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Klimawirksame Emissionen der Seeschifffahrt

Erstellt am: 29.11.2010 | Stand des Wissens: 28.10.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn

Klimawirksame Emissionen der Seeschiffe stammen vor allem aus den Abgasen der Haupt- und Hilfsmaschinen. Sie umfassen CO2, CH2, NxOx, Fluorwasserstoffe (HFC), CO, SOx, Aromate, Feinstaub sowie feste Rußpartikel (BC) die über die Aerosolbildung eine negative Klimawirkung haben [SeaK10]. Sie sind in unterschiedlichem Maße klimawirksam. In der Studie des International Council on Clean Transportation (ICCT) wurden, ausgehend von der Transportleistung der Schifffahrt 2015, als Emissionen ermittelt:
  • CO2: 932 Millionen Tonnen 
  • CH4: 0,363 Millionen Tonnen
  • N2O: 0,046 Millionen Tonnen
  • BC: 0,078 Milionen Tonnen
[ICCT17, S. 16]
Die Emissionen der internationalen Schifffahrt machen demnach 2,3 Prozent und die der gesamten Seeschifffahrt (einschl. Fischerei) 2,5 Prozent der globalen Klimagasemissionen aus. Sie liegen damit höher als die gesamten Emissionen Deutschlands im Jahr 2015 [Cri09, ICCT17, S. 14]. Wenn man die oben aufgeführten Emissionen in ein CO2-Äquivalent in 20 Jahren umwandelt, ergibt sich die in Abbildung 1 ersichtliche Aufteilung.
2015 in 20 jahren.pngAbb. 1: Anteil der CO2-äquivalenten Emissionen 2015 in 20 Jahren (eigene Darstellung nach [ICCT17, S. 17])
Die ermittelten Werte liegen um 45 Prozent höher als frühere Einschätzungen, besonders aufgrund höherer Einschätzungen des Bunkerverbrauchs der Schifffahrt. Da die Emissionen von Klimagasen der Schifffahrt proportional zum Treibstoffverbrauch sind, haben sie sich von 1970 bis 2007 knapp verdreifacht [IMO09, S.26].  Obwohl die CO2 Effizienz der Schifffahrt sich seit 2008 um bis zu 32 Prozent verbessert hat, sind die klimaschädlichen Emissionen von 2012 bis 2018 um 9,6 Prozent gestiegen [EU20a]. Die Transportleistung der Welthandelsflotte wuchs in diesem Zeitraum etwa im gleichen Maße. Seit 2007 sind die CO2-Emissionen durch die Schifffahrt leicht zurückgegangen [ICCT17, S. 14]. Durch den vermehrten Einsatz von Flüssigerdgasen (LNG) als Schiffstreibstoff ist der Methan-Ausstoß zwischen 2012 und 2018 um 150% gestiegen [DN20]. Eine 2020 veröffentlichte Studie des International Council on Clean Transportation (ICCT) belegt, dass der CH4-Austritt höher ist, als bisher angenommen. Demnach sind Flüssigerdgase kurzfristig sogar klimaschädlicher als Marine Destillate (MDO). Über einen Zeitraum von 100 Jahren könnte zwar eine geringfügige Reduzierung der Emissionen erfolgen, jedoch nur unter Einsatz von state-of-the-art Technologien, die bisher in lediglich 12% der LNG-betriebenen Schiffe genutzt werden. [ICCT20]
Trotzdem gehen Prognosen bis 2050 davon aus, dass sowohl der Treibstoffverbrauch als auch die CO2-Emissionen der internationalen Schifffahrt in den nächsten Jahrzehnten weiter stark anwachsen werden [PaEy]. Um dieser Entwicklung entgegenzutreten führt die International Maritime Organization im April 2018 eine neue Strategie zur Reduktion klimaschädlicher Emissionen. Ziel ist es, die globalen Treibhausgasemissionen der Schifffahrt bis 2050 im Vergleich zu 2012 um 50% zu senken, in einzelnen Fällen sogar vollständig zu eliminieren. Um dies zu erreichen, soll in einem ersten Schritt der Energy Efficiency Design Index (EEDI) für neue Schritte verschärft und ausgeweitet werden [IMO18e]. So fordert die International Council on Clean Transportation die Aufnahme aller Klimagase in den EEDI, zuvor wurden lediglich CO2-Emissionen begrenzt. [DN20
Bereits im April 2016 beschloss die IMO eine verpflichtende Meldung des Treibstoffverbrauchs von Seeschiffen mit einer Bruttoraumzahl über 5.000 an eine zentrale Datenbank. Diese Regelung ist im März 2018 in Kraft getreten und wird eine bisher nicht existierende Transparenz für Kraftstoffverbrauch und die daraus resultierenden Emissionen schaffen [IMO18a].
Ein absoluter Abbau der Klimagasemissionen der Seeschifffahrt wäre nur durch radikale Veränderungen zu erreichen, wie:
  • schnelle und deutliche Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Transportnachfrage,
  • signifikant geringeres Wirtschaftswachstum,
  • extreme Verknappung fossiler Energieträger,
  • Einführung bisher unbekannter Technologien.
Für die EU zeigt eine Untersuchung, dass bei insgesamt steigendem Energieverbrauch und damit steigenden CO2-Emissionen der Seeschifffahrt die Energieeffizienz durch tendenziell sinkenden spezifischen Treibstoffverbrauch verbessert wurde. Eine abnehmende Schiffsauslastung bewirkte jedoch, dass die spezifische CO2-Intensität (CO2/Tonnen-Seemeile) stabil blieb oder sogar stieg [ChiFi09, S.3756].
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Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Klimawandel und Verkehr (Stand des Wissens: 06.12.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?346302
Umwelt- und Klimaschutz im Seeverkehr (Stand des Wissens: 28.10.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?408691
Literatur
[ChiFi09] Chiffi, Cosimo , Fiorello, Davide Energy intensity of maritime trades: Evidences from the EX-TREMIS database , veröffentlicht in Energy Policy, Ausgabe/Auflage 37, Issue 10, , Elsevier, 2009/10, ISBN/ISSN ISSN: 0301-4215
[Cri09] Crist, Ph. Greenhouse Gas Emissions Reduction Potential from International Shipping, veröffentlicht in JTRC Discussion Paper, Paris, 2009/05
[DN20] DieselNet (Hrsg.) IMO releases final report of the Fourth GHG Study, 2020
[EU20a] Europäische Parlament (Hrsg.) Greenhouse gas emissions from shipping:
waiting for concrete progress at IMO leve, 2020
[ICCT17] The International Council on Clean Transportation (ICCT) (Hrsg.) Greenhouse Gas Emissions from Global Shipping, 2013-2015, Washington, 2018/10
[ICCT20] Nikita Pavlenko, , Bryan Comer, , Yuanrong Zhou, , Nigel Clark, , Dan Rutherford The climate implications of using
LNG as a marine fuel, 2020/01
[IMO09] Buhaug, Ø., Corbett, J.J., Endresen, Ø., Eyring, V., Faber, J., Hanayama, S., Lee, D.S., Lee, D., Lindstad, H., Markowska, A.Z., Mjelde, A., Nelissen, D., Nilsen, J., Pålsson, C., Winebrake, J.J., Wu, W., Yoshida, K. Second IMO GHG study 2009, London, 2009
[IMO18a] International Maritime Organization (Hrsg.) Data collection system for fuel oil consumption of ships, 2018
[IMO18e] International Maritime Organization UN body adopts climate change strategy for shipping, 2018
[PaEy] Paxian, A., Eyring, V., Beer, W., Sausen, R., Wright, C. Present-Day and Future Global Bottom-Up Ship Emission Inventories Including Polar Routes, veröffentlicht in Environmental Science & Technology, Ausgabe/Auflage VOL. 44, NO. 4, 2010
[SeaK10] Eyring, Veronika SeaKLIM (Einfluss von Schiffsemissionen auf Atmosphäre und Klima), Final Report - Public version, 2011
Glossar
LNG
Liquified natural gas = Flüssigerdgas (CH4) wie es zum Beispiel in Fahrzeugen getankt werden kann. Durch Abkühlen auf -164 Grad Celsius schrumpft das Volumen auf ein sechshundertstel des Normvolumens. Damit erhöht sich der Energiegehalt bezogen auf das Volumen und somit zum Beispiel die Reichweite eines Fahrzeuges bei gleichem Tankvolumen. Für die aufwendige Verflüssigung werden circa 10 bis 25 Prozent der im Erdgas gespeicherten Energie aufgewendet, daher findet man im Straßenverkehr hauptsächlich compressed natural gas = komprimiertes Erdgas (CNG).
CH4
= Methan. Es ist ein farbloses, geruchloses und leicht brennbares Gas, das zu Kohlendioxid und Wasser verbrennt. Methan ist Hauptbestandteil von Erdgas, Biogas, Deponiegas und Klärgas. Als Erdgas dient es hauptsächlich der Beheizung von Wohn- und Gewerberäumen, als industrielle Prozesswärmeenergie, zur elektrischen Stromerzeugung und in kleinem Umfang als Treibstoff für Kraftfahrzeuge.
Methan gehört zu den klimarelevanten Treibhausgasen. Methan entsteht bei allen organischen Gär- und Zersetzungsprozessen, wie z.B. in Sümpfen, Nassreisfeldern und Massenviehhaltung. (Der Verdauungstrakt von Wiederkäuern produziert Methan.)
Nach Kohlendioxid ist Methan mit einem Anteil von knapp 20 Prozent wichtigster Verursacher des Treibhauseffekts, wobei es ein 20- bis 30-mal wirksameres Treibhausgas als CO2 ist. Die weltweiten Methanemissionen werden auf 500 Mio. Tonnen/Jahr geschätzt, davon gehen rund 70 Prozent auf menschliche Aktivitäten zurück.
Nautical mile Seemeile, NM, sm Die nautische Meile ist in der Luft- und Seefahrt das gebräuchlichste Längenmass. 1 NM = 1,852 km Das Geschwindigkeitsmaß Knoten ist gleich einer Seemeile pro Stunde
CO
= Kohlenstoffmonoxid. CO ist eine chemische Verbindung aus Kohlenstoff und Sauerstoff und gehört damit neben Kohlenstoffdioxid zur Gruppe der Kohlenstoffoxide. Es ist ein farb-, geruch- und geschmackloses Gas. Kohlenstoffmonoxid beeinträchtigt die Sauerstoffaufnahme von Menschen und Tieren. Schon kleine Mengen dieses Atemgiftes haben Auswirkungen auf das Zentralnervensystem.
Es entsteht bei der unvollständigen Oxidation von kohlenstoffhaltigen Substanzen. Dies erfolgt zum Beispiel beim Verbrennen dieser Stoffe, wenn nicht genügend Sauerstoff zur Verfügung steht oder die Verbrennung bei hohen Temperaturen stattfindet. Kohlenstoffmonoxid selbst ist brennbar und verbrennt mit Sauerstoff zu Kohlenstoffdioxid. Hauptquelle für die CO-Belastung der Luft ist der Kfz-Verkehr.
SOx
= Schwefeloxide. Ist die Sammelbezeichnung für die Oxide des chemischen Elements Schwefel. Sie entstehen vor allem bei der Verbrennung schwefelhaltiger Brennstoffe oder bei natürlichen Vorgängen wie Vulkanausbrüchen. Die wichtigsten Schwefeloxide sind Schwefeldioxid SO2 und Schwefeltrioxid SO3. In Verbindung mit wässrigen Lösungen bilden beide Oxide Säuren, welche unter anderem für die Versauerung von Seen und das Waldsterben mitverantwortlich sind. Zudem sind die Schwefeloxide auch gasförmig giftig.
N2O = Distickstoffoxid (Lachgas). Ein farb- und geruchloses, leicht süßlich schmeckendes und chemisch reaktionsträges Gas. Lachgas ist ein Treibhausgas, dessen Treibhauswirksamkeit 298-mal so groß ist wie die von CO2. Menschenverursachte Emissionen stammen hauptsächlich aus der Landwirtschaft.
Energy Efficiency Design Index Mit dem EEDI können die Emissionen eines Schiffes unter seinen spezifischen Einsatzbedingungen ermittelt werden. Die EEDI-Formel setzt sich aus den Faktoren Antriebsleistung, spezifischer Treibstoffverbrauch und Emissionsfaktor zusammen, die ins Verhältnis zu Transportkapazität und Geschwindigkeit gesetzt werden.
CO2-Äquivalent Das CO2-Äquivalent berücksichtigt die unterschiedliche Klimaschädlichkeit von Klimagasen und wird durch das Global Warming Potential (GWP) ausgedrückt. Methan (CH4) beispielsweise hat ein 21-fach höheres globales Erwärmungspotenzial als Kohlenstoffdioxid und dementsprechend ein CO2-Äquivalent von 21.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?334567

Gedruckt am Freitag, 19. April 2024 20:18:48