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Training und Förderung persönlicher Fähigkeiten älterer Verkehrsteilnehmer

Erstellt am: 13.08.2012 | Stand des Wissens: 01.03.2019
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

Trainings beziehungsweise die Förderung zur Aufrechterhaltung der Fahrfähigkeit für ältere Kraftfahrer werden im Zuge des demographischen Wandels an Bedeutung gewinnen. Ein Trainingsschwerpunkt liegt darin, dass das Bewusstsein und Wissen älterer Menschen in Bezug auf altersbedingte Veränderung in fahrrelevanten Fähigkeiten erhöht wird.
Bei der Entwicklung und Planung von Trainingsinterventionen sollte die Fähigkeit Älterer zur Kompensation sensorischer, motorischer und kognitiver Leistungseinbußen berücksichtigt werden. Ältere Autofahrer sind entsprechend dem "Modell der selektiven Optimierung und Kompensation" (SOK) [BalBal90] in der Lage, altersbedingte Leistungseinbußen auszugleichen und so ihre Mobilität risikoarm zu gestalten [Schlag08]. Das SOK-Modell [BalBal90] postuliert, dass trotz zunehmender Einschränkungen eine positive Entwicklung im Alter durch eine effiziente Nutzung der verbleibenden Ressourcen möglich ist. Dies ist möglich, wenn:
  • Selektion (aus vorhandenen Lebensmöglichkeiten wird diejenige herausgesucht, die man verwirklichen kann),
  • Optimierung (es werden Mittel gesucht, um das selektive Ziel zu erreichen) und
  • Kompensation (neue Mittel und Ressourcen werden gesucht, um die gesetzten Ziele zu erreichen) optimal aufeinander abgestimmt werden.
Bezüglich der Verkehrsteilnahme älterer Autofahrer zeigt sich, dass altersbedingte Defizite in der Informationsaufnahme und Verarbeitungsfähigkeit durch eine Selektion der Uhrzeiten, der Orte und Umstände gekennzeichnet sind [AGILE07]. Zum einen wird die Gesamtfahrleistung reduziert. Zum anderen meiden ältere Autofahrer ungünstige Tageszeiten mit hoher Verkehrsdichte, Dämmerungs- und Dunkelheitsfahrten sowie ungünstige Witterungsbedingungen [AGILE07].
Im Rahmen einer Mobilitätsberatung beziehungsweise einer Verkehrsaufklärung sollten ältere Verkehrsteilnehmer über Alterungsprozesse sowie alterstypische Risiken der Verkehrsteilnahme aufgeklärt werden. Ebenfalls sollten Selektions-, Optimierungs- und Kompensationsstrategien erörtert werden und Kompensationsmöglichkeiten aufgezeigt werden. Aktuell existieren Programme (zum Beispiel vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat DVR "sicher mobil"), welche das Thema Autofahren und Alter thematisieren.
Im Vergleich zum passiven Training stellt ein aktives Training am Simulator eine effektivere Strategie dar, um die Gefahrenwahrnehmung im Straßenverkehr zu verbessern [Mar09]. So weisen aktuelle Studienergebnisse aus dem Projekt "Drive Wise" darauf hin, dass das Training am Fahrsimulator eine Steigerung der Wahrnehmungsleistung bewirkt [Pos12].

Die Personen, welche ein Simulatortraining absolvieren, können ihre Aufmerksamkeitsfunktion sowie das nutzbare Sehfeld verbessern. Unter Umständen kann dies beim Lenken eines Fahrzeuges vorteilhaft sein, wenn schnelles Reagieren bei Gefahr oder korrektes Verhalten bei gleichzeitiger Aufnahme unterschiedlicher Informationen (zum Beispiel Richtungsanzeige im zentralen Gesichtsfeld und Information der Lichtsignalanlage im peripheren Gesichtsfeld) notwendig ist [LuMaZö12].

Eine weitere Schulungsmöglichkeit im Rahmen der Selektions-, Optimierungs- und Kompensationsstrategien könnte ein Fahrtraining im realen Verkehr auf bevorzugt befahrenen Strecken sein. So kann das Fahrverhalten auf regelmäßig befahrenen Stecken überprüft und Hinweise zu spezifischen Gefahrensituationen gegeben werden. Eine Untersuchung im Realverkehr [Pos12] wies nach, dass die individuelle Fahrkompetenz von über 70-jährigen durch professionelles Fahrtraining auf einer mit Unfallschwerpunkten (bezüglich älterer Autofahrer) belasteten Strecke überzufällig häufig und nachhaltig erhöht wird.

Außerdem sollte in Trainingsmaßnahmen auch die nachlassende Körperkraft trainiert werden, um die Beweglichkeit, Kraft und Ausdauer älterer Autofahrer zu verbessern. Zudem versprechen kognitive Trainings eine Verbesserung der kognitiven Funktionen [Ball07; Ball10].
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Erhalt persönlicher Fähigkeiten älterer Verkehrsteilnehmer (Stand des Wissens: 01.03.2019)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?399148
Literatur
[AGILE07] Breker, S. , Henriksson, P., Eeckhout, G., Falkmer, T., Siren, A. , Hakamies-Blomqvist, L., Bekiaris, E., Panou, M., Leue, E. Problems of elderly in relation to the driving task and relevant critical scenarios, 2007
[BalBal90] Baltes, P. B., Baltes, M. M. Psychological perspectives on successful aging: The model of selective optimization with compensation, veröffentlicht in Successful aging: Perspectives from the behavioral sciences, Cambridge University Press, New York, 1990, ISBN/ISSN 9780521374545
[Ball07] Ball, K., Edwards, J. D., Ross, L. A. The impact of speed of processing training on cognitive and everyday functions, veröffentlicht in Journal of Gerontology: Psychological Sciences, Ausgabe/Auflage Jun; 62B Spec No 1, 2007
[Ball10] Ball, K., Edwards, J. D., Ross, L. A. , McGwin, G.J. Cognitive Training Decreases Motor Vehicle Collision Involvement of Older Drivers, veröffentlicht in Journal of the American Geriatrics Society, Ausgabe/Auflage 58 (11), 2010
[LuMaZö12] Lutz, J., Martin, M., Zöllig, J. Fahren im Alter, Universität Zürich, 2012
[Mar09] Romoser, M.R.E., Fisher, D.L. The Effect of Active Versus Passive Training Strategies on Improving Older Drivers' Scanning in Intersections, veröffentlicht in Journal of the Human Factors and Ergonomics Society (Human Factors), Ausgabe/Auflage 51(5), Ohio, 2009/10
[Pos12] Poschadel, S., Boenke, D., Blöbaum, A., Rabczinski, S. Ältere Autofahrer: Erhalt, Verbesserung und Verlängerung der Fahrkompetenz durch Training - Eine Evaluation im Realverkehr, veröffentlicht in Schriftenreihe 'Mobilität und Alter', TÜV Media GmbH, Ausgabe/Auflage 06/2012, TÜV Media GmbH TÜV Rheinland Group , 2012/06, ISBN/ISSN ISBN: 978-3-8249-1537-8
[Schlag08] Schlag, B. (Hrsg.) Leistungsfähigkeit und Mobilität im Alter, veröffentlicht in Reihe "Mobilität und Alter" der Eugen-Otto-Butz Stiftung , Ausgabe/Auflage Band 03, Köln Verlag TÜV Rheinland, 2008, ISBN/ISSN 978-3-8249-1151-6
Glossar
DVR Deutscher Verkehrssicherheitsrat e.V.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?396712

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 05:47:17