Forschungsinformationssystem des BMVI

zurück Zur Startseite FIS

Erhebungstechnologien einer Bepreisung zur Finanzierung von Straßeninfrastruktur

Erstellt am: 17.04.2012 | Stand des Wissens: 12.01.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch

Bei der Erhebung einer Straßennutzungsgebühr stehen unter anderem die Möglichkeiten einer manuellen oder elektronischen Vignette, eines Kurzstreckenfunks (Dedicated Short Range Communication DSRC) sowie satellitengestützte Mauterhebungssysteme zur Verfügung.

Bei der manuellen Vignette muss der Nutzer vor Fahrtantritt eine Papiervignette erwerben und gut sichtbar im Fahrzeug anbringen. Diese Vignetten sind zum Beispiel an Tankstellen oder in Supermärkten erhältlich und gelten für einen festen Zeitraum (zum Beispiel eine Woche oder ein Jahr). Die manuelle Vignette ist die technisch einfachste Methode der Mauterhebung, da sie praktisch keine zusätzliche Infrastruktur oder Technologie erfordert. Zusätzlich ist der Anteil der Kosten für das Mautsystem an den Gesamteinnahmen vergleichsweise gering (circa acht Prozent in Österreich [BBHK05]). Allerdings erfordert die Kontrolle der Einhaltung der Mautpflicht einen wesentlich höheren (finanziellen und personellen) Aufwand als bei anderen Systemen. Auch kann die Fälschungssicherheit in letzter Konsequenz nicht sichergestellt werden. Anwendung findet das System zum Beispiel bei der Pkw-Maut in Österreich [BHKW07].

Auch die elektronische Vignette (Video License Plate Reading) muss vor Fahrtantritt, beispielsweise im Internet oder an Servicestellen (zum Beispiel Tankstellen) erworben werden. Durch den Erwerb der Vignette erwirbt der Nutzer ein Nutzungsrecht für die Verkehrsinfrastruktur, das in einer zentralen Datenbank zusammen mit dem amtlichen Kennzeichen des Fahrzeugs und allen relevanten Fahrzeugdaten (zum Beispiel Achsanzahl) verschlüsselt gespeichert wird. Die Kontrolle erfolgt bei diesem System durch Kameras, die beim Passieren ein Bild des Fahrzeugs aufnehmen und die relevanten Daten, insbesondere das Kennzeichen, mit den in der Datenbank gespeicherten Informationen abgleichen. Hat der Nutzer die erforderlichen Nutzungsrechte erworben, wird der Datensatz sofort gelöscht, andernfalls wird das Bild an eine Bußgeldstelle weitergeleitet und ein Bußgeldbescheid versandt. Diese Technologie wurde zur Erhebung von Straßenbenutzungsgebühren in London angewandt. Mit einem Anteil von circa 45 Prozent der Einnahmen sind die Erhebungskosten im Vergleich zur DSRC Technologie jedoch sehr hoch [BHKW07].

Für die Mauterhebung via Kurzstreckenfunk (Dedicated Short Range Communication) ist, im Gegensatz zu den zugangsbezogenen Erhebungsmethoden, der Einbau einer On-Board-Unit (OBU) nötig. Diese kommuniziert mit der straßenseitigen Infrastruktur des Mautsystems und speichert alle relevanten Daten (zum Beispiel Achsanzahl, Schadstoffklasse). Beim Passieren einer, auf dem Mautportal angebrachten Empfangsstation, der sogenannten "DSRC-Bake", wird ein Zahlungsvorgang ausgelöst. Die fällige Mautgebühr wird dann entweder von einem Guthaben abgezogen (Pre-Pay-Verfahren) oder dem Fahrzeughalter in Rechnung gestellt (Post-Pay-Verfahren) [BHKW07]. Die Mautkontrolle erfolgt beim DSRC-System durch eine Kombination von mobilen Kontrollen und auf den Mautportalen angebrachten Kameras.  SIe nehmen bei abgeschalteter oder nicht vorhandener OBU eines mautpflichtigen Fahrzeugs ein Bild des Kennzeichens auf und leiten dieses an eine Bußgeldstelle weiterleiten [BHKW07]. Diese Technologie kann sowohl bei einer Cordon-Maut als auch bei einer fahrleistungsgenauen Maut eingesetzt werden. Derzeit wird diese Technologie bei der Erhebung der City-Maut in Stockholm eingesetzt.

Bei der statellitengestützten Mauterhebung erfolgt die Berechnung auf der Basis eines satellitengestützten Navigationssystems (Global Navigation Satellite System, GNSS), beispielsweise GPS oder GALILEO [BHKW07]. Es ist ebenfalls eine OBU zur genauen Positions- und Routenbestimmung notwendig. Aus diesen Daten wird die fällige Mautgebühr berechnet und an einen Zentralrechner gesendet (beispielsweise per Mobilfunk). Die Gebühr wird dann entweder von einem auf der OBU gespeicherten Guthaben abgebucht, oder dem Nutzer in Rechnung gestellt. Mithilfe dieser Technologie können auch Ballungsräume bemautet werden.
Technisch erfolgt die Erhebung der Lkw-Maut in Deutschland unter der kombinierten Nutzung von Satellitenortungssystemen (GPS), Mobilfunktechnologien (GSM) und Kurzstreckenfunk (Infrarot) [ToCo20].
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Erhebung von Staugebühren zum Management knapper Kapazitäten (Stand des Wissens: 17.04.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?388207
Formen der Bepreisung zur Finanzierung von Verkehrsinfrastruktur (Stand des Wissens: 27.06.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?335946
Literatur
[BBHK05] von Hirschhausen, Christian, Prof. Dr., Klatt, Jan-Peter, Dipl.-Vw., Beckers, Thorsten, Dr., Brenck, Andreas, Dr. Die ASFINAG und das österreichische Modell der Fernstraßenfinanzierung: Vorstellung und Bewertung, 2005/04/11
[BHKW07] Klatt, Jan Peter, Dipl. Volkswirt , Winter, Martin, Dipl. Verkehrswirtschaftler, Beckers, Thorsten, Dr., von Hirschhausen, Christian, Prof. Dr. Effiziente Verkehrspolitik für den Straßensektor in Ballungsräumen: Kapazitätsauslastung, Umweltschutz und Finanzierung, 2007
[ToCo20] Toll Collect Gmbh (Hrsg.) Wie funktioniert das Lkw-Mautsystem?, 2020
Glossar
Lkw Lastkraftwagen (Lkw) sind Kraftfahrzeuge, die laut Richtlinie 1997/27/EG überwiegend oder sogar ausschließlich für die Beförderung von Gütern und Waren bestimmt sind. Oftmals handelt es sich dabei um Fahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse zwischen 3,5 und 12 Tonnen. In Einzelfällen kann die zulässige Gesamtmasse diese Werte jedoch auch unter- beziehungsweise überschreiten, sofern das Kriterium der Güterbeförderung gegeben ist. Lastkraftwagen können auch einen Anhänger ziehen.
dedizieren dedizieren bedeutet jemandem etw. widmen (vgl. im Englischen "to dedicate") und ist vom lateinischen dedicare abgeleitet (de+dicare, jemandem etwas zusprechen, weihen, widmen). Es wird speziell im EDV-Bereich gebraucht: So nennt man beispielsweise einen Server, der ausschließlich für die Verarbeitung einer Datenbank zuständig ist, einen dedizierten Datenbank-Server.
Global System for Mobile Communication
Der GSM-Standard (Global System for Mobile Communication) - ursprünglich ein rein europäisches Mobilfunkkonzept - hat inzwischen weltweite Verbreitung gefunden. In Deutschland nutzen die Mobilfunknetzanbieter Deutsche Telekom, Vodafone und Telefonica mit ihren Mobilfunknetzen gegenwärtig die Frequenzbereiche GSM 900 und GSM 1800.
GNSS Globale Navigationssatellitensysteme (englisch Global Navigation Satellite System) oder GNSS dienen der weltweiten Positionsbestimmung, sowie der Koordinaten- und Zeitübermittlung.
Galileo Globales Satellitennavigationssystem unter ziviler, europäischer Kontrolle. Es soll weltweit Daten zur Positionsbestimmung liefern. Dabei ähnelt es im prinzipiellen Aufbau dem GPS oder GLONASS.
City Der in der Stadtforschung und im allgemeinen Sprachgebrauch für die Kennzeichnung des Stadtzentrums meist größerer Städte verwendete Begriff City ist nicht eindeutig, da er im Englischen eine völlig andere Bedeutung hat. Im englischen Sprachgebrauch kann der Begriff City für drei verschiedene Varianten stehen:
  1. allgemein für eine Großstadt,
  2. für eine historische Stadt mit Bischofssitz und Kathedrale,
  3. für eine Stadt mit königlicher Urkunde und zeremoniellen Privilegien.
Der deutsch Begriff der City leitet sich aus der frühen Konzentration von Bürofunktionen in der historischen City of London ab, da sich dort bereits im 18. Jahrhundert mit dem aufkommenden und rasch entfaltenden Banken- und Versicherungswesen der neue Typ des Bürohauses herausbildete, der den Prozess der Citybildung enorm beschleunigte. In erster Linie ist City ein Funktionsbegriff. Die City ist der zentralst gelegene Teilraum einer größeren Stadt mit einer räumlichen Konzentration hochrangiger zentraler Funktionen des tertiären und quartären Sektors.
Global Positioning System Global Positioning System (GPS), offiziell NAVSTAR GPS, ist ein globales Navigationssatellitensystem zur Positionsbestimmung und Zeitmessung. GPS basiert auf Satelliten, die mit kodierten Radiosignalen ständig ihre aktuelle Position und die genaue Uhrzeit ausstrahlen. Aus den Signallaufzeiten können GPS-Empfänger dann ihre eigene Position und Geschwindigkeit berechnen.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?387660

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 12:13:18