergrößern bitte anklicken)
Die konkrete Standortplanung unterliegt baulich-technischen Kriterien, insbesondere sind hier Eignung der Fläche und Aufwand des Aufbaus zu nennen, gestalterischen Faktoren wie Beachtung des städtebaulichen Maßstabs und des Verunstaltungsverbots aber auch rechtlichen Kriterien, darunter fallen die Beachtung des Brand-, Denkmal-, Naturschutzes, Beachtung der Bauordnung, der Straßenverkehrs- und Grünflächenverordnung sowie das Verhindern von Beeinträchtigungen der Sicherheit und der Leichtigkeit des Straßenverkehrs. Für die konkrete räumliche Standortplanung sind weitere Kriterien von Relevanz wie eine hohe Frequentierung und gute Erreichbar- und Zugänglichkeit wie auch eine erwartungsgemäß längere Verweildauer der Fahrzeuge am Standort, die Sichtbarkeit der Ladesäule an einem publikumswirksamen Ort. Weiterhin muss am Standort eine ausreichende Netzanschlusskapazität gewährleistet sein. Beachtet werden sollten zudem intermodale Verknüpfungsmöglichkeiten, der bestehende Parkdruck und Parkraumbewirtschaftung beziehungsweise Nutzungskonkurrenz am Standort sowie gegebenenfalls die Einhaltung einer minimalen und maximalen Distanz zum nächsten Ladepunkt [SenSU14, S. 7ff.; Hamb14 S.33f.].

Publikationen

Ansprechpartner
IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Öffentliche Ladeinfrastruktur für Elektromobilität (Stand des Wissens: 02.06.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?426949
Literatur
[BMVI16aa] Bundesministerium für Digitales und Verkehr (Hrsg.) Nationaler Strategierahmen über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe als Teil der Umsetzung der Richtlinie 2014/94/EU, 2016/08
[BMWi11i] o.A. Regierungsprogramm Elektromobilität, Berlin, 2011/05
[BNA21b] Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (Hrsg.) Elek­tro­mo­bi­li­tät / Öf­fent­li­che Ladein­fra­struk­tur, 2021
[BNetzA] Bundesnetzagentur (Hrsg.) Elek­tro­mo­bi­li­tät: Öf­fent­li­che Ladein­fra­struk­tur, 2023/02/02
[BReg21f] Bundesregierung (Hrsg.) Koalitionsvertrag 2021-2025 zwischen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP, 2021
[Bund22] Bundesregierung (Hrsg.) Masterplan Ladeinfrastruktur II: Mehr Tempo beim Ausbau von Ladeinfrastruktur, 2022/10/19
[DLR16b] DLR - Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Institut für Verkehrsforschung (Hrsg.) LADEN2020, Schlussbericht, 2016/12/15
[EU14d] Europäische Union (Hrsg.) Richtlinie 2014/94/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2014 über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe , 2014/10/21
[Gaug11] Gauggel, S Öffentliche Ladeinfrastruktur für Elektromobile: Kommunale Handlungsmöglichkeiten, veröffentlicht in InfrastrukturRecht Energie. Verkehr. Abfall. Wasser, Nr. 11, 8. Jg, Ausgabe/Auflage Nr. 11, München/Frankfurt am Main , 2011
[Hamb14] Freie und Hansestadt Hamburg (Hrsg.) Masterplan zur Weiterentwicklung der öffentlich zugänglichen Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge in Hamburg, 2014
[Kley11a] Kley, Fabian Ladeinfrastrukturen für Elektrofahrzeuge. Entwicklung und Bewertung einer Ausbaustrategie auf Basis des Fahrverhaltens., veröffentlicht in Fraunhofer ISI Schriftenreihe "Innovationspotenziale", Fraunhofer Verlag, Karlsruhe , 2011, ISBN/ISSN 978-3-8396-0302-4
[NOW11a] NOW GmbH Aufbau einer öffentlich zugänglichen Ladeinfrastruktur für Genehmigungsbehörden und Antragsteller , Berlin, 2011
[NOW11b] NOW GmbH Szenarien zum Infrastrukturaufbau für Elektromobilität. Ergebnisse aus Expertenworkshops der Plattform Infrastruktur im Rahmen des BMVBS-Vorhabens "Modellregionen für Elektromobilität 2009 -2011", Berlin, 2011
[NOW20] Alexander Windt, , Oliver Arnhold Ladeinfrastruktur nach 2025/2030: Szenarien für den Markthochlauf, 2020
[NPE10a] NPE Zwischenbericht der Arbeitsgruppe 3. Lade-Infrastruktur und Netzintegration , Berlin, 2010
[NPE11] Nationale Plattform Elektromobilität (NPE Zweiter Bericht der Nationalen Plattform Elektromobilität, Berlin, 2011
[NPE12] Nationale Plattform Elektromobilität Fortschrittsbericht der Nationalen Plattform Elektromobilität, veröffentlicht in 3. Bericht, Berlin, 2012
[NPE18] Nationale Plattform Elektromobilität (Hrsg.) Fortschrittsbericht 2018
Markthochlaufphase , 2018/05
[NPM20a] Nationale Plattform Zukunft Mobilität (Arbeitsgruppe 5: Verknüpfung der Verkehrs- und Energienetze, Sektorkopplung) FLÄCHENDECKENDE LADEINFRASTRUKTUR , 2020/10
[REU23] Rat der Europäischen Union (Hrsg.) "Fit für 55": für einen nachhaltigeren Verkehr , 2023/04/26
[SenSU14] Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt (SenStadtUm) (Hrsg.) Elektromobilität in Berlin, Arbeitshilfe für die Ladeinfrastrukturerweiterung, 2014/05
Weiterführende Literatur
[GeAm11] Gemeente Amsterdam Prognose en ontwerp. Oplaadpunten openbare ruimte , 2011
[HaVe11] Hamburger Verkehrsverbund GmbH Schlussbericht hh=more. Einsatz von elektrisch betriebenen Pkw und Aufbau einer Ladeinfrastruktur in der Modellregion Hamburg , Hamburg, 2011
[GLAu09] Greater London Authority Turning London electric. London`s Electric Vehicle Infrastructure Strategy. Draft for Consultation, London, 2009
[AFIR] Vorschlag für eine Verordnung über den Aufbau der Infrastruktur für alternative Kraftstoffe, zum Aufheben der Richtlinie 2014/94/EU
[Richtlinie 2014/94/EU] Richtlinie 2014/94/EU
Glossar
Standortplanung Unter Standortplanung versteht man den Entscheidungsprozeß zur Ermittlung des jeweils optimalen Standortes eines Unternehmens bzw. Einrichtung (Freizeitpark, Einkaufszentrum etc.) für bestimmte Zielkriterien (Standortfaktoren). Somit umfasst die Standortplanung die zielorientierte Suche alternativ in Frage kommender Standorte. Die Beurteilung dieser Standorte wird anhand der jeweiligen Standortgegebenheiten unter Berücksichtigung der relevanten Standortfaktoren getroffen. Wichtige Begriffe im Zusammenhang mit der Standortplanung sind einmal der Standort selbst, die Standortfaktoren, Flächenutzungskonkurrenzen, Suburbanisierung, Anreizfaktoren, Bodenpreise, Erschließungskosten, Kontamination und Erreichbarkeit.
DC
Gleichstrom (englisch: Direct Current)
AC
Wechselstrom
Trans-European Transport Network Das Trans-European Transport Network, TEN-T (dt. Transeuropäisches Verkehrsnetz, kurz TEN-V) ist ein Teilnetz der sog. Trans-European Networks, TEN (dt. Transeuropäische Netze, kurz TEN). Zu diesen zählen neben den Verkehrsnetzen bspw. auch Netzwerke der Telekommunikation oder der Energieversorgung.
Elektromobilität
Die Elektrifizierung der Antriebe durch Batterie- und Brennstoffzellentechnologien. Im Kontext des "Nationalen Entwicklungsplans Elektromobilität" wird der Begriff auf den Straßenverkehr begrenzt. Hierbei handelt es sich insbesondere um Personenkraftwagen (Pkw) und leichte Nutzfahrzeuge, ebenso werden aber auch Zweiräder (Elektroroller, Elektrofahrräder) und Leichtfahrzeuge einbezogen.
BMDV
Bundesministerium für Digitales und Verkehr (bis 10/2005 BMVBW, bis 12/2013 BMVBS und bis 11/2021 BMVI)
Geschäftsmodell
Ein Geschäftsmodell besteht allgemein aus den drei Hauptkomponenten Nutzenversprechen (value proposition), Architektur der Wertschöpfung und Ertragsmodell.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?399700

Gedruckt am Donnerstag, 18. April 2024 23:40:51