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Barrierefreies Reisen: Verkehrsmittel

Erstellt am: 28.01.2003 | Stand des Wissens: 22.09.2022
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TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

Die Rechte mobilitätseingeschränkter Flug- und Bahnreisenden wurden im Jahr 2006 [VOEG1107/2006] und im Jahr 2007 [(EG) Nr. 1371/2007] durch EU-Verordnungen festgelegt.
Die Fluggastterminals größerer Flughäfen sind in der Regel barrierefrei gestaltet. Dazu gehören [Acke97]:
  • Stufen- und schwellenlose Wege von den Behindertenparkplätzen und den Haltestel-len öffentlicher Verkehrsmittel,
  • automatische Türen (Drehtüren sind ungeeignet),
  • Aufzüge und Rampen zur Überwindung von Höhenunterschieden,
  • behindertengerechte Toiletten, Waschräume und öffentliche Fernsprecher,
  • barrierefreie Zugänglichkeit zu allen Einrichtungen wie Restaurants, Geschäfte und Banken,
  • bei mehreren Terminals ein geeigneter Transferdienst,
  • flughafeneigene Rollstühle, die auf Anforderung zur Verfügung gestellt werden können.

Auch die Ausrüstungen und technischen Hilfsmittel für die Überwindung von langen Wegen oder Höhenunterschieden innerhalb des Flughafengebäudes müssen an die Bedürfnisse Behinderter angepasst sein.

Der Zugang zum Flugzeug erfolgt in der Regel über Fluggastbrücken. Diese sind für Mobilitätseingeschränkte gut geeignet. Da nicht alle Flüge über Fluggastbrücken abgefertigt werden können, ist eine Beförderung über das Vorfeld zur Abstellposition des Flugzeugs und eine besondere Einrichtung an Bord zu gelangen, notwendig. Für die Beförderung über das Vorfeld kommen Niederflurbusse zum Einsatz. Die Erreichbarkeit des Flugzeuges selbst wird beispielsweise mit Lift oder Treppen-Kletter-Wagen gewährleistet.
Bei den einzelnen Fluggesellschaften wird unterschiedlich auf die Bedürfnisse Mobilitätsbehinderte reagiert. Einige Airlines stellen Broschüren mit Informationen für den mobilitätseingeschränkten Fluggast zur Verfügung. Aufgrund der begrenzten Anzahl behindertengerechter Sitzplätze in Flugzeugen ist in der Regel eine rechtzeitige Reservierung erforderlich. Die beengten Verhältnisse in Flugzeugen machen es erforderlich, dass Rollstuhlbenutzer einen Rollstuhlwechsel hinnehmen müssen. In Großraumflugzeugen steht gehbehinderten Menschen ein Bordrollstuhl zur Verfügung. Teilweise sind die Sanitäranlagen behindertengerecht ausgebaut. Insgesamt sind Behinderte bei der Benutzung von Flugzeugen jedoch zum großen Teil auf die Hilfe des Bordpersonals angewiesen [BMVBW98]. Hinderlich hinsichtlich der barrierenfreien Benutzung von Flugzeugen ist der zunehmende Kostendruck bei den Fluggesellschaften durch "Billigfluggesellschaften", weshalb zum Beispiel häufig bei Mittel- und Kurzstreckenflügen auf den teueren, aber behindertenfreundlichen Zugang über ein Gateway verzichtet wird.
Von der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen wird eine Broschüre mit "Informationen für behinderte Fluggäste" herausgegeben, die über die Zugänglichkeit der Flughäfen in Deutschland, die dort vorhandenen Hilfsdienste sowie behindertengerechten Hotels in Flughafennähe informiert.
Die Deutsche Bahn berücksichtigt grundsätzlich die Belange von Menschen mit Behinderung [DB14]. Dies gilt für den Nahverkehr wie für den Fernreiseverkehr gleichermaßen.
Seit dem Jahr 2004 wurden für alle neu entwickelten Zugsysteme fahrzeuggebundene Einstiegshilfen im Anforderungsprofil berücksichtigt, da die Höhenunterschiede zwischen Bahnsteigkante und Fahrzeugboden die Hauptbarriere für Gehbehinderte und Rollstuhlbenutzer*innen darstellt.
Inzwischen sind 70 Prozent der Flotte mit fahrzeuggebundenen Einstiegshilfen, Universaltoiletten und digitalen Informationssystemen ausgestattet.
Im Personenfernverkehr sind aktuell alle Züge der Produktkategorie ICE sowie fast alle Züge der Kategorie IC für Reisende mit Rollstuhl zugänglich. In vielen Zügen können zwei bis drei Rollstuhlfahrer gemeinsam reisen. Die überwiegende Anzahl der WC-Räume ist mit tastbaren Piktogramminformationen ausgestattet.

Im Zeitraum 2015 bis 2019 wurde durch Neu- und Umbauten von rund 100 Stationen jährlich die barrierefreie Nutzbarkeit von Personenbahnhöfen erheblich verbessert werden. Dementsprechend entstanden an Bahnhöfen neue barrierefreie Empfangsgebäude, Haltepunkte und barrierefrei ausgebaute Bahnhöfe. Personenbahnhöfe erhielten unter anderem zusätzliche Aufzüge, lange Rampen, integrierte Blindenleitsysteme oder dynamische visuelle Informationsanlagen für Mitfahrende.

Das aktuelle Maßnahmenpaket der Deutschen Bahn AG beläuft sich auf den Zeitraum von 2020 bis 2025 und orientiert sich im Bereich des Fernverkehrs an folgenden Punkten:
  • Sicherung einer Mitnahmekapazität von mindestens zwei Rollstuhlfahrern,
  • ausgeweitete Umsetzung des Zwei-Sinne-Prinzips und
  • Erweiterung diverser Festhaltemöglichkeiten im gesamten Zug [DBAG22].
Im Bereich der DB Regio wird das Handlungsfeld der Service der Kundenbetreuenden eine zentrale Rolle einnehmen. Dabei sollen neben den zur Verfügung stehenden Unterstützungs- und Informationsangeboten auch die praktische Bedienung der Fahrzeugeinrichtungen im Fokus der Qualifizierung (zum Beispiel Anlegen Überfahrrampe) stehen. Zur Verbesserung und Aufrechterhaltung der Handlungssicherheit soll der Umgang mit mobilitätseingeschränkten Reisenden nicht nur Teil der Ausbildung, sondern auch in Form von regelmäßigen Fortbildungen wiederholt und geübt werden. Außerdem sollen Blended Learning- Angebote zur Verfügung stehen, welche die Verzahnung von theoretischem Wissen und praktischer Anwendung weiter verbessert.
Der Ausbau der Informationen für Reisende im Hinblick auf Medien, Kanäle und Inhalte soll gefördert werden. Im Fokus stehen dabei die Weiterentwicklung der App DB Streckenagent, die WLAN-Verfügbarkeit an Bord der Regio-Fahrzeuge, die elektronische Anzeige der Wagenreihung und Funktionsbereiche und die Darstellung von Fahrplanabweichungen auf Basis digitaler Streckennetzpläne [DBAG22].
In der Schifffahrt sind ebenfalls Bestrebungen erkennbar, auf die Belange von behinderten Menschen einzugehen, wobei die Intensität zwischen den einzelnen Schifffahrtsgesellschaften unterschiedlich ist. Vermehrt werden behindertengerechte Schiffe eingesetzt. Die Fährschiffe der Vogelfluglinie ("Deutschland" und "Schleswig-Holstein") verfügen beispielsweise über Behindertentoilette und Aufzüge sowie Zugangsmöglichkeiten für Behinderte zu allen Decks. Auch auf Kreuzfahrtschiffen werden zunehmend behindertengerechte Kabinen angeboten, wie auf der "Europa" oder "Hanseatic". Das Clubschiff "Aida" verfügt zum Beispiel nach Angaben der Reederei über acht Außenkabinen, die rollstuhlgerecht gestaltet sind. Aufgrund der Komplexität sowie der teilweise knappen Raumverfügbarkeit von Schiffen ist eine barrierenfreie Gestaltung schwierig [BMVBW98].
Die Benutzung von Binnenschiffen durch Behinderte und Mobilitätseingeschränkte ist vom Zugang zur Anlegestelle, der Art der Anlegestelle, der Ausstattung der Fahrgastschiffe sowie vom jeweiligen Wasserstand abhängig.

Die Landstege sollten eine lichte Breite von mindestens 0,90 Meter sowie auf beiden Seiten ein Geländer mit je einem Handlauf in 1,00 Meter und 0,75 Meter Höhe aufweisen. Für Rollstuhlfahrer*innen sind im Randbereich quer zur Gehrichtung Leisten mit einer Länge von 0,30 Millimeter und einer Höhe von 30 Millimeter als Gleitschutz aufzubringen.

Die lichte Breite von Verkehrsflächen und Gängen auf dem Schiff sollte mindestens 1,30 Meter betragen. Damit ist die Begegnung von Rollstuhlbenutzer und nichtbehinderter Person gerade noch möglich. Innerhalb der Verkehrsflächen sollen Schwellen weitgehend vermieden werden. Ansonsten darf ihre Höhe 25 Millimeter nicht überschreiten.

Mit Ausnahme der Türen zu den Gängen sollten sich die Türen von Aufenthaltsräumen für Fahrgäste nach außen öffnen lassen. Die lichte Breite der Türen sollte mindestens 0,90 Meter betragen, um sie Personen mit Rollstuhl zugänglich zu machen. Die Türen von behindertengerechten Toiletten sollten sich nach außen öffnen lassen oder besser Schiebetüren sein, deren Verriegelung im Türgriff fest eingebaut ist.

Die Kabinen, die für Behinderte vorgesehen sind, sollten sich möglichst in nur einer Ebene des Schiffes und nicht unter dem Hauptdeck befinden, vorzugsweise auf demselben Deck wie die Aufenthaltsräume. Sofern das Mobiliar in den Aufenthaltsräumen oder auf dem freien Deck fest verankert ist, sollte eine bestimmte Anzahl von Sitzplätzen (zwei bis drei je 100 zugelassene Passagiere) für Personen mit Behinderungen besonders eingerichtet und reserviert werden.
Die Behindertentoiletten und Waschräume sind nach [DIN 18040-1, DIN 18040-3] auszuführen.
Die seit Anfang des Jahres 2013 neu gewonnene Mobilität durch den Einsatz von Fernlinienbussen stellt all Beteiligten vor neue Herausforderungen.
So müssen in Fernlinienbussen mindestens zwei Plätze für Rollstuhlnutzer*innen vorhanden sein [§ 42b PBefG]. Dies gilt ab dem 01.01.2016 für neu zugelassene Fahrzeuge und ab dem 01.01.2020 für alle Fahrzeuge [§ 62 Abs.3 PBefG]. 
An allen für Rollstuhlnutzer*innen vorgesehenen Ein- und Ausstiegen ist entweder eine Rampe mit einer maximalen Neigung von zwölf Prozent oder eine Hubvorrichtung mit einer Mindestbreite der Plattform von 0,80 Meter sowie einer Mindestlänge von 1,20 Meter vorzusehen.

Die Ein- und Ausstiege von Fernlinienbussen sind so anzuordnen, dass das Erreichen speziell vorgesehener Sitzplätze für Fahrgäste mit eingeschränkter Mobilität leicht möglich ist.
Alle für Rollstuhlbenutzer*innen vorgesehenen Türen müssen eine lichte Mindestbreite von 0,90 Meter aufweisen, wobei die Türöffnungen auf jeder Seite mit Handläufen und/oder Haltegriffen zu versehen.
Die Neigung von Gängen, Zugängen oder Fußbodenbereichen zwischen einem Rollstuhlstellplatz und dem Ein- und Ausstieg darf fünf Prozent nicht überschreiten.
Weitere Anordnungen und Empfehlungen hinsichtlich Ausstattungselementen und Betriebsabläufen sind [BSK14] zu entnehmen.
Die meisten Autorvermieter verfügen über behindertengerechte Pkw. Die Reservierung muss aufgrund der begrenzten Verfügbarkeit mindestens 24 Stunden vorher erfolgen. Mit dem Rail & Road Service kann auch an Bahnhöfen des Fernverkehrs ein behindertengerechtes Kraftfahrzeug bestellt werden. Diese Fahrzeuge können zum Beispiel mit Handgeräten zur beinlosen Bedienung, mit linksseitigem Gaspedal, Lenkdrehknopf oder Lenkgabel gemietet werden [BMVBW98].
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Barrierefreie Mobilität (Stand des Wissens: 07.09.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?289388
Literatur
[Acke97] Ackermann, K.;, Bartz, Chr.;, Feller, G. Behindertengerechte Verkehrsanlagen: Planungshandbuch für Architekten und Ingenieure, Werner Verlag, Düsseldorf 1997, 1997, ISBN/ISSN 3804110541; 9783804110540
[BMVBW98] Blennemann, Friedhelm,, Grossmann, Helmut Gästefreundliche, behindertengerechte Gestaltung von verkehrlichen und anderen Infrastruktureinrichtungen in Touristikgebieten - Ein Handbuch für Planer und Praktiker, veröffentlicht in direkt, Ausgabe/Auflage Heft 52, 1998
[BSK14] Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter e.V. (BSK), Krautheim (Hrsg.) Barrierefreiheit in Fernlinienbussen, Allgemeine Anforderungen an die barrierefreie Gestaltung von Fernlinienbussen, 2014/10
[DB14] DB Mobility Logistics AG (Hrsg.) Mobil mit Handicap
Angebote und Services für mobilitätseingeschränkte Reisende, Frankfurt am Main, 2014/01/01
[DBAG22] Deutsche Bahn AG Konzern (Hrsg.) Programme zur Barrierefreiheit der Deutschen Bahn AG, 2022
[DIN 18040-1] o.A. DIN 18040-1, Beuth Verlag, Berlin, 2010/10
[DIN 18040-3] o.A. DIN 18040-3, Beuth Verlag, Berlin, 2014/12
Weiterführende Literatur
[Wahl06] Wahlster, M. N., Vollmer, P. E., Becker, J. Fahrgastinformation für mobilitätseingeschränkte Menschen. Projekt barrierefreie ÖV-Information schließt erste Phase ab., veröffentlicht in Der Nahverkehr, Ausgabe/Auflage Heft 9, Alba Fachverlag, 2006
[DB97] o.A. Informationen für behinderte Reisende, 1997
[(EG) Nr. 1371/2007] Verordnung (EG) Nr. 1371/2007 über die Rechte und Pflichten der Fahrgäste im Eisenbahnverkehr
[PBefG] Personenbeförderungsgesetz (PBefG)
[VOEG1107/2006] Verordnung (EG) Nr. 1107/2006
Glossar
App
Ist eine Abkürzung für den Fachbegriff Applikation (App) und bezeichnet eine Anwendungssoftware, die für mobile Endgeräte, wie Smartphone oder Tablet-PC entwickelt wurde. Apps können als Zusatzsoftware auf mobilen Endgeräten installiert werden und erweitern dadurch deren Funktionsumfang. Je nach Betriebssystem kann der Nutzer auf eine Vielzahl von mobilen Applikationen auf dem vom Betriebssystem bereitgestellten Marktplatz kostenpflichtig oder kostenlos zugreifen.
WLAN
Als Wireless Local Area Network (WLAN, deutsch: drahtloses lokales Netzwerk) wird ein lokales Funknetz und dessen verschiedene Techniken und Standards bezeichnet.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?31132

Gedruckt am Samstag, 20. April 2024 15:04:14