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Fahrleistungsbezogenes Unfallrisiko - Low Mileage Bias

Erstellt am: 13.08.2012 | Stand des Wissens: 01.03.2019
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

Ein oft diskutiertes Thema ist das erhöhte Unfallrisiko älterer Autofahrer.
Bei genauerer Betrachtung stellt sich heraus, dass Autofahrer zwischen 60 und 64 Jahren kein erhöhtes Risiko haben, an Unfällen beteiligt zu sein. Im Gegensatz dazu weisen jüngere Autofahrer ein dreifach so hohes Unfallrisiko auf, wie die Gruppe 60- bis 64-Jährigen. Erst im Alter von 75 Jahren erhöht sich das statistische Unfallrisiko. Dieses nimmt ab einem Alter von 85 Jahren noch stärker zu, siehe dazu Abbildung 1 [Ba06; LoSe07].

Bild1.jpgAbbildung 1: Unfälle pro gefahrene Meile nach Altersgruppe der Fahrer [Loetal07, S. 6] 
Neben der "frailty bias" bleibt die Wirkung einer niedrigeren zurückgelegten Kilometerzahl auf Unfälle ("low mileage bias") in den Statistiken unberücksichtigt.
[Ja91] stellte als Erster die Vermutung auf, dass Autofahrer, die kürzere Distanzen zurücklegen, eine höhere Unfallrate haben, da sie insbesondere auf lokalen Straßen mit mehr Konfliktstellen fahren [Schlag08]. [Haetal02] nannten später diese Feststellung "low mileage bias". Dieser Begriff beschreibt den Effekt, dass Autofahrer, die über eine geringere jährliche Fahrleistung mit weniger als 3000 Kilometer pro Jahr verfügen, ein höheres Unfallrisiko besitzen als Autofahrer, die jährlich mehr Kilometer fahren [Haetal02].

In der Abbildung 2 ist zu ebenfalls zu erkennen, dass mit zunehmendem Alter sich, unter anderem durch den Eintritt ins Rentenalter und dem Wegfall des Arbeitsweges, die aktive Verkehrsteilnahme als Autofahrer reduziert.

fahrleistung.pngAbbildung 2: Durchschnittliche tägliche Fahrleistung [km] nach Altersgruppe in Deutschland [Bak10, S. 5] 

Vor diesem Hintergrund analysierten [Haetal02] die Unfallraten von jüngeren und älteren Autofahrern genauer. Dabei ergab sich, dass ältere Autofahrer kein erhöhtes Unfallrisiko aufweisen, wenn die jährlich gefahrenen Kilometer berücksichtigt werden. Die Auswirkung ist in der Abbildung 3 dargestellt. [Laetal06] untersuchten ältere und jüngere niederländische Autofahrer unter Berücksichtigung der jeweils im Jahr gefahrenen Kilometer und kommen zu dem Ergebnis, dass ältere Autofahrer genauso sicher oder sogar sicherer sind als jüngere Autofahrer.

Bild2.jpgAbbildung 3: Jährliche Fahrleistung und Unfälle pro km nach Altersgruppe [Haetal02, S. 273] 

Die Kritiker der "low mileage bias"-Theorie weisen auf die Nutzung von selbstberichteten und damit subjektiv bewerteten Daten hin [Laetal08; StGiJo08]. Um weiterhin valide Ergebnisse zu sichern, muss ein objektives Maß benutzt werden, wie beispielsweise der Stand der Kilometerzähler [Laetal08].
Zudem nimmt entsprechend dem "fraility bias" das Risiko bei einem Unfall verletzt zu werden mit dem Alter zu. Es ist möglich, dass nicht alle Unfälle ohne Verletzte polizeilich erfasst werden [Loetal07]. Liegt keine Information über den Hauptverursacher vor, kann dies auf ein höheres Unfallrisiko für ältere Autofahrer hindeuten, als es tatsächlich der Fall ist.
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Mobilität älterer Menschen (Stand des Wissens: 01.03.2019)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?399136
Literatur
[Ba06] Bartl, G. Lifelong education: the context in terms of road accidents, 2006
[Bak10] Bakaba, J. E., Ortlepp, J. Verbesserung der Verkehrssicherheit älterer Verkehrsteilnehmer, veröffentlicht in Unfallforschung kompakt, Berlin, 2010/03
[Haetal02] Hakamies-Blomqvist, L., Raitanen, T., Neill, D. O. Driver ageing does not cause higher accident rates per km, veröffentlicht in Transportation Research Part F 5, 2002
[Ja91] Janke, M. K. Accidents, mileage, and the exaggeration of risk, veröffentlicht in Accident Analysis & Prevention, Ausgabe/Auflage 23 (2 - 3), 1991
[Laetal06] Langford, J., Methorst, R., Hakamies-Blomqvist, L. Older drivers do not have a high crash risk - A replication of low-mileage bias, veröffentlicht in Accident Analysis & Prevention, Ausgabe/Auflage 38 (3), 2006
[Laetal08] Langford, J., Koppel, S., McCarthy, D., Srinivasan, S. In defence of the low-mileage bias, veröffentlicht in Accident Analysis and Prevention, Ausgabe/Auflage 40, 2008
[Loetal07] Loughran, D. S., Seabury, S. A., Zakaras, L. Regulating Older Drivers Are New Policies Needed?, 2007
[LoSe07] Loughran, D. S., Seabury, S. A. Estimating the Accident Risk of Older Drivers, 2007
[Schlag08] Schlag, B. (Hrsg.) Leistungsfähigkeit und Mobilität im Alter, veröffentlicht in Reihe "Mobilität und Alter" der Eugen-Otto-Butz Stiftung , Ausgabe/Auflage Band 03, Köln Verlag TÜV Rheinland, 2008, ISBN/ISSN 978-3-8249-1151-6
[StGiJo08] Staplin, L., Gish, K. W., Joyce, J. 'Low mileage bias_ and related policy implications - A cautionary note, veröffentlicht in Accident Analysis and Prevention, Ausgabe/Auflage 40, 2008

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?396531

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 16:45:01