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Gebietsspediteure

Erstellt am: 04.05.2011 | Stand des Wissens: 09.11.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Verkehrsplanung und Logistik, Prof. Dr.-Ing. H. Flämig

Das Gebietsspeditionskonzept wurde in den 1970er-Jahren in der Beschaffungslogistik der Automobilindustrie entwickelt und findet heutzutage sowohl Anwendung in der Beschaffungs- als auch in der Distributionslogistik verschiedener Wirtschaftszweige [BrBa10, S. 153]. Da es sich um einen Zusammenschluss von Unternehmen aufeinanderfolgender Veredelungs- und Handelsstufen, bei dem auch Logistikbausteine integriert werden, handelt, wird bei dem Gebietsspeditionskonzept von einem vertikalen Kooperationsmodell gesprochen [Wegn16].
Die Kooperationspartner sind in der Regel ein Industrieunternehmen, ausgewählte Lieferanten des Unternehmens sowie ein Logistikdienstleister, der die Funktion des Gebietsspediteurs übernimmt [ArIs08, S. 993; Urba03, S. 18].

Der Gebietsspediteur ist ein vom Abnehmer beauftragter Logistikdienstleister (LDL), der in einem räumlich abgegrenzten Gebiet eine Bündelung von Sendungen verschiedener Lieferanten vornimmt.
Der Gebietsspediteur sammelt die Lieferungen von allen Zulieferern in seinem Gebiet in Touren ein und bringt sie zu einem Umschlagpunkt. Dort werden die verschiedenen Sendungen konsolidiert, bevor sie in gebündelten Ladungen zum Werk des Abnehmers transportiert werden (vergleiche Abbildung 1). Die Transporte erfolgen in der Regel per Lkw, der Hauptlauf kann aber auf geeigneten Relationen auch auf die Schiene verlagert werden [ArIs08, S. 992f.].
Gebietsspediteur.pngAbb. 1: Das Konzept des Gebietsspediteurs, eigene Darstellung nach [Pion07, S. 114] 
Für Deutschland und angrenzende Regionen werden typischerweise fünf bis zehn Logistikdienstleister mit insgesamt 20 bis 30 Umschlagpunkten eingesetzt, sodass der Radius für die Sammeltouren etwa 100 Kilometer beträgt. Falls die Sammeltouren täglich die gleichen Lieferanten anfahren, spricht man von Milkruns (vergleiche Synthesebericht "Milkrun") [ArIs08, S. 14].

Bei der Umsetzung des Gebietsspeditionskonzeptes werden häufig folgende Ziele verfolgt:
  • Konzentration möglichst vieler Einzelsendungen auf die eingesetzten Transportmittel,
  • dadurch Senkung der Anzahl eingehender Fahrzeuge und Verringerung der Verkehrsprobleme innerhalb und außerhalb der Werksbereiche,
  • Senkung der Transportkosten durch Bildung von so genannten Werks-Sammelladungen,
  • Vereinfachung der Terminsteuerung durch Unterhaltung zentraler Dispositionsstellen innerhalb der Speditionsgebiete,
  • Vereinheitlichung der Transportdokumente zur Rationalisierung administrativer Vorgänge im Wareneingang,
  • Konzentration des Rückflusses leerer Behälter und Verpackungsmaterialien zur Senkung der Transitzeiten und Umlaufbestände [Pion07, S. 114f.].
Durch die Beauftragung von Gebietsspediteuren ergeben sich demnach folgende Hauptvorteile:
  • bessere Auslastung der Verkehrsmittel,
  • vereinfachte Steuerung des Transportprozesses,
  • erleichterte Warenannahme für den Abnehmer/Empfänger,
  • Senkung der Transportkosten [ArIs08, S. 993].
Für die Realisierung des Gebietsspeditionskonzeptes ist sicherzustellen, dass die verschiedenen Waren der Lieferanten für einen gemeinsamen Transport geeignet sind, eine begrenzte Eilbedürftigkeit haben und regelmäßig nachgefragt werden. Das Quellgebiet ist so einzugrenzen, dass die Zulieferer eine hohe räumliche Konzentration aufweisen, damit eine effiziente Abwicklung der Sammeltouren erreicht werden kann. Größere Speditionen haben die Möglichkeit, die Abholtransporte für verschiedene Unternehmen zu verknüpfen und so (weitere) Optimierungspotenziale hinsichtlich Kostenreduzierung und Umweltbelastung zu erschließen.
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Verkehrsplanung und Logistik, Prof. Dr.-Ing. H. Flämig
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Nachhaltige Transportorganisation und -kooperationen (Stand des Wissens: 09.11.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?350474
Literatur
[ArIs08] Arnold, D., Isermann, H., Kuhn, A., Furmans, K., Tempelmeier, H. Handbuch Logistik, Ausgabe/Auflage 3., neu bearbeitete Auflage, Springer-Verlag / Berlin Heidelberg, 2008, ISBN/ISSN 3540729283
[BrBa10] Bretzke, Wolf-Rüdiger, Barkawi, Karim Nachhaltige Logistik: Antworten auf eine globale Herausforderung, Springer eBook Collection: Computer Science & Engineering Springer Berlin Heidelberg 2010, 2010
[Pion07] Piontek, Jochem Bausteine des Logistikmanagements, Ausgabe/Auflage 2. Auflage, nwb Studium Betriebswirtschaft Verlag Neue Wirtschafts-Briefe GmbH & Co. KG, 2007
[Urba03] Urban, Karsten-Patrick Planung von Just-in-Time-Belieferungen mit lokalen Suchverfahren, Books on Demand GmbH, Norderstedt, 2003
[Wegn16] Ullrich Wegner, Kirsten Wegner Einführung in das Logistik-Management
Prozesse - Strukturen - Anwendungen, 2016
Glossar
Lkw Lastkraftwagen (Lkw) sind Kraftfahrzeuge, die laut Richtlinie 1997/27/EG überwiegend oder sogar ausschließlich für die Beförderung von Gütern und Waren bestimmt sind. Oftmals handelt es sich dabei um Fahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse zwischen 3,5 und 12 Tonnen. In Einzelfällen kann die zulässige Gesamtmasse diese Werte jedoch auch unter- beziehungsweise überschreiten, sofern das Kriterium der Güterbeförderung gegeben ist. Lastkraftwagen können auch einen Anhänger ziehen.
Hauptlauf Unter dem Hauptlauf ist im Kombinierten Verkehr der gebündelte Transport von Ladeeinheiten zwischen zwei Umschlagpunkten zu verstehen. Am Umschlagpunkt wechselt die Ladeeinheit das Transportmittel. Transporte vom Versender zum Umschlagpunkt oder von dort zum Empfänger werden als Vor- bzw. Nachlauf bezeichnet.
Logistikdienstleister Logistikdienstleister (abgekürzt: LDL; Englisch: logistics service provider) bezeichnet die Weiterentwicklung des traditionellen Speditionsgeschäfts. Über Transport, Umschlag und Lagerung (TUL) hinaus bietet der LDL weitere Leistungen und Lösungen an, zum Beispiel kundenbezogene Lagerung, Kommissionierung, Assemblierung, Fakturierung usw. LDL und 3PL werden häufig synonym verwendet.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?349883

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 10:55:00