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Fahrerassistenzsysteme

Erstellt am: 13.08.2012 | Stand des Wissens: 04.03.2021
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

Fahrerassistenzsysteme (FAS) können als Systeme definiert werden, die den Fahrer bei Planung, Führung und Stabilisierung von Fahrmanöver unterstützen sowie entlasten, indem sie Informationen, Empfehlungen und Warnungen für den Fahrer bereitstellen. Darüber hinaus können solche Systeme auch intervenieren und regelnd eingreifen. Fahrerassistenzsysteme können zusammengefasst werden "als die Gesamtheit der Maßnahmen, die mit Hilfe der Übermittlung und Zusammenfügung von Informationen und anderen Daten zu einer Verbesserung der Sicherheit, des Ablaufs und der Umweltverträglichkeit des Verkehrs, insbesondere des Straßenverkehrs, beitragen sollen" [Ber02].
Ziele von FAS sind die positive Beeinflussung des Unfallgeschehens sowie die Unterstützung des Fahrers bei seiner Fahraufgabe, um den Fahrkomfort zu steigern [DVR10c]. Untersuchungen [Bak10] zeigen, dass der Einsatz von Fahrerassistenzsystemen Einschränkungen in Wahrnehmungs- und Reaktionsleistungen kompensieren und bei bestimmten Teilleistungen assistieren können.
Im Folgenden sollen einzelne FAS vor dem Hintergrund altersbedingter Veränderungen näher beleuchtet werden.
Vision Enhancement Systems (VES): Altersbedingte Veränderungen betreffen vor allem das visuelle System. Während die abnehmende Fähigkeit des Auges zur Naheinstellung (Altersweitsichtigkeit) durch Sehhilfen kompensiert werden kann, sind bei anderen visuellen Einschränkungen fahrzeugseitige Unterstützungen möglich. Eine altersbedingte erhöhte Blendungsempfindlichkeit aufgrund einer Austrocknung der Augenstruktur sowie eine altersbedingte verminderte Dämmerungssehschärfe können bei älteren Kraftfahrern zu Schwierigkeiten bei Nachtfahrten führen. Um diese Einschränkungen im visuellen System auszugleichen, empfiehlt [DVR09] die Benutzung von Xenonscheinwerfern. Zudem wird der Einsatz von Kurvenlichtern empfohlen, um die Ausleuchtung der Straße unter ungünstigen Bedingungen wie Dunkelheit, Dämmerung und Nebel zu verbessern. Zusammengefasst werden diese Systeme unter dem Begriff "Vision Enhancement Systems" (VES). Entscheidend bei derartigen Systemen ist, dass sie eine vorausschauende Beleuchtung des zu befahrenden Straßenraumes gewährleisten [Fär00]. Zur Steuerung dieser komplexen Technik werden verschiedene Sensoren und GPS-Daten genutzt, so dass in Abhängigkeit von Geschwindigkeit, Lenkradeinschlag, Straßenart sowie -verlauf eine automatische Steuerung von Leuchtweite und -verteilung erfolgt. Altersbedingten Wahrnehmungs- und Reaktionsdefiziten kann mit Hilfe der "Vision Enhancement Systems" (VES) entgegengewirkt werden [Fär00].
Notfall- und Notrufsysteme: [Fär00] erachtet Notfall- und Notrufsysteme als sinnvoll und hilfreich für ältere Kraftfahrer, vor allem für Infarktgefährdete sowie Diabetiker und andere Personen mit erhöhtem Risiko. Die Notfall- und Notrufsysteme lösen automatisch beziehungsweise durch den Fahrer einen Notruf aus, welcher eine Leitzentrale informiert. Vorteile sind [Fär00]:
  • der Notruf kann automatisch aktiviert werden,
  • ein spezieller Kanal garantiert die Erreichbarkeit der Notrufleitzentrale,
  • über GPS - Empfänger im Fahrzeug kann die Leitzentrale den Standort des Fahrzeuges bestimmen und
  • es besteht die Möglichkeit in der Leitzentrale persönliche Daten (zum Beispiel Medikamentenunverträglichkeit, Diabetes) zu hinterlegen, welche eine gezielte und schnelle Hilfe zulassen.
Die Wahrscheinlichkeit, dass Fahrer in die Situation kommen, das System zu aktivieren, ist sicherlich gering. Dennoch kann dies für ältere Autofahrer einen subjektiven Sicherheitsgewinn darstellen, welcher es ihnen gestattet, sich aus ihrem gewohnten engen Umfeld heraus zu bewegen.
Einparkassistent: Ältere Menschen leiden häufig unter einer eingeschränkten Beweglichkeit der Halswirbelsäule. Parkassistenten können die altersbedingt eingeschränkte Wendigkeit der Halswirbelsäule kompensieren, um so an bereits bestehenden routinierten Handlungen beim Einparken (die Betrachtung des Rückspiegels) anzuknüpfen. Einpark- oder Rückfahrhilfen dienen allgemein der Erkennung statischer Hindernisse und sollen beim Einparken behilflich sein. Dies erfolgt mit Hilfe von akustischen Signalen und kann durch zusätzliche Displays oder Anzeigen ergänzt werden. Beachtet werden sollte, dass die visuellen Signale sich im Bereich des Rückspiegels befinden, um so an bestehende Handlungsschemata beim Einparken aufzugreifen. Displays im Armaturenbereich widersprechen eher dem Handlungsschemata "Einparken" und stellen eine ungewohnte Erfahrung dar [Fär00]. Besonders älteren Menschen würde das gleichzeitige nach vorn (auf eine Armaturtafel) schauen und rückwärtsfahren Probleme bereiten.
Spurhaltesystem: Das Spurhaltesystem kann Unfallrisiken, welche durch ein unbemerktes Abkommen von der Fahrbahn verursacht werden, zum Beispiel ein Abkommen durch Blendung, Ablenkung oder Übermüdung, reduzieren. Nähert sich das Fahrzeug der Fahrbahnrandmarkierungen an, wird der Fahrer durch eine Vibration im Lenkrad gewarnt. Darüber hinaus kann das System auch eine leichte Lenkkorrektur beinhalten [DVR11]. Gerade vor dem Hintergrund der hohen Blendempfindlichkeit im Alter könnte bei einem Abkommen von der Fahrbahn das System korrigierend einwirken. Eine altersvergleichende Untersuchung zum Fahrverhalten [BuHoKr06] zeigte, dass ältere Fahrer schlechter die Spur halten konnten.
Spurwechselassistent: Beim Wechsel der Fahrspur steigt die Unfallgefahr, besonders durch den sogenannten toten Winkel. Die altersbedingt eingeschränkte Beweglichkeit der Halswirbelsäule erschwert älteren Autofahrern den sicherheitsrelevanten Schulterblick. Zudem verglichen [BuHoKr06] die fahrerischen Leistungen dreier Altersgruppen beim Auffahren auf die Autobahn. Dabei stellten sie fest, dass ältere Fahrer häufiger als die mittleren und jüngeren Altersgruppen seitliche Fahrzeuge übersahen. Hier bieten sich Spurwechselassistenten an. Diese erkennen mit Hilfe von Radarsensorik oder Video, wenn sich ein nachfolgendes Fahrzeug auf versetzter Spur kritisch annähert und warnen den Fahrer durch Warnlicht am Außenspiegeln oder einem Warnton bei gesetztem Blinker [DVR09a; Ech05].
Abstandsregeltempomat (ACC): Die eingestellte Geschwindigkeit und der Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug werden geregelt. Die neuesten Modelle können bis zum Stillstand abbremsen und regeln auch das Fahren beim "Stop and Go" im Stau. Dadurch verringert sich die Zahl schwer Unfälle mit Personenschäden um 17 Prozent [ADAC20].

Notbremsassistent (BAS): Der Fahrer wird bei einer Vollbremsung vom BAS unterstützt. Es kommt zu 28 Prozent weniger Auffahrunfällen mit Personenschaden [ADAC20].

Nachtsichtassistent: Der Einsatz eines Nachtsichtassistenten verringert die Zahl der Verkehrstoten bei Nachtfahrten um sechs Prozent [ADAC20].
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Fahrzeuggestaltung und Ergonomie (Stand des Wissens: 01.03.2019)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?399168
Literatur
[ADAC20] Allgemeiner Deutscher Automobil-Club e. V. (ADAC) (Hrsg.) Assistenzsysteme: So können sie Autofahrer entlasten, 2020/01/9
[Bak10] Bakaba, J. E., Ortlepp, J. Verbesserung der Verkehrssicherheit älterer Verkehrsteilnehmer, veröffentlicht in Unfallforschung kompakt, Berlin, 2010/03
[Ber02] Berz, U. Fahrerassistenzsysteme: Allgemeine Verkehrssicherheit und individueller Nutzen, veröffentlicht in Zeitschrift fuer Verkehrssicherheit, 48(1), 2002
[BuHoKr06] Buld, S., Hoffmann, S., Krüger, H.-P. Vergleich der fahrerischen Leistungen dreier Altersgruppen beim Auffahren auf die Autobahn, veröffentlicht in VDI-Berichte, Ausgabe/Auflage Vol. 160, Düsseldorf: VDI-Verlag, 2006
[DVR09] Deutscher Verkehrssicherheitsrat Wie sollte ein seniorengerechtes Auto aussehen? , veröffentlicht in Fachmagazin für Verkehrssicherheit - DVR-Report No. 4, 2009/04
[DVR09a] Deutscher Verkehrssicherheitsrat Fahrerassistenzsysteme helfen älteren Verkehrsteilnehmern, 2009/11/30
[DVR10c] Deutscher Verkehrssicherheitsrat e.V. Weniger Unfälle Mehr Sicherheit -Was leisten Fahrerassistenzsysteme?, Ausgabe/Auflage 2. Auflage, Bonn, 2010
[DVR11] Deutscher Verkehrssicherheitsrat (Hrsg.) Spurhalteassistent, 2011
[Ech05] Wallentowitz, H, Neunzig, D. Fahrerassistenzsysteme für ältere Menschen, veröffentlicht in Strategien zur Sicherung der Mobilität älterer Menschen, Ausgabe/Auflage Band 01, TÜV Media & Eugen-Otto-Butz Stiftung / Köln, 2005
[Fär00] Färber, B Neue Fahrzeugtechnologien zur Unterstützung der Mobilität Älterer, veröffentlicht in Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie, 33(3), 2000/03
Weiterführende Literatur
[BASt13] Hoffmann, H, Wipking, C, Blanke, L., Falkenstein, M. Experimentelle Untersuchung zur Unterstützung der Entwicklung von Fahrerassistenzsystemen für ältere Kraftfahrer , veröffentlicht in Berichte der Bundesantsalt für Straßenwesen, Unterreihe F - Fahrzeugsicherheit, Ausgabe/Auflage Heft F 86, Carl Schünemann Verlag, Bergisch Gladbach, 2013/01
Glossar
FAS Fahrerassistenzsysteme (FAS; engl.: Advanced driver assistence system (ADAS)) sind technische Ausstattungen im Fahrzeug, welche das Ziel haben, die Sicherheit, die Leistungsfähigkeit des Straßenverkehrs oder den Komfort des Fahrzeugführers zu verbessern. Dazu wird durch Informationen oder Warnungen auf den Fahrer Einfluss genommen oder den Willen des Fahrers unterstellend durch Interventionen in das Fahrzeugverhalten eingegriffen. Dabei kann auch Telematik zum Einsatz kommen.
Global Positioning System Global Positioning System (GPS), offiziell NAVSTAR GPS, ist ein globales Navigationssatellitensystem zur Positionsbestimmung und Zeitmessung. GPS basiert auf Satelliten, die mit kodierten Radiosignalen ständig ihre aktuelle Position und die genaue Uhrzeit ausstrahlen. Aus den Signallaufzeiten können GPS-Empfänger dann ihre eigene Position und Geschwindigkeit berechnen.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?396464

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 15:40:29