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Motive und Ursachen multimodalen Verkehrsverhaltens

Erstellt am: 21.06.2011 | Stand des Wissens: 01.12.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

[BMP03, S. 93] stellt die folgenden zwei grundsätzlichen Erklärungsmuster für multimodales Verkehrsverhalten vor:
  • Multimodales Verhalten aus Zwang: Das bevorzugte Verkehrsmittel ist nicht verfügbar und es muss auf alternative Verkehrsmittel ausgewichen werden.
  • Multimodales Verhalten als Optimierungsstrategie: Der Verkehrsteilnehmer wählt nach individuellen Kriterien das für die jeweilige Situation am besten geeignete Verkehrsmittel aus.

Eine Auswertung der Daten des Mobilitätspanels (MOP) zeigt, dass für 40 - 50 Prozent der multimodalen Personen nicht der Mangel an Pkw (Multimodalität als Zwang) Grund für ihre Verkehrsmittelwahl ist, sondern individuelle Optimierungsstrategien die Hauptursache darstellt [BMP03, S. 95].
In der Literatur werden unter anderem die folgenden wichtigen Einflussfaktoren der (multi- und intermodalen) Verkehrsmittelwahl vorgestellt:
  1. Erreichbarkeit von Zielen (Raumstruktur) und Qualität des ÖPNV-Angebotes (Öffentlicher Personennahverkehr) [Beck06, S. 143; Fran04; BMP03, S.112]: Je größer die Stadt und je besser die Erschließung durch den ÖPNV, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit diesen zu nutzen.
  2. Haushaltskontext und Komplexität täglicher Aktivitäten [Beck06, S. 143; Fran04; BMP03, S. 112): Insbesondere das Vorhandensein von Kindern im Haushalt verringert die Wahrscheinlichkeit der ÖPNV-Nutzung.
  3. Pkw-Verfügbarkeit [Beck06, S. 143; auch Ahrens10]: Ist ein Pkw verfügbar, wird dieser mit hoher Wahrscheinlichkeit genutzt.
  4. Wertesystem der Gesellschaft [Fran04; Ahrens10]: Aktuell sind Anzeichen zu beobachten, dass vor allem bei jungen Menschen das Nutzen eines Autos wichtiger wird als das Besitzen. Die Zahl der autofreien Haushalte nimmt zu und es wird statt des eigenen Autos auf Carsharing-Angebote zurück gegriffen.
  5. Demographische Entwicklung und Kohorteneffekte [BMP03]: Verkehrsverhalten variiert mit dem Alter auch bezüglich der Verkehrsmittelwahl.
  6. Entwicklung der Kosten und der verfügbaren Budgets für Mobilität [BMP03, S. 112]

Die genannten Faktoren beschreiben mitunter allgemeine Einflussfaktoren auf die Verkehrsmittelwahl. Ihre Entwicklung ist maßgebend für die Zukunft der (Multi-)Mobilität. Es besteht weiterhin großer Forschungsbedarf zur genaueren Ergründung der Zusammenhänge zwischen den einzelnen Faktoren und dem multimodalen Verkehrsverhalten.
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Förderung des multi- und intermodalen Personenverkehrs (Stand des Wissens: 01.12.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?354205
Literatur
[Ahrens10] Ahrens, G.-A., Ließke, F., Wittwer, R. Chancen des Umweltverbundes in nachfrageschwachen städtischen Räumen, veröffentlicht in Informationen zur Raumentwicklung, Ausgabe/Auflage Heft 7, 2010
[Beck06] Beckmann, Klaus, Chlond, Bastian, Kuhnimhof, Tobias, et al. Multimodale Verkehrsmittelnutzer im Alltagsverkehr - Zukunftsperspektive für den ÖV?, veröffentlicht in Internationales Verkehrswesen, Ausgabe/Auflage 4, 2006
[BMP03] Von der Ruhren, S., Rindsfüser, G., Beckmann, K.J., Kuhimhof, T., Chlond, B., Zumkeller, D. Bestimmung multimodaler Personengruppen, Aachen/Karlsruhe, 2003
[Fran04] Franke, S. Die "neuen Multimodalen" - Bedingungen eines multimodalen Verkehrsverhaltens, veröffentlicht in Internationales Verkehrswesen, Ausgabe/Auflage Heft-Nr. 3, 2004/03
Glossar
Carsharing
Der Begriff CarSharing stammt aus dem Englischen (car= Auto, to share= teilen) und kann sinngemäß mit der Bedeutung "Auto teilen" übersetzt werden. Er beschreibt die organisierte, gemeinschaftliche Nutzung von Kraftfahrzeugen, die meist von Unternehmen gegen Gebühr bereitgestellt werden.
Durch einen Rahmenvertrag oder eine Vereinsmitgliedschaft erhalten Kunden flexiblen Zugriff auf alle Kfz eines Anbieters. Die Fahrzeuge können über eine Webseite oder über eine Smartphone-App gebucht werden. Geöffnet werden sie in der Regel mit Hilfe von Chipkarten oder durch einen über die Smartphone-App vermittelten Zugangscode .
Bei dem System des stationsbasierten CarSharing stehen die Fahrzeuge auf reservierten Stellplätzen und werden nach der Nutzung auch wieder dorthin zurückgebracht. Ein anderes Modell ist das free-floating CarSharing. Hier stehen die Fahrzeuge in einem definierten Operationsgebiert verteilt. Sie können per Smartphone geortet werden und nach der Nutzung auf einem beliebigen Stellplatz innerhalb des Operationsgebiets zurückgegeben werden.
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.
MOP - Deutsches Mobilitätspanel
ist eine im Auftrag des BMVBS jährlich durchgeführte Befragung von Haushalten in Deutschalnd zum Mobilitätsverhalten im Alltag. Die Haushaltsmitglieder dokumentieren alle durchgeführten Wege im Verlauf einer Woche. Das MOP ist eine Längsschnittuntersuchung.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?354130

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 08:38:03