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Schiffsrecycling - umweltgerechtes Abwracken

Erstellt am: 29.11.2010 | Stand des Wissens: 28.10.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn

Jährlich werden weltweit zwischen 200 und 600 Seeschiffe abgewrackt. Die Zahl schwankt abhängig von der Schifffahrtskonjunktur und den Schrottpreisen. Der im Ergebnis des Recyclings gewonnene Schrott ist ein geschätzter Rohstoff. Heute werden die meisten Schiffe an Stränden und Flussufern in Bangladesh und Indien abgebrochen. Aufgrund der Unterschiede bei Arbeitskosten, den Umwelt- und Gesundheitsvorschriften sowie den Erlösen aus dem Verkauf gebrauchter Materialien können Betreiber von Abwrackwerften in Südasien den Schiffseignern höhere Preise zahlen als Mitbewerber in anderen Ländern.

Beim Abwracken von Schiffen können zahlreiche schädliche Substanzen wie vor allem Ölschlamm, Öle, Farben, PVC und Asbest freigesetzt werden und der Gesundheit der dabei Beschäftigten sowie der Umwelt schädigen, insbesondere angesichts der schlechten Ausstattung der Abwrackwerften, die zumeist über keinerlei Ausstattung zum Auffangen und zur sicheren Behandlung von Abfällen verfügen. Abwracken ist eine gefährliche Tätigkeit. Viele Arbeiter erkranken an Asbestose. Es kommt häufig zu schweren, auch tödlichen Unfällen [WeKu17]. 1995 wurde als Änderung zum Basler Übereinkommen über die internationale Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle ein absolutes Ausfuhrverbot für gefährliche Abfälle aus OECD- in Nicht-OECD- Staaten verhängt. Es wurde 1997 für alle EU-Mitgliedstaaten bindend, sodass im Prinzip bereits ein Exportverbot für Abbruchtonnage besteht. Da es keine wirksamen Kontrollmechanismen gab, war die Einhaltung weitgehend freiwillig [vgl. EU07a, COWI07]. Die USA haben das Basler Übereinkommen bisher nicht einmal in seiner ursprünglichen Form ratifiziert [BUND19b].

Für das Recycling von Seeschiffen wurde im Rahmen der International Maritime Organization (IMO) ab 2005 ein Übereinkommen über das sichere und nachhaltige Recycling von Schiffen erarbeitet und am 11.05.2009 durch eine diplomatische Konferenz in Hongkong angenommen und von 67 Mitgliedsstaaten unterzeichnet. Es tritt zwei Jahre nach Ratifizierung durch 15 Staaten mit 40 Prozent der Weltflotte und 3 Prozent der Abwrackkapazität in Kraft. Bis Februar 2021 haben 16 Länder mit einem Anteil von 29,6 Prozent an der Weltflotte das Abkommen ratifiziert [IMO21, S.544]. Die Konvention fordert im Wesentlichen, dass
  • 5 Jahre nach Inkrafttreten (oder bis dahin beim Abwracken) Schiffe ein Inventar gefährlicher Materialien (Grünen Pass) mitführen,
  • Schiffe nur in autorisierten Anlagen von Unterzeichnerländern abgewrackt werden,
  • die Abwrackwerft einen Ship Recycling Plan erstellt, ausgehend vom Inventar, der durch die verantwortliche nationale Behörde bestätigt wird,
  • bei Neubauten bestimmte gefährliche Materialien nicht verwendet werden [BMU11, S. 40f.].

Am 13. März 2014 wurde durch das Europäische Parlament eine zügige Ratifizierung der Hongkong-Konvention durch die EU-Mitgliedstaaten bekräftigt. Nun ist es möglich, dass der Europäische Rat die EU-Mitgliedstaaten offiziell auffordert, das weltweite Regelwerk zum Schiffsrecycling in Kraft zu setzen [veRU14]. 

Außerdem hatte die EU im November 2013 eine Verordnung über das Recycling von Schiffen verabschiedet, mit der das umweltverträgliche Recycling von Schiffen in der EU sichergestellt werden soll. Diese regionale Maßnahme soll das Hongkong-Übereinkommen ergänzen [veRU14]. Seit Dezember 2016 existiert die European List of ship recycling facilities. Diese Liste führt alle durch die EU als sicher eingestuften Schiff-Recyclinganlagen. Seit dem 31. Dezember 2018 dürfen Schiffe, die unter der Flagge eines EU-Mitgliedstaates fahren, nur noch in den in dieser Liste aufgeführten Anlagen recycelt werden [EUKo16].
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Umwelt- und Klimaschutz im Seeverkehr (Stand des Wissens: 28.10.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?408691
Literatur
[BMU11] Bernhard Gerstmayr,, Markus Hertel,, Hansjürgen Krist,, Stefanie Müller,, Dr. Dieter Tronecker Abschlussbericht 3R-Studie, Augsburg, 2011/04/18
[BUND19b] BUND (Hrsg.) Weltweites Exportverbot für gefährliche Abfälle beschlossen, 2019
[COWI07] Frank Stuer-Lauridsen, Mads P. Jensen, Thomas Odgaard, Helle Husum, Dan Olsen, Klaus W. Ringgaard Ship Dismantling and Pre-cleaning of Ships - Final report, 2007
[EU07a] Europäische Kommission GRÜNBUCH zur Verbesserung der Abwrackung von Schiffen, KOM(2007) 269 endgültig, Brüssel, 2007
[EUKo16] Europäische Kommission (Hrsg.) Ship recycling, 2016/12/20
[IMO21] International Maritime Organization (Hrsg.) IMO - Status Of Treaties, 2021
[veRU14] o.A. EU-Parlament unterstützt Schiffsrecycling-Abkommen, 2014/03/13
[WeKu17] Weser Kurier (Hrsg.) Deutschland ist Abwrack-Weltmeister, 2017/03/23
Glossar
OECD Die OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development) besteht gegenwärtig aus 30 Mitgliedsländern, die hinter Demokratie und Marktwirtschaft stehen. Aufgrund der aktiven Beziehungen zu 70 weiteren Ländern, nichtstaatlichen Organisationen und zur Gesellschaft besitzt OECD eine globale Reichweite. OECD ist durch seine Publikationen, Statistiken, ökonomischen Arbeitsabdeckungen und makroökonomischen Sozialausgaben, um Ausbildung, Entwicklung, Wissenschaft und Innovationen zu fördern, bekannt.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?334636

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 10:59:20