Systembedingte Qualitätsunterschiede zwischen dem Eisenbahnfracht- und Straßengüterverkehr
Erstellt am: 21.12.2010 | Stand des Wissens: 23.09.2020
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. Dr. h.c. W. Kersten
Abgeleitet aus den eisenbahnbetrieblichen Grundprinzipien weisen Angebote des Schienengüterverkehrs (SGV) neben all ihren Stärken insbesondere hinsichtlich der Massenleistungsfähigkeit, Sicherheit und ihres ökologischen Vorteils einige Schwächen auf, denen zumindest teilweise systembedingte Ursachen zugrunde liegen. Hierzu zählen nach dem Komitee der Europäischen Union [HoL05, S. 19] und Müller et al. [MüNi04a, S. 418 f.]
- die vergleichsweise geringe Netzdichte,
- die darauf basierende eingeschränkte Netzbildungsfähigkeit, welche Vor- und Nachläufe per Lkw und damit kosten- sowie zeitintensive Umschlagvorgänge erforderlich macht (gebrochene Transporte),
- verhältnismäßig niedrige Transportgeschwindigkeiten im Einzelwagen- und Wagengruppenverkehr,
- die fehlende infrastrukturelle Standardisierung auf europäischer Ebene, die komplexe und langwierige internationale Transporte zur Folge hat sowie
- die meist bevorzugte Behandlung von Reisezügen gegenüber Güterzügen - sowohl bei der Deutschen Bahn AG als auch auf dem gesamten europäischen Eisenbahnnetz.
Abhängig von der jeweiligen Befragung und ihrem geografischen Bezugsraum, zeigt sich hinsichtlich der Verladeranforderungen und ihrer Kritikpunkte gegenüber der Bahn ein differenziertes Bild. Europäische Erhebungen unterstreichen in erster Linie eine vordringliche Bedeutung von Transportzuverlässigkeit beziehungsweise Transportpünktlichkeit. Hier erfüllt die Schiene die Qualitätsansprüche der verladenden Wirtschaft oftmals noch nicht in vollem Umfang. Dieses Defizit wird durch eine teilweise unbefriedigende Informationspolitik der Eisenbahnunternehmen noch verstärkt. Dabei benötigen viele Unternehmen aktuelle Sendungsstatusinformationen nur bei Abweichungen vom vereinbarten Transportablauf, welche dann aber mit Blick auf die davon betroffene Produktionsplanung als ausgesprochen wichtig eingestuft werden. Bei Verzögerungen in der Produktion oder den vorgelagerten Transportprozessen (zum Beispiel in der Containerschifffahrt) wird zudem die mangelhafte Flexibilität der Eisenbahnunternehmen angesichts starrer Fahrplanschemata erkennbar. Gerade in diesem Punkt gelingt es dem Straßengüterkraftverkehr, sich effektiver an Störungen anzupassen und beispielsweise Anforderungen der Just-in-time-Logistik adäquat zu befriedigen [SiHe12, S. 68; Klotz11, S. 1].
Besonders problematisch stellt sich die Situation bei internationalen Schienengüterverkehren dar, die im Rahmen von Kundenbefragungen mitunter schlechter abschneiden, als entsprechende nationale Transportdienstleistungen. Hauptgründe sind die fragmentarische Organisation der grenzüberschreitenden Frachtbeförderungsangebote und die daraus resultierenden Koordinationsdefizite bei den beteiligten Bahnen. Die 2010 gegründete Allianz XRail, der unter anderem die Deutsche Bahn Schenker Rail GmbH und große Güterverkehrsdienstleister der deutschen Nachbarländer angehören, ist ein Versuch der Operateure, den hohen Kundenanforderungen nach Koordination und Informationsbereitstellung nachzukommen. Dabei richtet sich das Angebot primär an die komplexen Wagenladungsverkehre und den Kombinierten Verkehr [Hedd11, S. 18ff.; Budd10, S. 2ff.].
Die verladende Industrie verlangte darüber hinaus nach einem einzigen beförderungsprozessübergreifenden Ansprechpartner anstatt der bislang notwendigen separaten Verhandlungen mit jedem Dienstleister entlang der Transportkette [EUKOM01c, S. 12ff.]. Diese Forderung greift die EU mit der Einführung von sogenannten "One-Stop-Shops" in ihrer Verordnung [(EU) 2010/913] auf. Als ein weiteres Problem wurden die durch technische, betriebliche und organisatorische Unterschiede zwischen den verschiedenen Staatsbahnen hervorgerufenen Schwierigkeiten bei einem Grenzübertritt empfunden, welche zu Transportzeitverlängerungen und höheren Kosten führen [PaFe09, S. 41ff.]. Auch gegen dieses Problem versucht die EU mit der Verordnung [(EU) 2010/913] durch die Einrichtung von europäischen Güterverkehrskorridoren anzugehen. Drei dieser neun Vorzugstrassen führen durch die Bundesrepublik Deutschland. Sechs der Korridore wurden zum 11. November 2013 in Betrieb genommen, während die übrigen bis November 2015 in Betrieb genommen werden sollen [(EU) 2010/913, Anhang; Ebel11, S. 16ff.; Wein13b, S. 627; EUKOM13k].
Abbildung 1 zeigt die neun Schlüsselkriterien, welche von Verladerseite für die Auswahl eines SGV-Dienstleisters als bedeutsam identifiziert wurden, und ordnet diese nach der Häufigkeit ihrer Nennung. Von den 70 befragten Unternehmen kamen etwa zwei Drittel aus Deutschland. Mehrfachantworten waren möglich. Es wird auch klar, dass Lieferpünktlichkeit und wettbewerbsfähige Preise die Kernanforderungen dieser Kunden sind [Roes08].
Besonders problematisch stellt sich die Situation bei internationalen Schienengüterverkehren dar, die im Rahmen von Kundenbefragungen mitunter schlechter abschneiden, als entsprechende nationale Transportdienstleistungen. Hauptgründe sind die fragmentarische Organisation der grenzüberschreitenden Frachtbeförderungsangebote und die daraus resultierenden Koordinationsdefizite bei den beteiligten Bahnen. Die 2010 gegründete Allianz XRail, der unter anderem die Deutsche Bahn Schenker Rail GmbH und große Güterverkehrsdienstleister der deutschen Nachbarländer angehören, ist ein Versuch der Operateure, den hohen Kundenanforderungen nach Koordination und Informationsbereitstellung nachzukommen. Dabei richtet sich das Angebot primär an die komplexen Wagenladungsverkehre und den Kombinierten Verkehr [Hedd11, S. 18ff.; Budd10, S. 2ff.].
Die verladende Industrie verlangte darüber hinaus nach einem einzigen beförderungsprozessübergreifenden Ansprechpartner anstatt der bislang notwendigen separaten Verhandlungen mit jedem Dienstleister entlang der Transportkette [EUKOM01c, S. 12ff.]. Diese Forderung greift die EU mit der Einführung von sogenannten "One-Stop-Shops" in ihrer Verordnung [(EU) 2010/913] auf. Als ein weiteres Problem wurden die durch technische, betriebliche und organisatorische Unterschiede zwischen den verschiedenen Staatsbahnen hervorgerufenen Schwierigkeiten bei einem Grenzübertritt empfunden, welche zu Transportzeitverlängerungen und höheren Kosten führen [PaFe09, S. 41ff.]. Auch gegen dieses Problem versucht die EU mit der Verordnung [(EU) 2010/913] durch die Einrichtung von europäischen Güterverkehrskorridoren anzugehen. Drei dieser neun Vorzugstrassen führen durch die Bundesrepublik Deutschland. Sechs der Korridore wurden zum 11. November 2013 in Betrieb genommen, während die übrigen bis November 2015 in Betrieb genommen werden sollen [(EU) 2010/913, Anhang; Ebel11, S. 16ff.; Wein13b, S. 627; EUKOM13k].
Abbildung 1 zeigt die neun Schlüsselkriterien, welche von Verladerseite für die Auswahl eines SGV-Dienstleisters als bedeutsam identifiziert wurden, und ordnet diese nach der Häufigkeit ihrer Nennung. Von den 70 befragten Unternehmen kamen etwa zwei Drittel aus Deutschland. Mehrfachantworten waren möglich. Es wird auch klar, dass Lieferpünktlichkeit und wettbewerbsfähige Preise die Kernanforderungen dieser Kunden sind [Roes08].

Laut einer Untersuchung des Deutsche Bahn-Tochterunternehmens Schenker Deutschland AG, gewinnen bis 2030 die fünf Kriterien Preis, Flexibilität, Nachhaltigkeit, Sicherheit und Termintreue bei Güterverkehrsdienstleistungskunden an Stellenwert (Abbildung 2). Auffällig ist insbesondere die laut dieser Studie stark zunehmende Relevanz von Nachhaltigkeitsaspekten [Sche09, S. 5ff.].

Das Dritte Eisenbahnpaket der Europäischen Union beinhaltete ursprünglich einen Richtlinienvorschlag, der die Qualität des SGV in Europa voranbringen sollte [EUKOM04as]. Dieser sah vor, im Rahmen von Beförderungsverträgen verbindliche Entschädigungsregelungen bei Verspätungen aufzustellen, wurde aber durch die EU-Kommission vorzeitig gestoppt. So hätten für Ganzzüge Pönalen im Wert von 5 bis 25 Prozent der Fracht vereinbart werden können. Auch im Einzelwagenverkehr hatte man sich entsprechende Klauseln zum Ziel gesetzt, wobei man jedoch von festen Vorgaben zur Entschädigungshöhe Abstand nahm [DVZ05f, S. 1]. Einige Experten begrüßten den Richtlinienverzicht, da in ihren Augen ein funktionierender Wettbewerb ein hinreichendes Mittel für Qualitätsverbesserungen im SGV sei [DVZ05c, S. 1].
2003 verabschiedeten der Union Internationale des Chemins de fer (deutsch: Internationaler Eisenbahnverband, UIC), die Gemeinschaft der Europäischen Bahnen (GEB) und der Internationale Speditionsverband (CIT) eine sogenannte Qualitätscharta, welche die konkrete Servicestufen-Vereinbarungen zwischen Verladern und Eisenbahnverkehrsunternehmen beinhaltet [CER08b, S. 11]. Dies führte bei den Marktteilnehmern zu einer verbesserten Kundenorientierung durch die verstärkte intramodale Konkurrenz, der Ausweitung der bestehenden Leistungsangebote und Umstrukturierung von Produktionsprozessen. Zwar bewertet die EU-Kommission die dadurch erzielten Qualitätsgewinne grundsätzlich positiv, weist jedoch gleichzeitig darauf hin, dass SGV-Dienste nach wie vor hinter dem Niveau straßengebundener Transportangebote zurückblieben. Um die entsprechenden Defizite zu reduzieren, seien neben einer Verbesserung des Eisenbahnverkehrsmanagements der verstärkte Einsatz neuer Technologien, eine optimierte Infrastrukturinstandhaltung und intensivere Kooperationen nationaler Infrastrukturbetreiber erforderlich. Vor allem der von der Kommission kritisierte Mangel an Transparenz der Dienstleistungsqualität - ausschließlich Angaben zur Pünktlichkeit von Güterzügen würden öffentlich kommuniziert - soll durch die von der Politik initiierte Definition einheitlicher Messkriterien und eine obligatorische Veröffentlichung von unternehmensspezifischen Qualitätsindikatoren behoben werden [EUKOM08k].
2003 verabschiedeten der Union Internationale des Chemins de fer (deutsch: Internationaler Eisenbahnverband, UIC), die Gemeinschaft der Europäischen Bahnen (GEB) und der Internationale Speditionsverband (CIT) eine sogenannte Qualitätscharta, welche die konkrete Servicestufen-Vereinbarungen zwischen Verladern und Eisenbahnverkehrsunternehmen beinhaltet [CER08b, S. 11]. Dies führte bei den Marktteilnehmern zu einer verbesserten Kundenorientierung durch die verstärkte intramodale Konkurrenz, der Ausweitung der bestehenden Leistungsangebote und Umstrukturierung von Produktionsprozessen. Zwar bewertet die EU-Kommission die dadurch erzielten Qualitätsgewinne grundsätzlich positiv, weist jedoch gleichzeitig darauf hin, dass SGV-Dienste nach wie vor hinter dem Niveau straßengebundener Transportangebote zurückblieben. Um die entsprechenden Defizite zu reduzieren, seien neben einer Verbesserung des Eisenbahnverkehrsmanagements der verstärkte Einsatz neuer Technologien, eine optimierte Infrastrukturinstandhaltung und intensivere Kooperationen nationaler Infrastrukturbetreiber erforderlich. Vor allem der von der Kommission kritisierte Mangel an Transparenz der Dienstleistungsqualität - ausschließlich Angaben zur Pünktlichkeit von Güterzügen würden öffentlich kommuniziert - soll durch die von der Politik initiierte Definition einheitlicher Messkriterien und eine obligatorische Veröffentlichung von unternehmensspezifischen Qualitätsindikatoren behoben werden [EUKOM08k].