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Potenziale von Elektrofahrrädern

Erstellt am: 27.06.2011 | Stand des Wissens: 17.02.2024
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

Verlagerungspotential

Die Nutzung eines Elektrofahrrads bietet sich im Individualverkehr besonders bei Gebieten mit schlechtem Angebot des öffentlichen Verkehrs (ÖV) an, sowie auf längeren oder steigungsreichen Strecken [ADFC17a]. Aufgrund des weniger anstrengenden Fahrens erscheinen in Holland Pendlerfahrten bis zu 15 Kilometer als eine reale Option [Roet10]. Verkehrserhebungen in Deutschland zeigen hingegen im realen Verhalten eine durchschnittliche Wegelänge konventioneller Radfahrer von 3,2 Kilometern [infas10] und ein Anstieg auf 4,7 beziehungsweise 7,1 Kilometer für Pedelecs beziehungsweise S-Pedelecs [UDV14].

Beachtet man, dass im innerstädtischen Verkehr die freie Fahrt behindert werden kann durch Kreuzungen und vorausfahrende Radfahrer, so haben konventionelle Radfahrer beziehungsweise Pedelecfahrer eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 13,9 beziehungsweise 16,0 Kilometer pro Stunde [UDV14]. Vergleichsweise kann für Pkw ein Wert von 23,5 [SrV13] und für Fußgänger ein Wert von 5 Kilometer pro Stunde angenommen werden. Unter dem Gesichtspunkt der zeitgünstigsten Wahl eines Verkehrsmittels, zeigt Abbildung 1 das Verlagerungspotential von Elektrofahrrädern, indem es Entfernungsbereiche abdeckt, bei denen zuvor der Pkw im Vergleich zum konventionellen Fahrrad zeitgünstiger war.

Potential Pedelec.pngAbbildung 1: zeitgünstigste Verkehrsmittel nach Entfernungsbereich

Der Verzicht auf den Pkw wird dabei eher nicht angestrebt. Nur jeder Zwanzigste hat im Laufe seines Elektrofahrradbesitzes seinen Erstwagen abgeschafft. Dafür war etwa jeder Neunte bereit seinen Zweitwagen abzuschaffen [ITD15].

Andererseits lässt sich aus den wichtigsten Gründen, warum die Nutzung eines konventionellen Fahrrads abgelehnt wird - hügelige Landschaft, hohe Entfernung, Schwitzen [Reit10] - auch ein ungewolltes Verlagerungspotenzial vom konventionellen Fahrrad auf das Elektrofahrrad erklären. Elektrofahrrad-Nutzer fahren schneller, häufiger und mit weniger Kraftaufwand über längere Distanzen als konventionelle Fahrradfahrer [Roet10].

Je nach Nutzergruppe unterscheidet sich die Verkehrsmittelverlagerung. Personen, die das Elektrofahrrad vorwiegend zum Pendeln von und zur Arbeit nutzen, zeigen eine Verlagerung vom Pkw auf das Elektrofahrrad, wohingegen bei Freizeitfahrern Wege mit dem konventionellen Fahrrad ersetzt werden und auch neuer Verkehr induziert wird [ITD15].

Umweltentlastungspotenzial

Durch die geringere Pkw-Nutzung können CO2-Emissionen vermieden und der Energiebedarf, der beim Elektrofahrrad bei einem Äquivalent von circa 1 Deziliter Benzin/100 Kilometer liegt, reduziert werden. Auch die Luft- und Lärmbelastung wird verringert. Bei dem Programm NewRide wurden durch die substituierten Wege durch Elektrofahrräder bei den Nutzern etwa 5 Prozent weniger CO2, PM10 und NOx emittiert [Mobil04]. Im Tessin wurden die Umweltauswirkungen nach dem Kauf eines Elektrofahrrads untersucht. Es zeigt sich, dass trotz einer 2,9 prozentigen Zunahme der Gesamtfahrleistung des motorisierten Individualverkehrs (inklusive Elektrofahrrad) nach dem Kauf der Energieverbrauch und damit die Emissionen um 5 bis 5,5 Prozent zurückgegangen waren [BUWAL04]. Da das Elektrofahrrad weniger Platz als ein Pkw benötigt, können durch entsprechende Verkehrsverlagerung langfristig insbesondere versiegelte Verkehrsflächen eingespart werden [Mobil04].

Gesundheitspotential

Ein Motivationsgrund für den Kauf eines Elektrofahrrads ist der erhoffte Beitrag für die eigene Gesundheit durch eine aktive Mobilität [UVEK14]. Zwar ist die sportliche Beanspruchung beim Fahren eines konventionellen Fahrrads höher, aber auch beim Elektrofahrrad wird eine physische Aktivität gemessen, die als gesundheitsfördernd eingeschätzt wird [Goja11].

Weitere Entwicklung

Die künftige Entwicklung von Elektrofahrrädern wird von drei externen Einflussfaktoren abhängen:
  • von der Entwicklung der Wetterlagen und des Klimas,
  • von der Entwicklung der Kraftstoffpreise und der darüber hinausgehenden Rahmenbedingungen für die Pkw-Nutzung sowie der Reaktion der Verbraucher darauf (Elektrofahrräder als Alternative zum privaten Auto),
  • von der demographischen Entwicklung und der Notwendigkeit von Fahrrädern mit unterstützendem Elektroantrieb für ältere Menschen mit abnehmenden physischen Fähigkeiten [Rudo14]
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Aktive Mobilität durch Elektrofahrräder (Stand des Wissens: 08.10.2020)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?355633
Literatur
[Abse10] Absenger, I., van Berkum, B., Reiter, K., Wagner, W. How to create a spark between commuters and e-bikes? Electric experiences from the Netherlands, Graz, 2010/05/05
[ADFC17a] Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club (ADFC) (Hrsg.) Pedelecs und E-Bikes, Bremen, 2017
[BUWAL04] Hofmann H., Haefeli U., Meier-Eisenmann E., Moreni G., Schwegler, U. Elektro-Zweiräder: Auswirkungen auf das Mobilitätsverhalten, veröffentlicht in Umwelt-Materialien Nr. 173. Luft, Bern, 2004
[Goja11] Boris Gojanovic, Joris Welker, Katia Iglesias, Chantal Daucourt, Gérald Gremion Electric Bicycles as a New Active Transportation Modality to Promote Health, veröffentlicht in Medicine & Science in Sports & Exercise, Ausgabe/Auflage 43/11, 2011, Online-Referenz doi:10.1016/j.tra.2014.08.007
[infas10] DLR - Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Institut für Verkehrsforschung, infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft Mobilität in Deutschland 2008 (MiD 2008) , 2010/02
[ITD15] Alexander Brandies, Claudia Kämper, Julius Jöhrens, Hinrich Helms, Martina Lienhop, Dirk Thomas Pedelection - Verlagerungs- und Klimaeffekte durch Pedelec-Nutzung im Individualverkehr , 2015/09
[Mingardo09] Mingardo, G. Electric-Bike as alternative to car use: evidence from a pilot project in Rotterdam, Brüssel, 2010/12/09
[Mobil04] Mobilservice c/o beco Berner Wirtschaft Immissionsschutz Praxis-Beispiel:NEWRIDE - ELEKTRO-VELO, Bern, 2004/03/15
[Reit10] Absenger, I., Reiter, K. Pedelecs for a hilly region:a first step out of a car-orientated behavioural pattern? , 2010
[Roet10] Roetynck, A. PRESTO Cycling Policy Guide Electic Bicycles, 2010/02
[Rudo14] Frederic Rudolph Klimafreundliche Mobilität durch Förderung von Pedelecs. Lokale Langfristszenarien über die Wirkung von Instrumenten und Maßnahmen am Beispiel der Stadt Wuppertal, 2014
[SrV13] Wittwer, R., Hubrich, S., Wittig, S., Ließke, F. Sonderauswertung zum Forschungsprojekt "Mobilität in Städten - SrV 2013". Städtevergleich, Dresden, 2015/05
[UDV14] Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. Unfallforschung der Versicherer, Katja Schleinitz (TU Chemnitz), Luise Franke-Bartholdt (TU Chemnitz), Tibor Petzoldt (TU Chemnitz), Stefan Schwanitz (TU Chemnitz), Tina Gehlert (UDV), Matthias Kühn (UDV) Pedelec-Naturalistic Cycling Study, 2014/08
[UVEK14] Marcel Buffat, Daniela Herzog, René Neuenschwander, Bettina Nyffenegger, Tamara Bischof Verbreitung und Auswirkungen von E-Bikes in der Schweiz, 2014
[Weiz09] Energieregion Weiz-Gleisdorf GmbH Mobilitäts- und Marketingkonzept für den Pedelec Einsatz in der Energieregion Weiz-Gleisdorf, Weiz, 2009/04
Weiterführende Literatur
[WeKr15] S. Weichold, D. Kriesten, W. Kilian, U. Heinkel Energieoptimierung und Verbesserung der Reichweitenvorhersage für Pedelecs, veröffentlicht in Entscheidungen beim Übergang in die Elektromobilität. Technische und betriebswirtschaftliche Aspekte, Springer Fachmedien, Wiesbaden, 2015, ISBN/ISSN 978-3-658-0957
Glossar
Pedelec
Pedelec (Pedal Electric Cycle) ist ein Begriff für Elektrofahrräder, bei welchen der Fahrer vom Elektroantrieb unterstützt wird, wenn dieser in die Pedale tritt. Das Fahrrad kommt hierbei auf eine Leistung von bis zu 250 Watt, wodurch eine Geschwindigkeit von bis zu 25 Kilometer pro Stunde erreicht werden kann.
Laut § 1 Absatz 3 des Straßenverkehrsgesetztes (StVG) sind Pedelecs mit dieser Leistung einem Fahrrad rechtlich gleichgestellt.
Bei schnellen Pedelecs (S-Klasse) ist dies nicht der Fall. Diese zählen zu den Kleinkrafträdern und können bei einer maximal erlaubten Nenn-Dauerleistung von 500 Watt eine Geschwindigkeit von bis zu 45 Kilometern pro Stunde erreichen. Deshalb sind für diese eine Zulassung sowie ein Versicherungskennzeichen notwendig.
Aktive Mobilität
Die Aktive Mobilität (im Gegensatz zur passiven Mobilität durch motorisierte Verkehrsmittel) umfasst alle Fortbewegungsarten, die ganz oder teilweise auf köperlicher Aktivität (Muskelkraft) basieren (zu Fuß gehen, Fahrradfahren, Tretroller, Kickboard). Aktive Mobilität fördert Fitness & Gesundheit, ist mit geringen Kosten umzusetzen und erhöht die Lebensqualität. Das E-Bike ist eine Mischform aus Aktiver und passiver Mobilität.
ÖV
Der öffentliche Verkehr (ÖV) ist sowohl im Personen-, Güter- sowie Nachrichtenverkehr für jeden Nutzer in einer Volkswirtschaft öffentlich zugänglich. Dazu zählen sowohl die öffentliche Personenbeförderung, der öffentliche Gütertransport als auch die öffentlichen Telekommunikations- und Postdienste. Der ÖV wird dabei von Verkehrsunternehmen nach festgelegten Routen, Preisen und Zeiten durchgeführt. Der ÖV ist somit im Gegensatz zum Individualverkehr (IV) örtlich und zeitlich gebunden.
Vor dem Hintergrund der verkehrspolitisch geförderten Multimodalität wird der ÖV zunehmend breiter definiert, indem auch alternative Bedienformen, Taxen bis hin zu öffentlichen Fahrrädern und öffentlichen Autos als Teil eines neuen individualisierten ÖV gesehen werden.
Motorisierter Individualverkehr Als motorisierter Individualverkehr (MIV) wird die Nutzung von Pkw und Krafträdern im Personenverkehr bezeichnet. Der MIV, als eine Art des Individualverkehrs (IV), eignet sich besonders für größere Distanzen und alle Arten von Quelle-Ziel-Beziehungen, da dieser zeitlich als auch räumlich eine hohe Verfügbarkeit aufweist. Verkehrsmittel des MIV werden von einer einzelnen Person oder einem beschränkten Personenkreis eingesetzt. Der Nutzer ist bezüglich der Bestimmung von Fahrweg, Ziel und Zeit frei (örtliche, zeitliche Ungebundenheit des MIV).
CO
= Kohlenstoffmonoxid. CO ist eine chemische Verbindung aus Kohlenstoff und Sauerstoff und gehört damit neben Kohlenstoffdioxid zur Gruppe der Kohlenstoffoxide. Es ist ein farb-, geruch- und geschmackloses Gas. Kohlenstoffmonoxid beeinträchtigt die Sauerstoffaufnahme von Menschen und Tieren. Schon kleine Mengen dieses Atemgiftes haben Auswirkungen auf das Zentralnervensystem.
Es entsteht bei der unvollständigen Oxidation von kohlenstoffhaltigen Substanzen. Dies erfolgt zum Beispiel beim Verbrennen dieser Stoffe, wenn nicht genügend Sauerstoff zur Verfügung steht oder die Verbrennung bei hohen Temperaturen stattfindet. Kohlenstoffmonoxid selbst ist brennbar und verbrennt mit Sauerstoff zu Kohlenstoffdioxid. Hauptquelle für die CO-Belastung der Luft ist der Kfz-Verkehr.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?355292

Gedruckt am Donnerstag, 25. April 2024 13:36:06