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Energieeffizienz konventioneller Schienenverkehrstraktionsarten im Vergleich

Erstellt am: 22.02.2011 | Stand des Wissens: 29.02.2024
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch

Das Ergebnis eines Energieeffizienzvergleiches von Diesel- und Elektrotraktion ist stark abhängig vom jeweils vorliegenden Energiemix. Bei Betrachtung der Gesamtkette von Energiebereitstellung und Fahrzeugantrieb (Well-to-Wheel, kurz WtW) kann für deutsche Eisenbahnbetriebe festgestellt werden, dass der Wirkungsgrad von Elektrotraktionen heutzutage bei bis zu 43 Prozent liegt [Simo13, S. 38]. Entscheidende Einflussgröße sind hierbei die thermischen Verluste. Länder mit hohem Wasserkraftanteil wie die Schweiz, Österreich und Norwegen erzielen naturgemäß bessere Werte; Dänemark sowie Frankreich, durch eine vergleichsweise starke Kernkraftquote geprägt, schneiden schlechter ab.
Die Gesamtenergieeffizienz von Dieseltriebfahrzeugen bleibt hingegen mit 21 Prozent noch erheblich hinter jener der Elektrotraktion zurück. Insgesamt kann hier nach wie vor von der überschlägigen Annahme ausgegangen werden, dass "[] die Endenergie ab Tank je zu einem Drittel in die Abgase, in die Kühlanlage und in den Antrieb geht" [Behm07]. Das beschriebene Verhältnis zwischen Elektro- und Dieseltraktion wird von weiteren Veröffentlichungen bestätigt: "In terms of primary energy, which takes into account energy conversion and losses of electricity, the electric train is 25% more energy efficient than the diesel train per unit of transportation activity" [EUKOM08b]. Abbildung 1 visualisiert am Beispiel des Deutsche Bahn AG Konzern (DB AG) qualitativ im Rahmen der traktionsspezifischen Energieketten auftretende Effizienzverluste.
Abb. 1: WtW-Zyklus: Elektro- und Dieseltraktion der DB AGAbb. 1: WtW-Zyklus: Elektro- und Dieseltraktion der DB AG (letzte Zeilen jeweils ohne Hilfsbetriebe und Zugversorgung) [Behm07] (Grafik zum Vergrößern bitte anklicken)
Der Allianz pro Schiene e. V. skizziert wesentliche Problemfelder der herkömmlichen fahrdrahtgestützten Elektrotraktion, welche Eisenbahnverkehrsdienstleister in einzelnen Marktsegmenten weiterhin dazu bewegen, Dieseltriebfahrzeuge trotz offensichtlicher Effizienznachteile auch über vergleichsweise große Distanzen im Hauptlauf einzusetzen. Hinsichtlich der Gesamtkostenstruktur ist zwar der elektrische Betrieb grundsätzlich günstiger, jedoch erfordert die Elektrifizierung von Bahnstrecken hohe Investitionen und liegt außerdem nicht in der Verantwortung der Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU). So finden sich vor allem Transporteure im Güterverkehrsbereich oft in einer Situation wieder, in der sie eine Verkehrsleistung zwischen zwei Bahnhöfen beziehungsweise Gleisanschlüssen erbringen sollen, die nicht elektrifiziert sind, obwohl der Großteil der Strecke unter Fahrdraht verläuft. Für kleinere EVU ist die Vorhaltung von Lokomotiven beider Traktionsarten oft nicht möglich, sodass auch über längere Distanzen in Dieseltraktion gefahren wird. Im Schienenpersonennahverkehr kann es hingehen sinnvoll sein, mit Dieseltriebwagen teilweise auch elektrifizierte Strecken zu befahren, um durchgehende Linien zu bilden. Das gilt vor allem für kleine private Bahnunternehmen, denen es oft nicht möglich ist beide Traktionslokomotiven an all den betroffenen Standorten bereitzustellen [APS05e].
Eine zukunftsweisende Entwicklung stellen die sogenannten Hybridlokomotiven dar, welche sowohl über Elektro- als auch Dieseltraktion verfügen. So sind solche Triebfahrzeuge beispielsweise seit 2011 in den USA im Personenverkehr im Einsatz [Baur11]. Mit der Vorstellung der dritten TRAXX-Generation im Herbst 2011 bietet Bombardier diese Technologie mittlerweile auch im deutschsprachigen Raum an und seit 2014 ist eine Bombardier TRAXX bei der Südostbayernbahn im Einsatz [BOMB14]. In Zusammenarbeit mit der MTU Friedrichshafen entwickelt auch die DB im Rahmen eines vom Bund gestarteten Pilotprojektes ein Schienenfahrzeug mit Hybridantrieb. Damit sollen bis zu 25 Prozent der Kohlenstoffdioxid-Emissionen gesenkt werden. In Kombination mit emissionsarmen Klimaanlagen wird mit Energieeinsparungen von bis zu 35 Prozent gerechnet [DBAG13y]. In 2016 verkündete die Deutsche Bahn, dass in einem weiteren Pilotprojekt in Zusammenarbeit mit Toshiba 300 alte Diesellokomotiven aus den 1970ern als Hybridfahrzeuge umgerüstet werden sollen. Die Testphase des Projekts wird auf 2017 bis 2019 angesetzt. Es wird eine Kohlenstoffdioxid-Emissionseinsparung von bis zu 20 Prozent erwartet [FEND16].
Generell muss jedoch beachtet werden, dass die Leistungsfähigkeit eines Hybridantriebs, insbesondere bezüglich der bislang in Batterien geringen erzielbaren Energiedichte und der daher notwendigen Dimensionen der Batterien, noch in den Kinderschuhen steckt. Langfristig wird davon ausgegangen, dass die Elektrotraktion in Europa stark an Gewicht gewinnt (Abbildung 2), vor allem mit fortschreitender Entwicklung der Batteriespeicherkapazität und energiedichte [KACH13]. Nichtsdestotrotz bietet die Hybridlok entscheidende Vorteile: Es können auch Strecken befahren werden, die nicht vollständig elektrifiziert sind. Gegebenenfalls kann dies zukünftig auch bei vollelektrischen Loks gegeben sein, die einen hinreichend großen Energiespeicher vorweisen. [Top24] DB-Cargo hat in 2023 rund 300 Rangier- und Zweikraft-Loks für DB-Cargo im Zulauf. Langfristig sollen rund 900 Dieselloks dadurch ersetzt werden. [DBC22]
 
Abb. 2: Langfristige Entwicklungsprognose des Gesamtenergieverbrauchs konventioneller Traktionsarten im europäischen SchienenverkehrAbb. 2: Langfristige Entwicklungsprognose des Gesamtenergieverbrauchs konventioneller Traktionsarten im europäischen Schienenverkehr [EUKOM08b] (Grafik zum Vergrößern bitte anklicken)
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IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Effizienzpotenziale im Schienenverkehr (Stand des Wissens: 28.02.2017)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?487371
Literatur
[APS05e] o.A. Der "Erste Umweltvergleich Schienenverkehr", Berlin, 2005/06
[Baur11] Baur, Karl Gerhard Bombardier Kassel: Zweikraftlokomotiven für die USA und Kanada, veröffentlicht in Eisenbahn-Kurier, Ausgabe/Auflage 10/2011, EK-Verlag GmbH, Freiburg, 2011/10, ISBN/ISSN 0170-5288
[Behm07] Behmann, Uwe Schienenverkehr, Energiebedarf und Klimaschutz bei der Deutschen Bahn -Teil 1, veröffentlicht in Elektrische Bahnen, Ausgabe/Auflage 03, 2007/03, ISBN/ISSN 0013-5437
[BOMB14] o.A. Bombardier delivers TRAXX diesel multi-engine locomotives to Südostbayernbahn in Germany, 2014, Online-Referenz http://www.bombardier.com/en/media/newsList/details.bombardier-transportation20140523bombardierdeliverstraxxdieselmu.bombardiercom.html
[DBAG13y] o. A. Nachhaltigkeitsbericht 2012, Berlin, 2013/07
[DBC22] DB Cargo Neue klimafreundliche Lokflotte auf dem Weg - DB Cargo wird noch moderner und leistungsfähiger, 2022/01/24
[EUKOM08b] Prof. P. Capros,, Dr. L. Mantzos,, V. Papandreou,, N. Tasios European Energy and Transport - Trends to 2030 - Update 2007, Luxemburg, 2008/04, ISBN/ISSN 978-92-79-07620-6
[FEND16] Fender, Keith DB and Toshiba to develop hybrid locomotives, 2016, Online-Referenz http://www.railjournal.com/index.php/locomotives/db-and-toshiba-to-develop-hybrid-locomotives.html
[KACH13] Kache, Martin Modellierung, Simulation und Bewertung parallel-hybrider Antriebskonfigurationen für dieselhydraulische Triebwagen im Nah- und Regionalverkehr, 2013
[Simo13] Simon, Janis Elektrische Antriebstechnik für Triebfahrzeuge, veröffentlicht in Deine Bahn, Ausgabe/Auflage 02/2013, Bahn Fachverlag GmbH, Berlin, 2013/02, ISBN/ISSN 0948-7263
[Top24] Trackopedia Antriebstechnologie, 2024
Glossar
Traktion Unter Traktion versteht man im Schienenverkehrsbereich die kraftgetriebene Fortbewegung von Triebfahrzeugen. Bei der Art des Antriebssystems unterscheidet man heutzutage i. d. R. Triebfahrzeuge mit dieselelektrischen oder -hydraulischen bzw. rein elektrischen Aggregaten zur Kraftübertragung (auch: Diesel- bzw. Elektrotraktion).  Die Traktionsart Dampf wird hierzulande nur noch im Bereich von Museumsbahnen eingesetzt. Mehrere gekoppelte Triebfahrzeuge bilden eine sog. Mehrfachtraktion. Üblicherweise werden diese nach der Anzahl der eingesetzten Triebfahrzeuge benannt (z. B. Doppel- oder Dreifachtraktion).
Hybridantrieb Unter Hybridantrieben wird in der Fahrzeugtechnik die Mischnutzung mindestens zweier unterschiedlicher Energiequellen zur Bewegung eines Fahrzeugs verstanden. Der Antrieb durch die einzelnen Energiequelle kann hierbei unabhängig voneinander stattfinden.
Hauptlauf Unter dem Hauptlauf ist im Kombinierten Verkehr der gebündelte Transport von Ladeeinheiten zwischen zwei Umschlagpunkten zu verstehen. Am Umschlagpunkt wechselt die Ladeeinheit das Transportmittel. Transporte vom Versender zum Umschlagpunkt oder von dort zum Empfänger werden als Vor- bzw. Nachlauf bezeichnet.
Schienenpersonennahverkehr
Gemäß Regionalisierungsgesetz (RegG) § 2 handelt es sich bei einer auf der Schiene erbrachten Beförderungsdienstleistung um ein Angebot des Nahverkehrs, "wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle [...] die gesamte Reiseweite 50 Kilometer oder die gesamte Reisezeit eine Stunde nicht übersteigt" [RegG, § 2]. Zur Erfüllung der Daseinsvorsorge wird der Schienenpersonennahverkehr (SPNV) von den Ländern bestellt und unterstützt. Der SPNV ist eine Sonderform des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Der ÖPNV ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert, der SPNV zusätzlich noch im Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG).
Wirkungsgrad
Der Wirkungsgrad gibt an, welcher Anteil der zugeführten Energie bei einer Umwandlung in die gewünschte Energieform umgewandelt wird, und beschreibt damit die Effizienz beispielsweise einer technischen Anlage.
WtW Well-to-Wheel; Analyseverfahren, das zur Bewertung und zum Vergleich von konventionellen und alternativen Antriebstechnologien die vollständigen Kraftstoffzyklen erfasst. Das Gesamtsystem besteht aus den Teilsystemen Well-to-Tank und Tank-to-Wheel.
EVU Eisenbahnverkehrsunternehmen
Verkehrsleistung
Die Verkehrsleistung gibt Auskunft über die Inanspruchnahme von Ressourcen. Als Verkehrsleistung wird die auf eine Zeiteinheit t (zum Beispiel ein Jahr) bezogene Verkehrsarbeit definiert und als Quotient dargestellt. Die Verkehrsarbeit wird dabei als Produkt von Verkehrseinheiten (zum Beispiel Güter oder Personen) und der durch diese zurückgelegten Strecke gebildet. In der Verkehrswissenschaft sind die Einheiten Personenkilometer pro Jahr [Pkm/a] oder Tonnenkilometer pro Jahr [tkm/a] gebräuchlich.
Transporteur Transporteure (auch Frachtführer genannt) führen den physischen Transport aus.
Triebfahrzeug
Ein Triebfahrzeug (Tfz) ist ein einzelnes Regeleisenbahnfahrzeug mit einem eigenen Fahrzeugantrieb (Lokomotiven, Triebwagen). Eine Sonderform bilden Triebköpfe, die in einem fest gekoppelten Triebzug zusammen mit antriebslosen Mittel- und Steuerwagen betrieben werden. Lokomotiven kommen normalerweise im Verbund mit gekoppelten Reisezug- oder Güterwagen zum Einsatz. Triebwagen sowie auch Triebzüge werden als gekoppelten Einheiten gleichen Typs in sogenannten Triebwagenzügen eingesetzt. Weitere Tfz sind Kleinlokomotive und selbstfahrende Nebenfahrzeuge.
Eisenbahnverkehrsunternehmen Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) sind öffentliche Einrichtungen oder privatrechtlich organisierte Unternehmen, die Eisenbahnverkehrsleistungen erbringen. "Eisenbahnverkehrsunternehmen" stellt einen europarechtlichen Begriff dar, welcher durch nationales Recht in Form von § 2 (1) des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) konkretisiert wird.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?342736

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 11:18:58