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Die Verfügbarkeit adäquater Eisenbahninfrastruktur als wesentliche Voraussetzung zur Erbringung von Schienengüterverkehrsdienstleistungen

Erstellt am: 21.12.2010 | Stand des Wissens: 22.09.2020
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. Dr. h.c. W. Kersten

Eine effiziente Durchführung von Schienengüterverkehren (SGV) setzt stets die angemessene Verfügbarkeit infrastruktureller Ausstattung voraus. Neben Schienenfahrwegen sind speziell für den Frachttransport folgende Einrichtungen erforderlich [AEG, § 2 Absatz 3 c]:
  • Gleisanschlüsse,
  • Serviceeinrichtungen (z. B. Anlagen für die Brennstoffaufnahme),
  • Güterbahnhöfe und -terminals,
  • Rangierbahnhöfe,
  • Zugbildungseinrichtungen,
  • Abstellgleise und
  • Wartungseinrichtungen.
Die effektive Beförderung findet auf dem Fahrweg statt, welcher aufgrund hoher, von Güterzügen ausgehender Lasten besonderen Anforderungen ausgesetzt ist. Die Leistungsfähigkeit entsprechender Verkehre wird häufig durch die begrenzten infrastrukturellen Gegebenheiten eingeschränkt. Dazu zählen beispielsweise die maximal zulässige Radsatzlast und die Höchstmeterlast, deren Überschreitung konstruktive Schäden an Fahrweg sowie Brücken verursachen kann. Die Einteilung europäischer Netze erfolgt gemäß den jeweils zulässigen Maximallastwerten, in sogenannten Streckenklassen von A bis D4. Neben dem Gewicht der zu transportierenden Massengüter stellt die Einhaltung des Lichtraumprofils als freizuhaltender Bereich entlang des Fahrweges eine Einschränkung dar [DB19c]. Als limitierende Faktoren erweisen sich in diesem Zusammenhang vorwiegend Tunnelbauwerke sowie die Oberleitungen der elektrifizierten Strecken. Ein Infrastrukturausbau mit Erweiterungen des Lichtraumprofils und der maximal zulässigen Lasten führt indessen zu teils unverhältnismäßig hohen Kosten [Holz10, S. 41]. Zusätzlich zu den genannten Begrenzungen im Rahmen der Streckeninfrastruktur, verringern Engpässen im Netz wie zum Beispiel geringe Gleisanzahl und Knotenpunkte die Leistungsfähigkeit des SGV [Holz10, S. 113f.]. Eisenbahnstrecken werden gemeinsam durch Personen- und Güterzüge genutzt. Aufgrund der Vorrangregelungen der Fahrgastbeförderung können Nachteile für den SGV entstehen.

Zur Qualitätssteigerung im Gütertransport soll die durch das EU-Parlament, sowie durch den Rat erlassene "Verordnung [...] zur Schaffung eines europäischen Schienennetzes für einen wettbewerbsfähigen Güterverkehr" (EU) 2010/913 führen. Neun grenzüberschreitende Korridore durch Europa sollen dem Güterverkehr Vorrang gewähren. Sechs dieser Verbindungen wurden Ende 2013 in Betrieb genommen [Kade14, S. 62 ff.]. Die restlichen Korridore sollen bis 2015 beziehungsweise 2020 durch die jeweiligen Mitgliedsstaaten errichtet werden [(EU) 1316/2013, Anhang II]. Serviceeinrichtungen sind insbesondere im Kombinierten Verkehr (KV), welcher sich als Beförderung eines Gutes mithilfe verschiedener Verkehrsträger ohne Wechsel der jeweiligen Ladeeinheit definiert, als auch im Einzelwagenverkehr unerlässlich. Es handelt sich hierbei um Anlagen, welche nur indirekt mit der eigentlichen Frachtbeförderung in Bezug stehen.

Serviceeinrichtungen ermöglichen den Transport von vor- beziehungsweise nachgelagerten Rangier- und Umschlagbewegungen. Einzelne Wagen oder Wagengruppen mit unterschiedlichen Zielorten, jedoch äquivalenten Zielrichtungen, werden auf Teilabschnitten in Zügen gebündelt transportiert. Die Sortierung der Wagen, sowie das Entkuppeln dieser finden in Zugbildungsbahnhöfen statt. Für den KV bilden Umschlagbahnhöfe beziehungsweise bi- und trimodale Güterterminals (Umschlag Bahn/Lkw beziehungsweise Bahn/Lkw/Binnenschiff) wichtige Infrastrukturkomponenten. Die Anzahl der Serviceeinrichtungen für den SGV ergänzt darüber hinaus die vielfältigen, sogenannten peripheren Anlagen [DBAG09k, S. 7 f.]. Die hinreichende Verfügbarkeit entsprechender Infrastrukturkomponenten und faire Zugangsregelungen für diese haben maßgeblichen Einfluss auf den intramodalen Wettbewerb und somit auch auf die intermodale Wettbewerbsfähigkeit des SGV.

Gleisanschlüsse sind bedeutende Infrastrukturelemente für den ungebrochenen SGV, das heißt Transportketten welche ausschließlich auf der Schiene realisiert werden. Diese ermöglichen die "großkundennahe" Belieferung sowie eine enge Verknüpfung von Produktions- und Transportprozessen [Mart04, S. 133]. Obwohl die jährliche Verkehrsleistung des Wagenladungsverkehrs von 1996 bis 2010 nahezu ununterbrochen gesteigert werden konnte, hat sich die Gleisanschlussanzahl im Hinblick einer Netzausdünnung (zum Beispiel im Rahmen des Programms MORA C) über die vergangenen zwei Jahrzehnte deutlich verringert. Von ehemals circa 12.000 Gleisanschlüssen im Jahr 1990 stehen im Jahre 2018 nur noch 2.351 zu Verfügung [BMVBS09g; DBAG14c, S. 24, DBAG19b, S. 27].
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. Dr. h.c. W. Kersten
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Technische und organisatorische Rahmenbedingungen des Schienengüterverkehrs (Stand des Wissens: 24.09.2020)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?337416
Literatur
[BMVBS09g] Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin Verkehr in Zahlen 2009/2010, Ausgabe/Auflage 38. Jahrgang, DVV Media Group GmbH / Hamburg, 2009/10, ISBN/ISSN 978-3-87154-407-1
[DB19c] DB Netz AG Grundsätze Lichtraum, 2019
[DBAG09k] o. A. Das Anlagenpreissystem der DB Netz AG, Frankfurt/Main, 2009/04
[DBAG14c] o. A. Deutsche Bahn DB Mobility Logistics - Daten & Fakten 2013, Berlin, 2014
[DBAG19b] Deutsche Bahn AG Konzern DB - Daten und Fakten 2018, 2019
[Holz10] Holzhey, M. Schienennetz 2025/2030 - Ausbaukonzeption für einen leistungsfähigen Schienengüterverkehr in Deutschland, Dessau-Roßlau, 2010/08, ISBN/ISSN 1862-4804
[Kade14] Kaderavek, Petr Rail Freight Corridors Inaugurated, veröffentlicht in Railvolution, Ausgabe/Auflage 1/2014, M-Presse plus s. r. o., Praha (Tschechien), 2014/01
[Mart04] Martin, Ullrich, Prof. Dr.-Ing. Braucht die moderne Bahn noch Anschlussbahnen?, veröffentlicht in Eisenbahntechnische Rundschau, Ausgabe/Auflage 03, Hestra-Verlag, Darmstadt, 2004, ISBN/ISSN 0013-2845
Rechtsvorschriften
[(EU) 1316/2013] Verordnung (EU) Nr. 1316/2013 [...] zur Schaffung der Fazilität "Connecting Europe"
[(EU) 2010/913] Verordnung (EU) Nr. 913/2010 [...] zur Schaffung eines europäischen Schienennetzes für einen wettbewerbsfähigen Güterverkehr
[AEG] Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG)
Glossar
Rangierbahnhof Der Rangierbahnhof (Rbf) ist ein wichtiges (Infrastruktur-)Element im Produktionssystem des Schienengüterverkehrs und gehört, wie auch der Knotenpunktbahnhof, als Betriebsbahnhof zur Gruppe der Zugbildungsbahnhöfe. Zentraler Bestandteil eines Rbf sind die sog. Zugbildungsanlagen (ZBA), die - vornehmlich im Einzelwagenverkehr - der Auflösung und Neuzusammenstellung von Güterzügen und Wagen(-Gruppen) dienen.
Schienengüterverkehr
Unter Schienengüterverkehr (SGV) wird der Transport von Gütern mit der Eisenbahn verstanden. Diese werden in Güterzügen unter Verwendung (spezieller) Güterwagen befördert. Diese Verkehre können entweder auf gesonderten Güterverkehrsstrecken oder im Mischverkehr, auf gemeinsam durch den Güter- und Personenverkehr genutzten Strecken, realisiert werden. Leistungen des Schienengüterverkehrs werden häufig als Teil einer Logistikkette in logistische Gesamtkonzepte eingebunden.
Lkw Lastkraftwagen (Lkw) sind Kraftfahrzeuge, die laut Richtlinie 1997/27/EG überwiegend oder sogar ausschließlich für die Beförderung von Gütern und Waren bestimmt sind. Oftmals handelt es sich dabei um Fahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse zwischen 3,5 und 12 Tonnen. In Einzelfällen kann die zulässige Gesamtmasse diese Werte jedoch auch unter- beziehungsweise überschreiten, sofern das Kriterium der Güterbeförderung gegeben ist. Lastkraftwagen können auch einen Anhänger ziehen.
Einzelwagenverkehr Der Einzelwagenverkehr (EWV; auch Wagenladungsverkehr, WLV) ist der Transport einzelner Güterwagen(-Gruppen) in speziell für deren jeweiligen Transportweg zusammengestellten Güterzügen. Die Güterwagen mit verschiedenen Versendern und Empfängern werden dabei in sog. Zugbildungsbahnhöfen (Zbf) zu einzelnen Güterzügen zusammengefasst.
Zugbildungsbahnhof
Zugbildungsbahnhöfe (Zbf) gehören - im Gegensatz zu den Personen- und Güterbahnhöfen - zu den sog. Betriebsbahnhöfen. Es handelt sich dabei um systeminterne, nicht öffentlich zugängliche Bahnhöfe des Produktionssystems des Schienengüterverkehrs. Dazu zählen Rangierbahnhöfe (Rbf) und Knotenpunktbahnhöfe.
Radsatzlast Die Radsatzlast (auch Achslast) beschreibt den Anteil der Fahrzeuggesamtmasse in Tonnen, der vom Fahrzeug über eine Achse auf den Schienenfahrweg aufgebracht wird.
Marktorientiertes Angebot - Cargo
MORA-C ist ein bereits abgeschlossenes Strategieprogramm der DB Cargo AG aus dem Jahr 2000. Ziel des Programmes war es, den Einzelwagenverkehr wirtschaftlicher zu gestalten. Innerhalb von zwei Jahren wurden mehr als 2100 Güterverkehrsstellen auf ihre Rentabilität überprüft. 637 Gleisanschlüsse wurden daraufhin aufgegeben. Siehe auch Projekt-Information "Marktorientiertes Angebot Cargo".
Kombinierter Verkehr
Intermodaler Verkehr, bei dem der überwiegende Teil der in Europa zurückgelegten Strecke mit der Eisenbahn, dem Binnen- oder Seeschiff bewältigt und der Vor- und Nachlauf auf der Straße so kurz wie möglich gehalten wird.
Lichtraumprofil Lichtraumprofil bezeichnet eine definierte Umgrenzungslinie meist für die senkrechte Querebene eines Fahrweges. Damit werden der "lichte Raum", der auf dem Fahrweg von Gegenständen freizuhalten ist, und die äußeren Maße der vorgesehenen Fahrzeuge vorgeschrieben.
Verkehrsleistung
Die Verkehrsleistung gibt Auskunft über die Inanspruchnahme von Ressourcen. Als Verkehrsleistung wird die auf eine Zeiteinheit t (zum Beispiel ein Jahr) bezogene Verkehrsarbeit definiert und als Quotient dargestellt. Die Verkehrsarbeit wird dabei als Produkt von Verkehrseinheiten (zum Beispiel Güter oder Personen) und der durch diese zurückgelegten Strecke gebildet. In der Verkehrswissenschaft sind die Einheiten Personenkilometer pro Jahr [Pkm/a] oder Tonnenkilometer pro Jahr [tkm/a] gebräuchlich.
Umschlagbahnhof Umschlagbahnhöfe (Ubf) dienen dem Übergang von Gütern auf oder von Schienenfahrzeugen bzw. dem Wechsel von diesen zu Transportmitteln anderer Verkehrsträger. Im letzteren Fall spricht man auch von Terminals des kombinierten Verkehrs (KV-Terminal). Diese stellen typischerweise Umschlagpunkte von Ladeeinheiten wie Container, Wechselbehälter, Wechselbrücken oder Sattelauflieger dar. Bei Ubf in Häfen und Flughäfen spricht man von "Seehafenterminals" oder "Flughafenterminals".

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?337371

Gedruckt am Montag, 27. März 2023 00:30:09