Nationale Zugbeeinflussungssysteme der DB Netz AG
Erstellt am: 03.03.2003 | Stand des Wissens: 05.03.2024
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechperson
IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Zugsicherungssysteme dienen der sicheren und störungsfreien Abwicklung des Eisenbahnbetriebs. Da beim System Eisenbahn das Fahren auf Sicht aufgrund des langen Bremsweges nicht möglich ist, wird im festen Raumabstand gefahren; das heißt zwischen einem Zug und dem folgenden bedarf es bei Geschwindigkeiten bis 160 km/h eines freien Streckenabschnitts von mindestens 1.000 m Länge. Um dieses Ziel zu erreichen, muss die Zugfahrt von außen über Signalanlagen sowie fahrzeugseitige Systeme gesichert und ggf. beeinflusst werden.
Grundsätzlich können Zugbeeinflussungen nach mehreren Kriterien unterschieden werden. So beispielsweise nach der Ausdehnung des Übertragungsortes (diskontinuierlich punktförmig oder kontinuierlich linienförmig), nach Ausdehnung der Überwachung (diskontinuierlich punktförmig oder kontinuierlich linienförmig) sowie nach physikalischer Art der Informationsübertragung zwischen Strecke und Fahrzeug (mechanisch, optisch, galvanisch oder induktiv). [Masch22]
Bis 2001 existierten im bundeseigenen Schienennetz zwei Arten von Zugbeeinflussungssystemen, deren Aufgabe darin bestand, eine sicherheitsrelevante Nichtbefolgung von Signalbegriffen durch den Triebfahrzeugführer mit Hilfe technischer Vorkehrungen zu korrigieren: die punktförmige sowie die linienförmige oder auch kontinuierliche Zugbeeinflussung. Die Inbetriebnahme der Teststrecke des europäischen Zugbeeinflussungssystems (European Train Control System, ETCS) 2001 stellte den ersten Schritt zur Implementierung eines dritten Systems dar. Das ETCS soll in der Bundesrepublik Deutschland insbesondere auf den Korridoren der Transeuropäischen Verkehrsnetze und auf Hochgeschwindigkeitsneubaustrecken vorangetrieben werden. Seit Dezember 2015 verwenden die ICE-Züge auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke zwischen Erfurt und Leipzig das ETCS-System. [Pach08, S. 76 ff.; DBAG09q, S. 12 ff.; HoFr06, S. 157 ff.; DBAG12t, S. 32 ff.; DB24b]
Bei dieser Methode passiert ein Zug, wenn er sich einem Halt zeigenden Signal nähert, drei Elektromagnete unterschiedlicher Frequenz, die im Gleis liegen. Nach dem Überfahren des ersten Magnets (1.000 Hz) muss der Triebfahrzeugführer innerhalb von 4 Sekunden eine Wachsamkeitstaste betätigen, andernfalls wird das Fahrzeug sofort bis zum Stillstand abgebremst. Dieser Magnet befindet sich auf Höhe des Vorsignals in 1.000 m Entfernung zum Hauptsignal. 250 Meter vor dem Halt zeigenden Signal befindet sich der zweite Magnet (500 Hz). An diesem Punkt muss das Fahrzeug schon eine bestimmte Geschwindigkeit erreicht haben, sonst erfolgt ebenfalls eine Zwangsbremsung. Modernere Fahrzeuge besitzen eine kontinuierliche Geschwindigkeitsüberwachung, die den Geschwindigkeitsverlauf zwischen dem 1000-Hz- und dem 500-Hz-Magnet kontrolliert. Am Halt zeigenden Hauptsignal ist der dritte Magnet (2.000 Hz) im Gleisbett angebracht, der wiederum eine Zwangsbremsung auslöst. Aufgrund einiger Eisenbahnunfälle in den 1980er Jahren, bei denen festgestellt wurde, dass die bisherige Sicherungstechnologie PZB nicht mehr ausreichte, um die gestiegenen Beschleunigungs- und Bremsfähigkeiten der Züge zu bewältigen, wurde das "PZB90"-System entwickelt. Dieses neue System wurde eingeführt, um Probleme anzugehen, bei denen Züge trotz eines erkannten Vorsignals weiterfahren und somit über das Ende eines Durchrutschwegs hinausgefahren oder nach dem Passieren eines Haltepunktes zwischen Vorsignal und Hauptsignal eine Gefahrenstelle hinter dem Hauptsignal erreichen könnten. [Masch22]
Linienförmige Zugbeeinflussung (LZB)
Ab Geschwindigkeiten über 160 km/h im Personenverkehr bzw. 120 km/h bei den im Vergleich zum Personenverkehr schwereren Güterzügen reichen die Vorsignalabstände des ortsfesten Signalsystems nicht mehr aus, um die vorgegebenen Bremswege bis zum Hauptsignal einzuhalten. Außerdem können Triebfahrzeugführer ab einer Geschwindigkeit von über 160 km/h die Signale nicht mehr sicher erkennen und schnell genug umsetzen [Krüg03, S. 27]. Anstelle von Signalen bzw. in Ergänzung dazu werden deshalb kontinuierliche Zugbeeinflussungssysteme zur Übertragung von Informationen vom Fahrweg zum Fahrzeug eingesetzt.
Die LZB ermöglicht eine kontinuierliche Erfassung der Zuggeschwindigkeit sowie eine Ortung der Fahrzeuge. Sie realisiert damit eine kontinuierliche Zugsteuerung und -überwachung. Die LZB besteht in Deutschland streckenseitig aus zwei Kupferkabeln (Kabel-Linienleiter), die in der Gleismitte und am Schienenfuß verlegt sind (Abbildung 1). Sie wechseln alle 100 Meter und kreuzen sich beim sogenannten 100-m-Punkt. [DBAG09q, S. 15]
Aktuell wird die LZB noch am häufigsten auf Strecken verwendet, auf denen Züge mit mehr als 160 Kilometern pro Stunde fahren. Langfristig wird die LZB jedoch komplett durch das ETCS ersetzt. Es gibt bereits erste Schnellfahrstrecken, die ausschließlich mit ETCS ausgestattet sind. [Masch22]