Forschungsinformationssystem des BMVI

zurück Zur Startseite FIS

Gefahrguttransport auf der Schiene: Unfalldokumentation und staatliche Überwachungsmaßnahmen

Erstellt am: 23.06.2010 | Stand des Wissens: 05.03.2024
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch

Unfälle bei Gefahrguttransporten auf der Schiene
Aufgrund der mit einer Beförderung gefährlicher Güter einhergehenden Risiken sind Verlader, Befüller, Beförderer, Empfänger oder gegebenenfalls Betreiber der Schieneninfrastruktur seit der am 16. Mai 2008 geltenden Ordnung dazu verpflichtet, schwere Unfälle oder Zwischenfälle im Zusammenhang mit Gefahrguttransporten in der Bundesrepublik Deutschland an das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) zu melden. Ein berichtspflichtiges Ereignis liegt vor, wenn [EBA24]:
  • gefährliches Gut ausgetreten ist oder die unmittelbare Gefahr des Austretens bestand,
  • ein Personen-, Sach- oder Umweltschaden eingetreten ist oder
  • Behörden beteiligt waren.
Die genauen Kriterien ergeben sich aus dem Unterabschnitt 1.8.5.3 der Ordnung für die internationale Eisenbahnbeförderung gefährlicher Güter [RID, S. 1 ff.]. Das EBA erfasst die Berichte, prüft deren Plausibilität und leitet sie an das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (BMVBS) weiter. Es veranlasst eine sicherheitstechnische Bewertung der Vorfälle sowie - falls erforderlich - eine Übermittlung entsprechender Berichte an das Sekretariat der Zwischenstaatlichen Organisation für den internationalen Eisenbahnverkehr (OTIF). Ziele dieser Regelung sind:
  • eine Überprüfung und gegebenenfalls Änderung des internationalen Regelwerks,
  • die Information der Mitglieds-/Vertragsstaaten zur Weiterentwicklung nationaler
    Regelungen zur Rechtsanwendung und Prävention sowie
  • die Kontrolle der Wirksamkeit internationaler Rechtsvorschriften.
[BMVBS05, S. 8]
Seit 2011 müssen zudem alle am Gefahrguttransport beteiligten Personen umfassend informiert und geschult sein (ADR) [TÜVS12]. In Deutschland gab es im Jahr 2020 nur einen Gefahrgutunfall im Schienengüterverkehr, was 0,001 Gefahrgutunfällen pro einer Millionen Kilometer entspricht [VDV22c].
Gefahrgutkontrollen im Schienenverkehr
Für die gemäß § 9 (1) des Gefahrgutbeförderungsgesetzes (GGBefG) vorgeschriebene Überwachung der Beförderung gefährlicher Güter ist entsprechend § 15 Absatz 1 Nr. 3 der Gefahrgutverordnung Straße, Eisenbahn und Binnenschifffahrt (GGVSEB) das EBA verantwortlich. Jede stichprobenartig durchgeführte Kontrolle umfasst unter anderem eine Überprüfung der Zulassung des gefährlichen Gutes zum Transport, einen Soll-Ist-Vergleich der materiellen Regelungen der Gefahrgutvorschriften mit dem Prüfobjekt (das heißt Wagen beziehungsweise Ladung und Beförderungsunterlagen) sowie die Erfassung des technischen Zustands jeweiliger Gefahrgutwagen hinsichtlich offensichtlicher Mängel. Sämtliche Kontrollen werden zusätzlich mit Hilfe des "Gefahrgutüberwachungs- und Informationssystem für den Eisenbahnverkehr" (EBIS-GGÜ) des EBA elektronisch dokumentiert und ausgewertet [BMVBS05, S. 16]. Pro Jahr werden 12.000 Gefahrgutkontrollen durch das EBA durchgeführt. [EBA24a]
Das EBA überwacht Gefahrguttransporte vor allem an Bahnhöfen oder auf dem Gelände der versendenden Unternehmen. Die Intensität der Kontrollen hängt von Faktoren wie der Menge und Art des gefährlichen Materials sowie der Zuverlässigkeit der Unternehmen ab. Um Problembereiche zu identifizieren, stoppt das EBA gelegentlich Züge während ihrer Fahrt für Inspektionen. [EBA24a]
Es werden Objektkontrollen durchgeführt, die auch eine technische Überprüfung der Eisenbahnwagen beinhalten. [EBA24a]
In bestimmten Fällen werden auch Drohnen eingesetzt, um Inspektionen durchzuführen. Diese ermöglichen es den Mitarbeitern im Außendienst, sogenannte Scheitelkontrollen durchzuführen, ohne auf die Wagen steigen zu müssen, selbst wenn die Oberleitung eingeschaltet ist. [EBA24a]
Ansprechpartner
IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Gefahrguttransport auf der Schiene (Stand des Wissens: 12.04.2024)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?323206
Literatur
[BMVBS05] Projektgruppe "Lagebild Gefahrgut" 5. Lagebild Gefahrgut, Ausgabe/Auflage 5, 2005/07
[BMVBW01x] R. Maiworm, I. Berger, W. Blümke, A. Büchner, P. Hahmann, H. Heckner, K. Rinkewitz, B. Senkel, H. Scheil Lagebild Gefahrgut 2001, 2003
[EBA13b] Schmidt, H., Huckebrink, M. EBA-Jahresbericht 2012/2013, veröffentlicht in Eisenbahn-Bundesamt Jahresbericht, Ausgabe/Auflage 2013, Bonn, 2013/11
[EBA24] Eisenbahnbundesamt (Hrsg.) Meldungen von Ereignissen mit Gefahrgut, 2024
[EBA24a] Eisenbahn-Bundesamt (Hrsg.) Gefahrgutkontrollen, 2024
[EUKOM09h] u. A. Huggins, Dominic Panorama of Transport, 2009, ISBN/ISSN 1831-3280
[GSGe12] GS1 Germany Gefahrguttransporte sollen mit RFID sicherer werden, 2012/08/27
[TÜVS12] TÜV Süd AG Gefahrgut - So kommen ihre Waren sicher an
, 2012
[VDV22c] VDV (Hrsg.) Daten & Fakten: Statistik zum öffentlichen Personennahverkehr und Schienengüterverkehr in Deutschland, 2022/06
Rechtsvorschriften
[RID] Ordnung für die internationale Eisenbahnbeförderung
gefährlicher Güter
Glossar
Schienengüterverkehr
Unter Schienengüterverkehr (SGV) wird der Transport von Gütern mit der Eisenbahn verstanden. Diese werden in Güterzügen unter Verwendung (spezieller) Güterwagen befördert. Diese Verkehre können entweder auf gesonderten Güterverkehrsstrecken oder im Mischverkehr, auf gemeinsam durch den Güter- und Personenverkehr genutzten Strecken, realisiert werden. Leistungen des Schienengüterverkehrs werden häufig als Teil einer Logistikkette in logistische Gesamtkonzepte eingebunden.
Verlader Der Verlader ist derjenige Teilnehmer in der Transportkette, der die Ladung/Transportgut erstmals aufgibt. Unter einem Verlader versteht man ein Unternehmen, das Logistikdienstleistungen (Transport, Verladen etc.) bei einem Logistikdienstleister in Auftrag gibt.
Eisenbahn-Bundesamt Das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) ist Aufsichts- und Genehmigungsbehörde für die Eisenbahnen des Bundes und Eisenbahnunternehmen mit Sitz im Ausland für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Es nimmt darüber hinaus die Landeseisenbahnaufsicht über die nichtbundeseigenen Eisenbahnen auf Weisung und Rechnung von 13 Bundesländern für diese wahr.
BMDV
Bundesministerium für Digitales und Verkehr (bis 10/2005 BMVBW, bis 12/2013 BMVBS und bis 11/2021 BMVI)

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?323198

Gedruckt am Donnerstag, 18. April 2024 12:09:13