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Milkrun

Erstellt am: 03.05.2011 | Stand des Wissens: 09.11.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Verkehrsplanung und Logistik, Prof. Dr.-Ing. H. Flämig

Das Konzept des Milkruns basiert auf einer Kombination aus regionalen Abholverkehren in der Beschaffungslogistik und regionalen Verteilverkehren in der Distributionslogistik [BrBa10, S. 126ff.]. Dabei stellt der Milkrun eine Sonderform des Direkttransportes dar [Wann10, S. 395]. Die Idee und der Name des Milkrun-Konzeptes basieren auf dem traditionellen Verfahren der Milchversorgung durch einen Milchmann, der die Kunden täglich auf festgelegten Touren mit Milch beliefert. Die Anlieferung der Milch in wiederverwendbaren Flaschen erfolgt dabei im Idealfall im direkten Austausch mit dem Leergut (vergleiche Abbildung 1) [Pion07, S. 115].
Milchrun_A4_klein.jpgAbb. 1:Das Milkrun-Konzept
Das Milkrun-Konzept zeichnet sich durch verschiedene Merkmale aus:
  • Sequentielle Abholung von Transportfrachten bei mehreren Quellen
  • Direkte Lieferung an den Empfänger ohne dazwischenliegende Konsolidierungspunkte
  • Festgelegte Route mit vorgegebenem Zeitplan
  • Integrierte Leergutabwicklung
  • Häufig kleinere Sendungs- und oft auch Fahrzeuggrößen
  • In der Regel herstellergetrieben mit dem Ziel, den Beschaffungsprozess besser steuern zu können
[WiNi06, S. 3; Pion07, S. 115; Wann10, S. 395; BrBa10, S. 126ff.]
Die Gestaltung der Abhol- beziehungsweise Verteilverkehre nach dem Milkrun-Prinzip erfordert ein hohes Maß an Koordination zwischen dem Hersteller und den beteiligten Lieferanten und setzt stabile und ausgetaktete Logistikprozesse voraus. Daher ist ein gezielter Lieferantenauswahlprozess wesentlich für das Gelingen der Strategie [Wann10, S. 396; VNL11].
Weiterhin müssen die zu transportierenden Güter eine konstante Nachfrage aufweisen und das Gewicht und Volumen der einzelnen Sendungen pro Rundlauf im Voraus festgesetzt werden. Ebenso müssen die Zeitfenster für die Abholung beziehungsweise Anlieferung bei den Lieferanten oder Kunden unter Berücksichtigung von möglichen Verkehrseinflüssen und Lenk- und Ruhezeiten definiert und aufeinander abgestimmt werden [Pion07, S. 115f; Wann10, S. 396].
Das Milkrun-Konzept ist prinzipiell nicht auf ein Transportmittel festgelegt, jedoch erfolgt der Betrieb aufgrund der hohen Flächendichte, guten Erreichbarkeit von Empfangsorten und der hohen Flexibilität bei der Fahrplangestaltung meistens mit dem Lkw [Grune15].
Die Implementierung eines Milkruns kann aus verschiedenen Gründen für ein Unternehmen von Vorteil sein. Der Nachhaltigkeitsgedanke spielt dabei eine wesentliche Rolle, denn "in der Regel ist die Kombination von optimaler Zuordnung von Sendungen zu Touren und optimaler Belieferungsreihenfolge je Tour zugleich auch die ökologisch effizienteste Variante" [BrBa10, S. 126].
Konkrete Vorteile sind:
  • Effiziente und ökologisch vorteilhafte Abwicklung der Logistikprozesse zwischen Hersteller und Lieferanten
  • Optimierte Steuerung der Beschaffungs- beziehungsweise Distributionsprozesse
  • Feste und periodische Ankunfts- und Abholzeiten
  • Keine aufwendige Planung und Steuerung der Leergutabwicklung
  • Erhöhte Anlieferfrequenz und gleichmäßige Auslastung
  • Vermeidung von Umschlagvorgängen
  • Reduzierung von Lagerbeständen und Kapitalbindungskosten
  • Reduktion der Transportzeiten und Transportkosten
  • Verbesserte Entsorgungslogistik (Transport von Leergütern und Behältern)
  • Möglichkeit der Umsetzung von Just-in-Time-Konzepten [Wann10, S. 396; Grune15]
Es ist jedoch zu beachten, dass die Umsetzung des Milkrun-Konzeptes jenseits bestimmter Radien, bei kleineren Sendungen circa 80 bis 100 Kilometer, unwirtschaftlich wird und auch der ökologische Vorteil nicht mehr gegeben ist. In diesem Fall empfiehlt es sich, die Sendungen zunächst gebündelt in das jeweilige Zielgebiet zu transportieren, um von einem dort gelegenen Umschlagspunkt aus, tourenweise wieder lokale Milkruns zu starten [BrBa10, S. 126ff].
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Verkehrsplanung und Logistik, Prof. Dr.-Ing. H. Flämig
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Nachhaltige Transportorganisation und -kooperationen (Stand des Wissens: 09.11.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?350474
Literatur
[BrBa10] Bretzke, Wolf-Rüdiger, Barkawi, Karim Nachhaltige Logistik: Antworten auf eine globale Herausforderung, Springer eBook Collection: Computer Science & Engineering Springer Berlin Heidelberg 2010, 2010
[Grune15] Martin Grunewald Planung von Milkruns in der Beschaffungslogistik der Automobilindustrie, 2015
[Pion07] Piontek, Jochem Bausteine des Logistikmanagements, Ausgabe/Auflage 2. Auflage, nwb Studium Betriebswirtschaft Verlag Neue Wirtschafts-Briefe GmbH & Co. KG, 2007
[VNL11] Verein Netzwerk Logistik Österreich Milk-Run, Verein Netzwerk Logistik Wehrgrabengasse 4 4400 Steyr Tel. +43(0)7252 / 98281-6100, 2011
[Wann10] Wannenwetsch, Helmut Integrierte Materialwirtschaft und Logistik - Beschaffung, Logistik, Materialwirtschaft und Produktion, Ausgabe/Auflage 4, Springer / Berlin, 2010, ISBN/ISSN 3-540-00481-5
[WiNi06] Wildemann, Horst, Niemeyer, Axel Das Milkrun-Konzept: Logistikkostensenkung durch auslastungsorientierte Konsolidierungsplanung, 2006/08/04
Glossar
Just-In-Time "Just-In-Time" (JIT) ist ein Transportservice, bei dem die Auslieferung von Waren zu einem bestimmten Zeitpunkt ausgeführt wird. Der Kunde legt vorher fest, wann und wohin die Güter geliefert werden sollen. Häufig wird JIT in der Produktions-Logistik eingesetzt, um eine produktionssynchrone Beschaffung umzusetzen. Mit diesem Prinzip lassen sich beispielsweise Zwischenlager sparen und somit Kosten senken.
Lkw Lastkraftwagen (Lkw) sind Kraftfahrzeuge, die laut Richtlinie 1997/27/EG überwiegend oder sogar ausschließlich für die Beförderung von Gütern und Waren bestimmt sind. Oftmals handelt es sich dabei um Fahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse zwischen 3,5 und 12 Tonnen. In Einzelfällen kann die zulässige Gesamtmasse diese Werte jedoch auch unter- beziehungsweise überschreiten, sofern das Kriterium der Güterbeförderung gegeben ist. Lastkraftwagen können auch einen Anhänger ziehen.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?349780

Gedruckt am Mittwoch, 24. April 2024 00:34:22