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Nachhaltige Produktgestaltung

Erstellt am: 05.04.2011 | Stand des Wissens: 03.01.2024
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. Dr. h.c. W. Kersten

Der Begriff der nachhaltigen Produktgestaltung bezieht sich auf die Gestaltung von Gütern und Dienstleistungen nach den Prinzipien der ökonomischen, sozialen und ökologischen Nachhaltigkeit. Ziel ist es dabei, die Bedürfnisse der heutigen Generation zu erfüllen, jedoch unter der Voraussetzung, dass die Belange der zukünftigen Generation nicht gefährdet werden [Pufe17, S. 42]. Zu den sozialen Beiträgen zählt beispielsweise die Unterstützung von Familien durch Einrichtung firmeneigener Kindertagesstätten, zu den ökologischen zählt die Reduktion von CO2-Emissionen oder die Einführung biologisch abbaubarer Einwegverpackungen. Des Weiteren könnte die Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen ein weiteres wichtigeres Ziel sein (ökonomischer Beitrag) [Oerk15, S. 150].

Produkte und Dienstleistungen können mit den aktuell zur Verfügung stehenden technischen Mitteln allerdings nicht vollständig nachhaltig erzeugt werden, da alle zur Erstellung benötigten, aus der Umwelt entnommene Stoffe nicht in ihre ursprüngliche Form zurückgeführt werden können (unter Berücksichtigung sozialer und ökonomischer Aspekte). Die Verwendung von nicht erneuerbaren Ressourcen ist ein bekanntes Beispiel: Die in natürlichen Rohstoffen wie Öl oder Gas gebundene chemische Energie wird durch Transformationsprozesse mit Kohlenstoffdioxid als "Abfallprodukt" in andere Energieformen umgewandelt. Dementsprechend werden Anreize geschaffen, damit sich Unternehmen von einer Linearwirtschaft zu einer Kreislaufwirtschaft zu wandeln, Ressourcen also wiederverwendet werden können und somit im System verbleiben [BReg19a]. Für die nachhaltige Produktentwicklung und -gestaltung können Produkte in Mikro Produkte (zum Beispiel alltägliche Gebrauchsartikel) und Makro Produkte bzw. Bereiche (Gebäude, Stadtplanung als Service et cetera) aufgegliedert werden [GrOl06, S. 285]. Welcher Kategorie Produkte oder Dienstleistungen angehören, ist wichtig für die Wahl der konkreten Gestaltungsmaßnahmen, die zu einem nachhaltigeren Produkt beziehungsweise einer nachhaltigeren Dienstleistung führen sollen.
Um Produkte als nachhaltig klassifizieren zu können, müssen sie sich für allem durch eine relativ lange Lebensdauer auszeichnen. Indikatoren für ebenjene sind laut der Ökodesign-Richtlinie 2009/125/EG:
  • eine garantierte Mindestlebensdauer
  • ein Mindestzeitraum der Ersatzteillieferung
  • Modularität
  • Reparierbarkeit, wobei Reparaturen nicht zwangsläufig nachhaltig (siehe dazu [Stad19, S. 18-28])
Die Berücksichtigung von Design for Environment (DfE)-Richtlinien, auch green design oder eco-design genannt, erlaubt es, Umweltbelange in Produkt- und Prozessdesignabläufe zu integrieren. Initiativen in diesem Bereich zielen auf die Entwicklung ökologisch verträglicher Produkte und Prozesse ab, die gleichzeitig Preis-/Leistungs- und Qualitätsstandards erfüllen [Pfei09, S. 41]. Der Lebenszyklus des Produktes/der Dienstleistung tritt dabei in den Vordergrund: Die Lebensdauer des Erzeugnisses soll durch Wiederaufbereitung maximiert werden. Gleichzeitig schafft ein angepasstes Produktdesign die Möglichkeit, Wertstoffe mit geringem Energieaufwand in den Markt rückzuführen (siehe DfR) [Char98].

Das Design for Recycling (DfR) bezeichnet Maßnahmen im Entstehungsprozess eines Produktes zur effizienten Ressourcenverwertung am Ende seines Lebenszyklus. Es können zusammenfassend die nachfolgenden Prinzipien der nachhaltigen Produktgestaltung nach Allenby und Fullerton [AlFu91] und Pfeifer [Pfei09, S. 41f.] festgehalten werden:
  • Verwendung von Materialien mit wenigen oder keinen Gefahren- oder Giftstoffen, die die Umwelt belasten oder Arbeitskräfte bei der Entsorgung gefährden
  • Nutzung von Herstellungsprozessen mit geringerem Energieverbrauch
  • Entwicklung von länger haltbaren und besser funktionierenden Produkten, die seltener ersetzt werden müssen und somit geringere Austauschraten zur Folge haben
  • Auslegung der Produkte, sodass diese einfacher wiederverwendet oder recycelt werden können
  • Verwendung von Materialien, die aus lokalen, bioregionalen und nachhaltig bewirtschafteten Quellen stammen, die nach der Produktlebensdauer recycelbar sind
Sowohl gesetzliche Vorschriften (zum Beispiel im nationalen Recht umgesetzte EU-Richtlinien: WEEE, ELV) als auch Ressourcenengpässe und damit verbundene Kostenvorteile können Motive für die Implementierung entsprechender Vorgaben in der Produktentwicklung sein.

Das Design for Re-Manufacturing (deutsch: Wiederaufbereitung) ist ein Prozess zur Wiederherstellung des Wertes eines Produktes, der bei seiner ursprünglichen Produktion geschaffen wurde. Design for Re-Manufacturing beschreibt die Kombination von Prozessen, die die Wiederaufbereitung eines Produktes erleichtern beziehungsweise überhaupt erst ermöglichen [LiSu20, S. 57-60]. Es kann auf zwei Ebenen unterschieden werden:
  • Produktstrategie inklusive Marketing, Vertrieb, Service, Reverse Logistics
  • Detaillierte Produktgestaltung und technische Planung inklusive funktionalem Design (modular versus integral)
Des Weiteren kann die Gestaltung nach Wiederaufbereitungskriterien als eine Kombination von DfE-Strategien definiert werden, darunter solche, die auf der Auslegung eines Erzeugnisses auf mehreren Lebenszyklen basieren (Design for Multiple Lifecycles) [BaAy18, S. 756-758].
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. Dr. h.c. W. Kersten
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Ökologische Nachhaltigkeit in Güterverkehr und Logistik (Stand des Wissens: 09.11.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?351313
Literatur
[AlFu91] B. Allenby, , A. Fullerton Design for Environment - A New Strategy for Environmental Management, veröffentlicht in Pollution Prevention Review, Ausgabe/Auflage 4, 1991
[BaAy18] Badurdeen, Fazleena , Aydin, Ridvan , Brown, Adam A multiple lifecycle-based approach to sustainable product configuration design, veröffentlicht in Journal of Cleaner Production, 2018, Online-Referenz doi:10.1016/j.jclepro.2018.07.317
[BReg19a] Bundesregierung Nachhaltig produzieren und konsumieren, 2019
[Char98] M. Charter Sustainable Product Design, veröffentlicht in The durable use of consumer products, Kluwer Academic Publishers, 1998
[GrOl06] De Grave, A., Olsen, S. I. Challenging the sustainability of micro products development, veröffentlicht in 4M 2006 - Second International Conference on Multi-Material Micro Manufacture, 2006, Online-Referenz doi:10.1016/B978-008045263-0/50064-7
[LiSu20] Lindkvist Haziri, L., Sundin, E. Supporting design for remanufacturing - A framework for implementing information feedback from remanufacturing to product design, veröffentlicht in Journal of Remanufacturing, 2020, Online-Referenz doi:10.1007/s13243-019-00077-4
[Oerk15] Gerald Oerkermann Nachhaltige Produktgestaltung, veröffentlicht in CSR und Produktmanagement, Langfristige Wettbewerbsvorteile durch nachhaltige Produkte, Springer-Verlag Berlin Heidelberg, 2015/01/01, ISBN/ISSN 978-3-662-45572-2
[Pfei09] Pfeifer, Michael Design Requirements, veröffentlicht in Materials Enabled Designs, 2009, Online-Referenz doi:10.1016/B978-0-7506-8287-9.00002-1
[Pufe17] Pufé, Iris Nachhaltigkeitsmanagement, Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG , 2017, Online-Referenz doi:10.3139/9783446431546, ISBN/ISSN 978-3-446-43154-6
[Stad19] Stadermann, Michael Rechtliche Regulierung der Produktlebensdauer: ein Beitrag zur nachhaltigen Produktgestaltung, 2019, Online-Referenz doi:10.5771/9783748901297, ISBN/ISSN 9783748901297
Weiterführende Literatur
[Horn05a] S. Horne Design for Recycling, veröffentlicht in Appliance Engineer magazine, 2005
Glossar
End of Life Vehicles Legislation ELV (End of Life Vehicles Legislation) ist eine Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates (2000/53/EG) vom 18.09.2000 zur Regelung der stofflichen Verwertung von Kraftfahrzeugen durch Recycling innerhalb der Europäischen Union. Bis 2015 sollen demnach 95% des durchschnittlichen Fahrzeuggewichts wiederverwendet bzw. -verwertet werden. In Deutschland wurde diese Richtline am 1. Juli 2002 in Form der Altfahrzeugverordnung in nationales Recht umgesetzt.
WEEE WEEE (Waste Electrical and Electronic Equipment Directive) ist eine Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft (2002/96/EG) vom 13.02.2003, die Ziele für das Sammeln, das Recycling und die Verwertung von Abfall aus elektronischen Bauteilen/Produkten vorgibt und 2003 in bindendes EU-Recht umgesetzt wurde. U.a. soll den Verbrauchern die Möglichkeit zur gebührenfreien Rückgabe ihrer elektronischen Geräte gegeben werden. Diese sind von den Herstellern anschließend ökologisch verantwortungsvoll zu entsorgen bzw. durch Wiederaufbereitung in den Markt zu reintegrieren.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?346968

Gedruckt am Freitag, 19. April 2024 13:48:48