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Kurzfristige Konfliktlösung zwischen Wohlfahrt, Kostendeckung und Gewinn

Erstellt am: 07.12.2010 | Stand des Wissens: 25.06.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch

Um private aber auch staatliche Investitionen in Infrastrukturen zu unterstützen und gleichzeitig keine Subventionen leisten zu müssen, wäre es hilfreich, wenn der Betreiber das Entgelt so festlegen würde, dass er mindestens seine Kosten decken kann. Das Entgelt für jeden Nutzer würde also seinem durchschnittlichen Kostenanteil entsprechen.
Wenn keine geeigneten Alternativen beziehungsweise perfekten Substitute für die potentiellen Nutzer existieren, kann es sein, dass es einen Punkt gibt, bei dem der Betreiber mit einem Preis, der höher als die Durchschnittskosten ist, einen Gewinn erzielen würde (Monopolpreis).
Sowohl bei der Durchschnittskostenlösung als auch bei der Monopollösung entsteht ein Wohlfahrtsverlust. Diesen kann man sich so vorstellen: Über den letzten gerade noch bedienten Nachfrager hinaus gibt es eine weitere Nachfrage, deren Zahlungsbereitschaft über dem wohlfahrtsmaximalen Preis liegt. Diese Nachfrage reicht im Monopolfall nicht zur Gewinnmaximierung und im Fall eines Angebots zu Durchschnittskosten nicht zur Kostendeckung aus. Deshalb werden diese potentiellen Nutzer vom Konsum ausgeschlossen, was deren Wohlfahrt mindert.

DWL Monopol

Abb. 1: Marktsituation mit Anbieter, der seinen Gewinn maximiert [vgl. FrWe07, S.198]

Eine Bepreisung zu Grenzkosten würde diesen Wohlfahrtsverlust verschwinden lassen, aber zum Preis einer Subvention. Diese Subvention könnte aus dem allgemeinen Steueraufkommen gespeist werden oder aus einer Steuer in unelastischen Märkten. Obwohl diese Lösung wohlfahrtsökonomisch betrachtet die beste Lösung darstellt, wird das user-pay Prinzip verletzt und es müssten auch die Transaktions- sowie Grenzkosten der Steuererhebung berücksichtigt werden.


Wohlfahrtsverlust second bestAbb. 2: Preise, die den Grenzkosten entsprechen, führen im Falle sinkender Durchschnittskosten zu Verlusten auf Seiten des Anbieters [vgl. Aber09a, S.327; FrWe07, S.195]
Wenn eine Regulierungsbehörde die Betreiber dazu verpflichtet, Preise in Höhe der Grenzkosten zu verlangen und das ihm so entstehende Defizit ersetzt, so zieht dies zwei Probleme nach sich: Einerseits müssen dem Regulierer genaue Informationen über die Kosten des Betreibers vorliegen, was im Falle der Grenzkosten bereits für den Betreiber schwierig zu ermitteln sein kann. Es liegt zudem nicht im Interesse des Betreibers, dem Regulierer detaillierte Auskünfte zu geben. Andererseits gibt die Deckung des Defizits dem Betreiber kaum Anreize zum kostengünstigen Wirtschaften, da er die Durchschnittskosten über das notwendige Maß hinaus ausdehnen könnte [FrWe07, S. 233].
Zusammenfassend gibt es einen Konflikt zwischen Wohlfahrtsmaximierung, Kostendeckung und der Notwendigkeit von Subventionen. Dieser beruht auf der Tatsache, dass die langfristigen Durchschnittskosten der Infrastrukturbereitstellung in beinahe allen Fällen fallend sind.
Es gibt jedoch Möglichkeiten, den Wohlfahrtsverlust zu minimieren und gleichzeitig eine bessere oder sogar volle Kostendeckung zu erreichen. Durch eine nach unterschiedlichen Nachfragergruppen gestaffelte Preisgestaltung kann solchen Nutzern der Zugang zur Infrastruktur ermöglicht werden, deren Zahlungsbereitschaft unterhalb der Durchschnittskosten, aber oberhalb der Grenzkosten liegt und somit einen Teil der anfallenden Fixkosten abdeckt.
Das Angebot mehrstufiger Preise kommt der unterschiedlich hohen Zahlungsbereitschaft verschiedener Kunden entgegen. Kunden, die die Infrastruktur häufig nutzen, können einen Tarif mit hoher Grundgebühr und niedrigen verbrauchsabhängigen Gebühren wählen. Gelegentlichen Nutzern steht ein Tarif ohne oder mit verminderter Grundgebühr, aber mit erhöhter verbrauchsabhängiger Gebühr zur Verfügung. Das ist günstiger für diese Nutzergruppe und bildet auch die erhöhten Aufwendungen des Betreibers für die Vorhaltung von Kapazität besser ab, die ebenfalls eine schwankende Nachfrage befriedigen können. Hier kann aber auch ein Missverhältnis zwischen Tarifierung und wahrer Kostenstruktur entstehen, so dass eine Regulierung erforderlich sein kann [FrWe07, S 235]. In diesem Fall subventionieren zahlungsbereitere Kunden die für den Anbieter nicht lukrativen Geschäfte mit weniger zahlungsbereiten. Diese Praxis hält zur häufigen Benutzung der Infrastruktur an, die nicht im Sinne aller Benutzer ist, falls dadurch Stauungen und Kapazitätsengpässe entstehen und die außerdem der Umwelt schaden kann.
Unabhängig von der Höhe der Kosten, kann der Regulierer dem Anbieter erlauben, beliebig hohe Preise zu verlangen, solange dessen Rendite den Kapitalmarktzins zuzüglich eines Risikozuschlages nicht überschreitet. Ähnlich gelagert ist auch die Price-Cap Regulierung, die Höchstpreise vorsieht.
Wenn es nicht möglich oder sinnvoll ist, mehrere gleichartige Infrastruktureinrichtungen parallel vorzuhalten, kann eine solche Einrichtung doch im zeitlichen Verlauf von mehreren Betreibern unterhalten werden. Dazu wird das Betriebsrecht in regelmäßigen Abständen versteigert. Die einzelnen Anbieter sehen sich nun einer Konkurrenz ausgesetzt und derjenige, der zum Zug kommt wird die Differenz zwischen seinem Monopolgewinn und den Durchschnittskosten als Gebot abgeben. Aus dem so gewonnenen Versteigerungserlös kann die Differenz zu den Grenzkostenpreisen an die Nachfrager ausgeglichen werden. Die befristete Erteilung der Genehmigung hält den Betreiber zu wirtschaftlichem Arbeiten an [FrWe07,  S. 244]. Eine andere Möglichkeit besteht in der Ausschreibung regionaler Teilnetze, die in einem gewissen Umfang als alternative Verkehrskorridore genutzt werden können, wie dies zum Beispiel bei Autobahnen in Frankreich der Fall ist. Schließlich sei darauf hingewiesen, dass das Dilemma zwischen Wohlfahrtsoptimierung, Kostendeckung und Anreizen zum Markteintritt, sich nicht mehr oder nicht mehr in vollem Umfang präsentiert, sofern man die Wohlfahrtswirkung auf anderen Märkten miteinbezieht. Dies soll folgendes Beispiel klarmachen: Wenn eine Infrastruktur, die hohe Fixkosten und geringe Grenzkosten aufweist, statt zu Durchschnittskosten zu vernachlässigbar niedrigen Grenzkosten bepreist wird, so könnte es sein, dass anderen parallelen nutzerfinanzierten Infrastrukturen Kunden und damit die Refinanzierungsbasis entzogen werden würden. Die noch verbliebenen Kunden der parallelen nutzerfinanzierten Infrastruktur müssten dann höhere Mautgebühren entrichten, einige würden dadurch weniger Fahrten unternehmen oder gänzlich vom Befahren der betreffenden Strecke ausgeschlossen werden. Dieser Umstand müsste auch in der Wohlfahrtsbetrachtung berücksichtigt werden, was in den Lehrbüchern aus didaktischen Vereinfachungsgründen in der Regel nicht getan wird.
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Formen der Bepreisung zur Finanzierung von Verkehrsinfrastruktur (Stand des Wissens: 27.06.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?335946
Literatur
[Aber09a] Aberle, Gerd Transportwirtschaft, Einzelwirtschaftliche und gesamtwirtschaftliche Grundlagen, Oldenbourg/ München , 2009
[FrWe07] Fritsch, M., Wein, T., Ewers, H.-J. Marktversagen und Wirtschaftspolitik, Vahlen München, 2007
Glossar
Grenzkosten Die Grenzkosten des Faktoreinsatzes bezeichnen die zusätzlichen Kosten, die für den Einsatz jeweils einer zusätzlichen Faktoreinheit entstehen oder anders ausgedrückt: sie bezeichnen die Kosten der jeweils "letzten" Faktoreinheit. Da nur die variablen Kosten sich verändern, gehen auch nur diese in die Grenzkosten ein. Fixe Kosten werden nicht berücksichtigt. Die Grenzkosten des Faktoreinsatzes entsprechen im allgemeinen, d.h. bei proportionalen variablen Kosten, den variablen Durchschnittskosten. Weist jedoch die Funktion der variablen Kosten einen diskontinuierlichen Verlauf auf, weil bspw. ab einer bestimmten Grenze variable Abschreibungen entstehen, dann müssen die variablen Kosten der letzten Faktoreinheit zur Bestimmung der Grenzkosten herangezogen werden.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?335475

Gedruckt am Samstag, 20. April 2024 08:44:56