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Well-to-Wheel Betrachtung der Antriebstechnologien

Erstellt am: 04.11.2010 | Stand des Wissens: 08.03.2023
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IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.

Eine akkurate Bewertung von konventionellen und alternativen Antriebstechnologien bedarf einer vollständigen Analyse der Gewinnung und Bereitstellung eines Treibstoffs beziehungsweise Energieträgers bis zur Umwandlung in Bewegungsenergie, der sogenannten Well-to-Wheel (WtW) Analyse [BrWa05, S. 15]. Ihr Hauptfokus liegt in der Ermittlung aller direkten und indirekten Emissionen über den kompletten Pfad der Bereitstellung eines Energieträgers [WoLu16]. Relevante Gase sind in diesem Fall Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4) und Stickoxide (NOx) [WeBu09, S. 204].


WtWTheorie.jpgAbb. 1: Umfang des Well-to-Wheel Gesamtsystems (Eigene Darstellung nach [BrWa05, S. 11])
Abbildung 1 zeigt den Umfang einer typischen WtW Analyse. Für spezifische Analysen werden die Resultate oft in zwei Systeme aufgeteilt: Well-to-Tank (WtT) und Tank-to-Wheel (TtW). Das WtT System beginnt mit der Gewinnung von Rohstoffen für die Treibstoffproduktion und endet mit dem fertigen Treibstoff im Fahrzeugtank. Hier existiert eine Vielzahl an Treibstoffvorketten, die aus unterschiedlichen Rohstoffen (zum Beispiel Rohöl, Erdgas oder Biomasse) und Produktionstechniken zu unterschiedlichen Treibstoffen (zum Beispiel Benzin, Wasserstoff oder Elektrizität) kombiniert werden können. Das TtW System hingegen umfasst den Betrieb des jeweiligen Fahrzeuges. Die Umwandlung des Treibstoffs in Bewegungsenergie erfolgt je nach Fahrzeugtechnologie (zum Beispiel Ottomotor, Elektrofahrzeug) sehr unterschiedlich und der Wirkungsgrad der einzelnen Fahrzeuge unterscheidet sich ebenfalls stark [BrWa05, S. 11]]. Analyseergebnisse können sehr unterschiedlich ausfallen, da betreffende ISO 14040 und 14044 lediglich Bilanzierungsstandards definieren [WoLu16].

Durch die WtW Analyse werden die Unterschiede in den Treibhausgasemissionen und dem Energieverbrauch von verschiedenen Fahrzeugtypen sichtbar.
Abbildung 2 zeigt die Treibhausgasemissionen in Abhängigkeit des WtW Energieverbrauchs unterschiedlicher Antriebsarten. Wird das batterieelektrische Fahrzeug mit 100 Prozent erneuerbarem Strom aus Windenergie betrieben, hat es in der WtW Betrachtung den geringsten Energieverbrauch und Treibhausgasemissionen, die gegen Null gehen.

WtW_2020.pngAbb. 2: Well-to-Wheel Treibhausgasemissionen bezogen auf den jeweiligen Energieverbrauch von 2020 [AgVe17, S.60] (Grafik zum Vergrößern bitte anklicken)
Aus der Abbildung geht ebenfalls hervor, dass bei den Treibhausgasemissionen von Elektrofahrzeugen vor allem der eingesetzte Strommix von Bedeutung ist, da die Emissionen im wesentlichen mit der Art der Stromproduktion skalieren. So ergeben sich deutlich höhere Treibhausgasemissionen beim Einsatz des europäischen Strommixes in einem batterieelektrischen Fahrzeug. Biotreibstoffe setzen bei der Verbrennung Emissionen frei, die wiederum vorher durch die zur Biotreibstoffherstellung verwendeten Pflanzen gebunden wurden und somit Teil eines sehr viel kürzeren Emissionszyklus als bei fossilen Brennstoffen sind. Betrachtet man diesen treibhausgasneutralen Effekt, ergeben sich für Biotreibstoffe geringere Emissionen als für konventionelle Treibstoffe. Jedoch ist das Mengenpotenzial von Biokraftstoffen beschränkt.

Die Energieintensität der Fahrzeugherstellung wird in WtW-Analysen oftmals nicht einbezogen. Dabei weist die Fahrzeugherstellung bei allen alternativen Antriebsarten mit 41 bis 51 Gramm CO2-Äquivalent pro Kilometer höhere Emissionswerte auf, als die konventionellen Antriebe mit 29 Gramm CO2-Äquivalent pro Kilometer, was aus dem Umstand folgt, dass die Herstellung der batterieelektrischen Fahrzeuge (BEV), Plug-in-Hybride (PHEV) und Brennstoffzellenfahrzeuge (FCEV) in aller Regel Energie- und CO2-intensiver ist [NoMe14, Mich13].. Die Erhöhungen sind jedoch im Vergleich zu den Abgasemissionen von konventionellen Fahrzeugen gering und können leicht durch die Verwendung von Strom und Wasserstoff aus sauberen Quellen überkompensiert werden. Der Ausstoß von Schwefeloxiden bei der Produktion ist jedoch deutlich höher, kann aber möglicherweise durch Recycling von Fahrzeugbatterien begrenzt werden [DuGa14].
Verschärfte Emissionsvorgaben führen zu steigenden Kosten für konventionelle Antriebsformen. Zudem begrenzt der hohe Entwicklungsstand konventioneller Antriebe das Potenzial für weitere Effizienzsteigerungen. Mit den steigenden Kosten für konventionelle Diesel- und Ottomotoren und sinkenden Kosten für alternative Antriebsformen werden batteriebetriebene Fahrzeuge mittelfristig auch in der breiteren Anwendung konkurrenzfähig sein. Die fallenden Kosten alternativer Fahrzeuge sind zu einem großen Teil der steigenden Kosteneffizienz der Batterie- und Brennstoffzellenproduktion zuzuschreiben [WoLu16]. Die Emissionen von alternativen Antrieben werden aufgrund eines sich ändernden Strommixes weiter fallen. Mit alternativen Antrieben sind bei Nutzung dieses Strommixes deutliche Emissionsreduktionen zu erwarten, die mit konventionellen Fahrzeugen nicht erreicht werden können.
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IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Antriebstechnologien im Straßenverkehr (Stand des Wissens: 26.06.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?298940
Literatur
[AgVe17] Christian Hochfeld, Alexander Jung, Anne Klein-Hitpaß, Urs Maier, Kerstin Meyer, Fritz Vorholz Mit der Verkehrswende die Mobilität von morgen sichern: 12 Thesen zur Verkehrswende, 2017/03
[BrWa05] Norman Brinkman, General Motors Corporation, Michael Wang, Argonne National Laboratory, Trudy Weber, General Motors Corporation, Thomas Darlington, Air Improvement Resource, Inc. Well-to-Wheels Analysis of Advanced Fuel/Vehicle Systems - A North American Study of Energy Use, Greenhouse Gas Emissions, and Criteria Pollutant Emissions, 2005
[DuGa14] J. B. Dunn, L. Gaines, J. C. Kelly, C. James, K. G. Gallagher The significance of Li-ion batteries in electric vehicle life-cycle energy and emissions and recycling's role in its reduction, 2014
[Mich13] Julia Michaelis Vergleich alternativer Antriebstechnologien Batterie-, Plug-in Hybrid- und Brennstoffzellenfahrzeug, 2013
[NoMe14] Anders Nordelöf, Maarten Messagie, Anne-Marie Tillman, Maria Ljunggren Söderman, Joeri Van Mierlo Environmental impacts of hybrid, plug-in hybrid, and battery electric vehicles - what can we learn from life cycle assessment?, 2014
[WoLu16] Paul Wolfram, Nic Lutsey Electric vehicles: Literature review of technology costs and carbon emissions, 2016/07/15, Online-Referenz http://www.theicct.org/lit-review-ev-tech-costs-co2-emissions-2016
Glossar
Strommix Der Strommix gibt an, zu welchen Anteilen der Strom aus welchen Energieträgern stammt. Als Energieträger gelten dabei fossile Rohstoffe wie Kohle, Erdöl und Erdgas, daneben Kernenergie und auch erneuerbare Energien. Dazu kann eine regionale Abgrenzung vorgenommen werden, z.B. nach deutschem oder europäischem Strommix.
Biomasse Biomasse umfasst:
  • Reststoffe wie z.B. Restholz, organische Abfälle (Biomüll, Gülle etc.), Stroh sowie
  • Energiepflanzen wie z.B. Raps, schnell wachsende Baumarten, Energiegetreide, Miscanthus.
CH4
= Methan. Es ist ein farbloses, geruchloses und leicht brennbares Gas, das zu Kohlendioxid und Wasser verbrennt. Methan ist Hauptbestandteil von Erdgas, Biogas, Deponiegas und Klärgas. Als Erdgas dient es hauptsächlich der Beheizung von Wohn- und Gewerberäumen, als industrielle Prozesswärmeenergie, zur elektrischen Stromerzeugung und in kleinem Umfang als Treibstoff für Kraftfahrzeuge.
Methan gehört zu den klimarelevanten Treibhausgasen. Methan entsteht bei allen organischen Gär- und Zersetzungsprozessen, wie z.B. in Sümpfen, Nassreisfeldern und Massenviehhaltung. (Der Verdauungstrakt von Wiederkäuern produziert Methan.)
Nach Kohlendioxid ist Methan mit einem Anteil von knapp 20 Prozent wichtigster Verursacher des Treibhauseffekts, wobei es ein 20- bis 30-mal wirksameres Treibhausgas als CO2 ist. Die weltweiten Methanemissionen werden auf 500 Mio. Tonnen/Jahr geschätzt, davon gehen rund 70 Prozent auf menschliche Aktivitäten zurück.
PHEV
Plug-in-Hybridfahrzeug; eine Weiterentwicklung der Hybridfahrzeuge. Es besteht die Möglichkeit, die Batterie zusätzlich zum Verbrennungsmotor auch extern über eine Ladebuchse zu laden.
NOx
= Stickoxide. Ist die Sammelbezeichnung für die Oxide des Stickstoffs. Die wichtigsten Stickoxide sind Stickstoffmonoxid und Stickstoffdioxid. Es sind gasförmige Verbindungen, die sich nur wenig in Wasser lösen.
Die wichtigsten Stickoxid-Quellen sind natürliche Vorgänge, wie zum Beispiel mikrobiologische Umsetzungen im Boden, sowie Verbrennungsvorgänge bei Kraftwerken, Kraftfahrzeugen und industrielle Hochtemperaturprozesse, bei denen aus dem Sauerstoff und Stickstoff der Luft Stickoxide entstehen. Stickstoffdioxid ist ein Reizstoff, der die Schleimhäute von Augen, Nase, Rachen und des Atmungstraktes beeinträchtigt.
FCEV Brennstoffzellenfahrzeug; Die Brennstoffzelle fungiert als Energiewandler, der chemische in elektrische Energie umwandelt und damit die Batterie, bzw. indirekt den Elektromotor betreibt. Der optimale Energieträger ist Wasserstoff, der eine lokale emissionsfreie Mobilität ermöglicht.
TtW Tank-to-Wheel; Teilsystem der Well-to-Wheel Analyse, die die Treibhausgasemissionen des Fahrzeugbetriebs erfasst.
WtT Well-to-Tank, Teilsystem der Well-to-Wheel Analyse, die die Treibhausgasemissionen der Kraftstoffvorketten erfasst.
Wirkungsgrad
Der Wirkungsgrad gibt an, welcher Anteil der zugeführten Energie bei einer Umwandlung in die gewünschte Energieform umgewandelt wird, und beschreibt damit die Effizienz beispielsweise einer technischen Anlage.
H2 Wasserstoff ("H2" = grch.-lat. für hydrogenium "Wassererzeuger") ist das chemische Element mit der Ordnungszahl 1. Wasserstoff stellt sowohl bezogen auf die Masse (75%) als auch bezogen auf die Zahl der Teilchen (91%) das häufigste aller im All vorkommenden Elemente dar. Wasserstoff ist ein farb- und geruchloses Gas welches in der Natur aufgrund der hohen Reaktivität nicht in seiner elementaren Form vorkommt. Wasserstoff liegt gebunden in Form von Erdöl und Erdgas, in Mineralien, in Biomasse, aber vorwiegend in Form von Wasser vor. Wasserstoff ist somit ein Sekundärenergieträger (Energiespeicher)und muss erst aus den oben genannten fossilen oder nicht fossilen Primärenergieträgern unter Einsatz von zusätzlicher Energie hergestellt werden.
WtW Well-to-Wheel; Analyseverfahren, das zur Bewertung und zum Vergleich von konventionellen und alternativen Antriebstechnologien die vollständigen Kraftstoffzyklen erfasst. Das Gesamtsystem besteht aus den Teilsystemen Well-to-Tank und Tank-to-Wheel.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?332825

Gedruckt am Samstag, 20. April 2024 03:52:04