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Ansätze nachhaltiger Verkehrspolitik der Europäischen Union

Erstellt am: 26.04.2011 | Stand des Wissens: 09.11.2022
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Technische Universität Hamburg, Institut für Verkehrsplanung und Logistik, Prof. Dr.-Ing. H. Flämig

Europa braucht leistungsfähige und integrierte Verkehrsalternativen, die zugleich die Umwelt schonen und den Bedürfnissen der Nutzer entsprechen [EU07c]. Die Europäische Kommission prognostiziert bis 2025 ein Wachstum des europäischen Güterverkehrs auf knapp 3.500 Milliarden Tonnenkilometer (vergleiche Abbildung 1).
Nachhaltigkeit-eu.JPGAbb. 1: Güterverkehr in der EU bis 2025 in Milliarden Tonnenkilometern [VDA10, S. 191]
Vor dem Hintergrund dieser Prognosen steht die Europäische Union vor großen Herausforderungen bezüglich einer nachhaltigen Verkehrspolitik. So entstammten im Jahr 2016 mindestens 33 Prozent des Endenergieverbrauchs und 24 Prozent der Treibhausgasemissionen in der EU dem Verkehrsbereich. Zudem ist der Verkehrssektor der einzige Sektor in der EU, in dem die Treibhausgasemissionen seit dem Jahr 1990 stetig ansteigen [Diem19, S.13]. Die Europäische Kommission ist gefordert, die (Güter-)Mobilität so zu gestalten, dass sie nachhaltig, energieeffizient und umweltfreundlich ist. Daher ist "[...] die Integration der verschiedenen Verkehrsträger in leistungsfähige Logistikketten [...] Voraussetzung für die Vereinbarkeit der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Verkehrs und seiner langfristigen Entwicklung" [EU07c].

Im Folgenden werden einige Meilensteine und wesentliche Dokumente vorgestellt, die die Nachhaltigkeit des Güterverkehrs in der Europäischen Union betreffen.

Weißbuch "Die Europäische Verkehrspolitik bis 2010: Weichenstellungen für die Zukunft"
Mit dem Weißbuch Verkehr aus dem Jahr 2001 setzte die Europäische Kommission deutliche Akzente, um den Gütertransport in Europa nachhaltiger zu gestalten und zu einem umweltfreundlicheren und weniger staubbelasteten Verkehrssystem zu gelangen. Das Weißbuch umfasst vier Themenbereiche:
1. Schaffen eines ausgewogenen Verhältnisses zwischen den Verkehrsträgern
2. Engpässe beseitigen
3. Die Verkehrspolitik auf den Benutzer ausrichten
4. Der Globalisierung des Verkehrs Herr werden

Insgesamt legte die Kommission den EU-Mitgliedsstaaten ein Bündel von mehr als 60 Maßnahmen vor, deren Umsetzung dazu beitragen sollte, die Nachhaltigkeit im europäischen (Güter-)Verkehr zu erhöhen. Einige dieser Maßnahmen zielten durch die Internalisierung externer Effekte (zum Beispiel Lkw-Maut) auf eine Verlagerung des Gütertransports von der Straße auf umweltfreundlichere Verkehrsträger (Bahn, Binnenschiff) ab. Andere Maßnahmen, zum Beispiel die Einführung von Fahrertrainings, wurden entwickelt, um den Straßengüterverkehr energieeffizienter zu gestalten [EU01].

Für ein mobiles Europa - Nachhaltige Mobilität für unseren Kontinent
Im Juni 2006 wurde eine Halbzeitbilanz zum Verkehrsweißbuch veröffentlicht. In diesem Zwischenbericht wurden die wesentlichen Grundsätze des Weißbuches noch einmal unterstrichen und auf die Veränderungen seit 2001 hingewiesen. Demnach müssten die Erweiterung der EU, die rasant fortschreitende Globalisierung, das internationale Engagement gegen die Erderwärmung und steigende Energiepreise verstärkt bei der Gestaltung der Verkehrspolitik berücksichtigt werden [EUKOM06i, S. 3].

Aktionsplan "Keep freight moving"
Im Oktober 2007 veröffentlichte die Europäische Kommission den Aktionsplan "Keep freight moving". Das EU-Programm für den Güterverkehr steht unter dem Motto "Steigerung der Effizienz, Integration und Nachhaltigkeit des Güterverkehrs in Europa" [EU07d]. Die vorgeschlagenen politischen Maßnahmen werden in verschiedenen Mitteilungen und Arbeitspapieren festgehalten, diese sind zum Beispiel [EU07d, S. 3f.]:
  • Mitteilung über ein am Güterverkehr orientiertes Bahnnetz,
  • Mitteilung über eine europäische Hafenpolitik,
  • Arbeitspapier über die Hochgeschwindigkeitsseewege (Motorways of the Sea),
  • Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen "Auf dem Weg zu einem europäischen Seeverkehrsraum ohne Grenzen".
Maßnahmenpaket zur Ökologisierung des Verkehrs
Im Jahr 2008 wurde das Maßnahmenpaket zur Ökologisierung des Verkehrs vorgestellt. Drei wichtige Punkte darin sind [EuKom08f, S. 2]:
  • Mitteilung zur Internalisierung externer Kosten des Verkehrs,
  • Strategie zur Verringerung des Schienenverkehrslärms,
  • Vorschlag zur Änderung der Richtlinie über Verkehrswegegebühren für schwere Nutzfahrzeuge.
Strategische Ziele und Empfehlungen für die Seeverkehrspolitik der EU bis 2018
Um auch die Seeschifffahrt verstärkt zu unterstützen, veröffentlichte die Europäische Kommission Anfang 2009 eine umfassende Strategie für die Förderung eines sicheren, sauberen und effizienteren Seeverkehrs. Hierbei wird besonders auf wichtige Gebiete der europäischen Seeschifffahrt eingegangen, um deren Wettbewerbsfähigkeit zu erhöhen und eine verbesserte Nachhaltigkeit zu erreichen [EuKom09a].
Eine nachhaltige Zukunft für den Verkehr: Wege zu einem integrierten, technologieorientierten und nutzerfreundlichen System
Vor dem Hintergrund der auslaufenden Verkehrsstrategien des Weißbuches von 2001 wurde im Juni 2009 eine Mitteilung mit dem Titel "Eine nachhaltige Zukunft für den Verkehr" herausgegeben. Hierbei handelt es sich um ein Dokument, das zum einen die erzielten Ergebnisse zusammenfasst und zum anderen mögliche Visionen und Maßnahmen für ein neues Weißbuch vorschlägt [EuKom09c].
Weißbuch "Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum - Hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem"
Im März 2011 erschien das Nachfolgedokument zum Weißbuch von 2001. Die darin beschriebene Vision für ein wettbewerbsorientiertes und nachhaltiges Verkehrssystem umfasst fünf Punkte [EUKo11]:
  • Verkehrswachstum gewährleisten und Mobilität bei der Erreichung des Emissionsminderungsziels um 60 Prozent bis 2050 unterstützen
  • Ein effizientes Kernnetz für die multimodale Beförderung von Personen und Gütern zwischen Städten
  • Weltweit faire Wettbewerbsbedingungen für den Personenfernverkehr und interkontinentalen Güterverkehr
  • Umweltfreundlicher Stadt- und Pendlerverkehr
  • Zehn Ziele für ein wettbewerbsorientiertes und ressourcenschonendes Verkehrssystem
Das Weißbuch aus dem Jahr 2011 enthielt außerdem den Vorschlag, bis zum Jahr 2050 den Anteil nachhaltiger kohlenstoffarmer Kraftstoffe im Flugverkehr auf 40 Prozent zu erhöhen sowie den Einsatz von konventionell betriebenen Pkw im Stadtverkehr bis zum Jahr 2030 zu halbieren und bis zum Jahr 2050 sogar ganz darauf zu verzichten.
Strategie für emissionsarme Mobilität
Im Juli 2016 stellte die europäische Kommission eine Strategie für emissionsarme Mobilität vor, deren vorrangiges Ziel die Erreichung eines Null-Emissions-Ziels gemäß des Weißbuches des Jahres 2011 zur Zukunft des Verkehrs ist. Hierbei geht die Strategie vertieft auf folgende Handlungsoptionen ein [EUKo16a]:
  • Steigerung der Effizienz des Verkehrssystems durch bestmögliche Nutzung der digitalen Technologien, intelligente Preisgestaltung und weitere Förderung der Verkehrsverlagerung auf emissionsärmere Verkehrsträger
  • Raschere Einführung emissionsarmer alternativer Energieträger im Verkehrssektor
  • Beschleunigter Übergang zu emissionsfreien Fahrzeugen
  • Einbeziehung von Städten und Gemeinden
Nachhaltige Mobilität für Europa: sicher, vernetzt und umweltfreundlich
Im Rahmen der Europäischen Strategie für emissionsarme Mobilität ist die Kommission im Jahr 2018 die politische Verpflichtung eingegangen, erstmals EU-Rechtsvorschriften für die CO2 Emissionen von schweren Nutzfahrzeugen vorzuschlagen. Für diese ist nach Ansicht der Kommission ein Stufenkonzept mit einer frühzeitigen Überprüfungsklausel am besten geeignet.
Hierbei sollen folgende Maßnahmen umgesetzt werden [EUKo18e]:
  • Eine neue Methodik des Kraftstoffpreisvergleichs für den Verbraucher
  • Verbesserung der Kennzeichnung von Reifen
  • Konstruktionsvorgaben für Lkw zur Eindämmung der CO2-Emissionen und zur Verbesserung der Sicherheit
  • Überarbeitung des Energiebesteuerungsrahmens im Hinblick auf die Förderung der Elektromobilität
  • Straffung der Umsetzung des transeuropäischen Kernnetzes im Hinblick auf die emissionsarme Mobilität
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Verkehrsplanung und Logistik, Prof. Dr.-Ing. H. Flämig
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Ökologische Nachhaltigkeit in Güterverkehr und Logistik (Stand des Wissens: 09.11.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?351313
Literatur
[Diem19] Diemer, Rolf (Head of the Unit Economic analysis and Better regulation), Dittrich, Florian (European Semester coordinator in DG MOVE) Transport in the European Union. Current Trends and Issues, 2018/04
[EU01] Kommission der Europäischen Gemeinschaften Die europäische Verkehrspolitik bis 2010 - Weichenstellungen für die Zukunft, Brüssel/Luxenburg, 2001/09/12
[EU07c] Europäische Union Güterverkehr in Europa: neue Initiativen der Kommission für mehr Effizienz und Nachhaltigkeit, 2007/10/18
[EU07d] Europäische Kommission Das Programm der EU für den Güterverkehr Steigerung der Effizienz, Integration und Nachhaltigkeit des Güterverkehrs in Europa, 2007/10/18
[EUKo11] o.A. Weißbuch. Fahrplan zu einem einheitlichen Verkehrsraum - Hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem, 2011/03/28
[EUKo16a] Europäische Kommission (Hrsg.) Eine europäische Strategie für emissionsarme Mobilität , 2016/07/20
[EUKo18e] Europäische Kommission Nachhaltige Mobilität für Europa: sicher, vernetzt und umweltfreundlich, 2018/05/17
[EUKOM06i] Amt für amtliche Veröffentlichungen der Europäischen Gemeinschaften Für ein mobiles Europa. Nachhaltige Mobilität für unseren Kontinent, Luxemburg, 2006
[EuKom08f] Europäische Kommission Ökologisierung des Verkehrs, MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT UND DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, KOM(2008) 433 endgültig, Brüssel, 2008/7/8
[EuKom09a] o.A. Mitteilung der Kommission - Strategische Ziele und Empfehlungen für die Seeverkehrspolitik der EU bis 2018, 2009/01/21
[EuKom09c] Europäische Kommission Generaldirektion Energie und Verkehr Eine nachhaltige Zukunft für den Verkehr: Wege zu einem integrierten, technologieorientierten und nutzerfreundlichen System, 2009/06/17
[VDA10] Verband der Automobilindustrie VDA - Jahresbericht 2010, 2010/07/02
Glossar
Lkw Lastkraftwagen (Lkw) sind Kraftfahrzeuge, die laut Richtlinie 1997/27/EG überwiegend oder sogar ausschließlich für die Beförderung von Gütern und Waren bestimmt sind. Oftmals handelt es sich dabei um Fahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse zwischen 3,5 und 12 Tonnen. In Einzelfällen kann die zulässige Gesamtmasse diese Werte jedoch auch unter- beziehungsweise überschreiten, sofern das Kriterium der Güterbeförderung gegeben ist. Lastkraftwagen können auch einen Anhänger ziehen.
tkm tkm = Tonnenkilometer Die Einheit Tonnenkilometer [tkm] beschreibt die im Rahmen einer Güterbeförderung erbrachte Verkehrsarbeit. Diese definiert sich als Produkt der Gütermenge (Summe der beförderten Güter in Tonnen) und der von dieser dabei zurückgelegten Wegstrecke in km. Verkehrsarbeit [tkm] = Gütermenge [t] * Wegstrecke [km]
CO
= Kohlenstoffmonoxid. CO ist eine chemische Verbindung aus Kohlenstoff und Sauerstoff und gehört damit neben Kohlenstoffdioxid zur Gruppe der Kohlenstoffoxide. Es ist ein farb-, geruch- und geschmackloses Gas. Kohlenstoffmonoxid beeinträchtigt die Sauerstoffaufnahme von Menschen und Tieren. Schon kleine Mengen dieses Atemgiftes haben Auswirkungen auf das Zentralnervensystem.
Es entsteht bei der unvollständigen Oxidation von kohlenstoffhaltigen Substanzen. Dies erfolgt zum Beispiel beim Verbrennen dieser Stoffe, wenn nicht genügend Sauerstoff zur Verfügung steht oder die Verbrennung bei hohen Temperaturen stattfindet. Kohlenstoffmonoxid selbst ist brennbar und verbrennt mit Sauerstoff zu Kohlenstoffdioxid. Hauptquelle für die CO-Belastung der Luft ist der Kfz-Verkehr.
Elektromobilität
Die Elektrifizierung der Antriebe durch Batterie- und Brennstoffzellentechnologien. Im Kontext des "Nationalen Entwicklungsplans Elektromobilität" wird der Begriff auf den Straßenverkehr begrenzt. Hierbei handelt es sich insbesondere um Personenkraftwagen (Pkw) und leichte Nutzfahrzeuge, ebenso werden aber auch Zweiräder (Elektroroller, Elektrofahrräder) und Leichtfahrzeuge einbezogen.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?349208

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 00:50:01