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Staugebühr in London

Erstellt am: 15.04.2012 | Stand des Wissens: 12.01.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch

Als eines der größten Agglomerationsgebiete Europas steht London seit Jahrzehnten dem Problem der Stauanfälligkeit der Innenstadt gegenüber. Nach Angaben einer Studie des Transport for London entsprachen Ende der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts die Zeitverluste, die durch Staus entstanden, 50 Prozent der gesamten Fahrzeiten des motorisierten Individualverkehrs. Daher zielte die Einführung einer Straßennutzungsgebühr im Innenstadtbereich auf eine Staureduktion und gleichzeitige Verbesserung des Angebotes des Öffentlichen Personennahverkehrs ab [IVT11].
Am 17. Februar 2003 wurde schließlich eine gebietsabhängige Staugebühr, die sogenannte Congestion Charge, zunächst für den Londoner Innenstadtbereich eingeführt. Am 19. Februar 2007 wurde dieser Bereich um den westlichen Innenstadtbereich erweitert [TfL08a], was jedoch nach der Wahl des Bürgermeisters Boris Johnson am 04.01.2011 wieder aufgehoben wurde. In einer mehrwöchigen Anhörung mit den dort ansässigen Einwohnern und Unternehmen sprachen sich 86 Prozent der Beteiligten gegen die Westerweiterung aus [TfL10]. In Abbildung 1 wird der aktuell gebührenpflichtige Innenstadtbereich dargestellt.

London Mautzone.jpgAbbildung 1: Gebiet der Londoner Mautzone, Quelle [TfL23]
Es handelt sich bei dem Erhebungssystem um ein Area-Pricing, für das ein kameragesteuertes Kontrollsystem auf einer Fläche von 21 km² installiert wurde. Innerhalb der Mautzone werden die Nummernschilder mithilfe von Kameras automatisch erkannt. Die Maut muss montags bis freitags von 7 bis 18 Uhr innerhalb der Mautzone gezahlt werden, an Wochenenden und Feiertagen zwischen 12 und 18 Uhr. Zwischen Weihnachten und Silvester und zwischen 18 und 7 Uhr wird keine Maut erhoben [TfL23]. ]. Es existiert ein sogenannter Cleaner Vehicle Discount. Dieser befreit batterieelektrische und Brennstoffzellenfahrzeuge. Diese Befreiung soll bis Ende 2025 bestehen. Die Anwohner werden mit einer Verminderung des Beitrags um 90 Prozent begünstigt [TfL14c]. Die anfallenden Gebühren können über ein automatisches Bezahlsystem, online, per SMS oder per Telefon beglichen werden [TfL23].]. Im Jahr 2003 betrug die Basisgebühr zunächst noch 5 GBP. Diese wurde in den folgenden Jahren schrittweise angehoben [LITM05; TfL08a]. Mittlerweile beträgt die Maut pro Tag 15 GBP bei Zahlung im Voraus beziehungsweise 17,50 GBP, wenn nachträglich bezahlt wird. [TfL23].

Innerhalb eines Jahres reduzierte sich die Anzahl der in das mautpflichtige Gebiet einfahrenden Fahrzeuge sowohl in der zentralen Innenstadt also auch in der westlichen Erweiterung um 14 Prozent. Die Einführung der Gebühr zeigte mit einem Rückgang von 33 Prozent (Innenstadt) beziehungsweise 21 Prozent (westliche Erweiterung) eine deutliche Auswirkung auf die Nutzung des Pkw. Gleichzeitig erhöhte sich die Anzahl der Busse und Taxen, die den Mautbereich befuhren um 31 Prozent (Innenstadt)beziehungsweise 13 Prozent (westliche Erweiterung). Diese Werte blieben in den folgenden Jahren auf konstantem Niveau [TfL08a].
Abbildung 2: Einfluss der Straßenbenutzungsgebühren auf den einfahrenden Verkehr, eigene Berechnungen nach [Laepe06; TfL08a; 'zlise' Referenz-Fehler (Zieleintrag fehlt): 38729]38729]

Das Ziel, die durchschnittliche Geschwindigkeit zu erhöhen, wurde erfüllt. So betrug die durchschnittliche Geschwindigkeit im Jahr 2002 ohne Gebühren 14,4 km/h und erhöhte sich bis zum Jahr 2006 (bislang aktuellste Studie) auf 17 km/h [IVT11; TfL07]. Der Stau konnte im Innenstadtbereich innerhalb eines Jahres um 30 Prozent reduziert werden [Miets07].

Neben der Staureduzierung bestand ein weiteres Ziel in der Verkehrsverlagerung auf umweltfreundlichere Verkehrsmittel. So sollte ein Großteil der gewonnen Einnahmen zur Verbesserung des ÖPNV-Angebots genutzt werden [IVT11]. Dies wurde in den folgenden Jahren eingehalten, indem der Großteil der Nettoerlöse zur Modernisierung des Busangebots verwendet wurde [TfL12; TfL08a].

Bezüglich der Luftqualität wurden moderate Verbesserungen mit Einführung der City-Maut festgestellt. Zwischen 2002 und 2003 verminderten sich die Stickoxide um acht Prozent, Feinstaub um sieben Prozent und Kohlenstoffdioxid um 16 Prozent [TfL07; ToBeAr08].

Zur Steigerung der Akzeptanz in der Bevölkerung wurden Werbekampagnen durchgeführt. Die Bürger erhielten dabei Informationen über die zu zahlenden Kosten, die Verwendung der Gebühren und die Strafzahlungen. Die Akzeptanz der Gebühr änderte sich im Zeitablauf. Gegen Ende des Jahres 2002 stimmten 40 Prozent der Bevölkerung für die Gebühr. Mit der tatsächlichen Entlastung des Verkehrs stimmten im Juli 2003 bereits 59 Prozent der Bürger für die Gebühr [IVT11]. Bei einer Abstimmung Ende 2010 sprachen sich jedoch 86 Prozent der ansässigen Bewohner und Unternehmen in der westlichen Gebührenzone gegen eine Weiterführung der Gebührenerhebung in ihrem Gebiet aus. Daraufhin wurde die Maut in diesem westlichen Gebiet wieder aufgehoben [TfL10].
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Erhebung von Staugebühren zum Management knapper Kapazitäten (Stand des Wissens: 17.04.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?388207
Literatur
[IVT11] Hautzinger, H.; Fichert, M.; Fuchs; Stock, W. Eignung einer City-Maut als Instrument der Verkehrs- und Umweltpolitik in der Freien und Hansestadt Hamburg, Mannheim/Heilbronn, 2011/01
[Laepe06] Laepe, J. The London Congestion Charge, veröffentlicht in Journal of Economic Perspectives, Ausgabe/Auflage Vol. 20, No. 4, 2006
[LITM05] Litman, T. London Congestion Pricing, Implications for Other Cities, 2005/05/10
[Miets07] Mietsch, F. City-Maut - Internationale Erfahrungen, Perspektiven für Deutschland, 2007
[TfL07] Transport for London (TfL) Central London Congestion Charging - Impacts monitoring
Fifth Annual Report, 2007
[TfL08a] Transport for London (TfL) Central London Congestion Charging - Impacts monitoring
Sixth Annual Report, 2008
[TfL10] Transport for London Central London Congestion Charging Scheme, 2010/10
[TfL12] Transport for London (TfL) Congestion Charging - Benefits, 2012
[TfL14c] Transport for London London Congestion Charging - Discounts and Exemptions, 2014
[TfL23] Transport for London (Hrsg.) Congestion Charge payments, 2023
[ToBeAr08] Tonne, C.; Beevers, S.; Armstrong, B.; Kelly,F.; Wilkinson, P. Air pollution and mortality benefits of the London Congestion Charge: spatial and socioeconomic inequalities, 2008
Glossar
Motorisierter Individualverkehr Als motorisierter Individualverkehr (MIV) wird die Nutzung von Pkw und Krafträdern im Personenverkehr bezeichnet. Der MIV, als eine Art des Individualverkehrs (IV), eignet sich besonders für größere Distanzen und alle Arten von Quelle-Ziel-Beziehungen, da dieser zeitlich als auch räumlich eine hohe Verfügbarkeit aufweist. Verkehrsmittel des MIV werden von einer einzelnen Person oder einem beschränkten Personenkreis eingesetzt. Der Nutzer ist bezüglich der Bestimmung von Fahrweg, Ziel und Zeit frei (örtliche, zeitliche Ungebundenheit des MIV).
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.
NOx
= Stickoxide. Ist die Sammelbezeichnung für die Oxide des Stickstoffs. Die wichtigsten Stickoxide sind Stickstoffmonoxid und Stickstoffdioxid. Es sind gasförmige Verbindungen, die sich nur wenig in Wasser lösen.
Die wichtigsten Stickoxid-Quellen sind natürliche Vorgänge, wie zum Beispiel mikrobiologische Umsetzungen im Boden, sowie Verbrennungsvorgänge bei Kraftwerken, Kraftfahrzeugen und industrielle Hochtemperaturprozesse, bei denen aus dem Sauerstoff und Stickstoff der Luft Stickoxide entstehen. Stickstoffdioxid ist ein Reizstoff, der die Schleimhäute von Augen, Nase, Rachen und des Atmungstraktes beeinträchtigt.
City Der in der Stadtforschung und im allgemeinen Sprachgebrauch für die Kennzeichnung des Stadtzentrums meist größerer Städte verwendete Begriff City ist nicht eindeutig, da er im Englischen eine völlig andere Bedeutung hat. Im englischen Sprachgebrauch kann der Begriff City für drei verschiedene Varianten stehen:
  1. allgemein für eine Großstadt,
  2. für eine historische Stadt mit Bischofssitz und Kathedrale,
  3. für eine Stadt mit königlicher Urkunde und zeremoniellen Privilegien.
Der deutsch Begriff der City leitet sich aus der frühen Konzentration von Bürofunktionen in der historischen City of London ab, da sich dort bereits im 18. Jahrhundert mit dem aufkommenden und rasch entfaltenden Banken- und Versicherungswesen der neue Typ des Bürohauses herausbildete, der den Prozess der Citybildung enorm beschleunigte. In erster Linie ist City ein Funktionsbegriff. Die City ist der zentralst gelegene Teilraum einer größeren Stadt mit einer räumlichen Konzentration hochrangiger zentraler Funktionen des tertiären und quartären Sektors.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?387339

Gedruckt am Donnerstag, 25. April 2024 12:46:52