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Wirtschaftliche Bedeutung des barrierefreien Tourismus

Erstellt am: 28.01.2003 | Stand des Wissens: 22.09.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

Die Tourismuswirtschaft ist eine der Wachstumsbranchen der deutschen Wirtschaft mit Ausnahme des letzten Jahres. Bedingt durch die Corona-Krise sanken die Reiseausgaben der Deutschen im Jahr 2020 auf circa 32 Milliarden Euro ein Minus von 54 Prozent gegenüber 2019. Im Jahr 2021 sanken die Reiseausgaben erneut und beliefen sich auf 28,8 Milliarden Euro. Dementsprechend sank der Anteil der Reiseausgaben gegenüber 2020 um 9,7 Prozent [DRV22].

Dem Reiseaufkommen behinderter und in ihrer Bewegung eingeschränkter Menschen kommt inzwischen ebenfalls eine beachtliche wirtschaftliche Bedeutung zu [Gugg98].
Ende 2021 waren fast 7,8 Millionen schwerbehinderte Menschen in Deutschland statistisch erfasst. Dies entspricht einem Bevölkerungsanteil von etwa 9,5 Prozent [Dest22q].
[BMWA03a] hat erstmals belegt, "[...]dass die Gruppe der mobilitäts- oder aktivitätseingeschränkten Reisenden von großer wirtschaftlicher Attraktivität für die deutsche Reisebranche ist." [BMWi08, S. 10]. Nach [BMWA03a] wird der Nettoumsatz von Urlaubern mit Mobilitätseinschränkung (Urlaube und Kurzurlaube) auf 2.500 Millionen Euro geschätzt [BMWA03a, S. 26]. Davon entfällt mit 39 Prozent der größte Anteil auf die Unterkunft [BMWA03a, S. 27, Abb. 7]. Etwa drei Prozent werden für den lokalen Transport aufgewendet [BMWA03a, S. 27, Abb. 7].
Das Gesamtumsatzvolumen wird damit auf rund drei Milliarden Euro beziffert. Damit ist aber nur ein Teil der Gruppe behinderter Menschen abgebildet, denn in Deutschland sind weit mehr als 20 Prozent der Bevölkerung mobilitätsbehindert im weiteren Sinne.

Mit dem Ziel der "[...] Schaffung und Umsetzung verlässlicher Standards für die Erfassung, Bewertung und Darstellung barrierefreier Angebote in Hotellerie und Gastronomie" [DEHOGA05, S. 2, § 1], existiert seit dem 12.03.2005 (auf Grundlage des § 5 Behindertengleichstellungsgesetz [BGG]) eine Zielvereinbarung zwischen den Behinderten- und Unternehmensverbänden. Weitere Informationen sind [DEHOGA05] zu entnehmen.

Bis zum Jahr 2020 wird die Zahl der Reisen von älteren und behinderten Personen innerhalb der EU auf 862 Millionen Reisen pro Jahr steigen.
Ältere und Behinderte geben durchschnittlich 80 Euro für einen Tagesausflug, 700 Euro für einen Mehrtagesurlaub in ihrem Heimatland sowie 1100 EUR für einen Mehrtagesurlaub im EU-Ausland aus [Neum14].
1.Abbildung 1: Direkte, indirekte und induzierte Effekte des barrierefreien Tourismus des EU-Marktes Die Tabelle vergleicht die direkten, indirekten und induzierten Effekte des barrierefreien Tourismus des EU-Marktes aus dem Jahre 2003 und 2020. Der Gesamtumsatz des barrierefreien Tourismus betrug im Jahr 2003 786 Milliarden Euro. Die Bruttowertschöpfung belief sich auf 356 Milliarden Euro, der Beitrag zum Bruttoinlandprodukt auf 394 Milliarden Euro. Arbeitskraftäquivalente betrugen acht Komma sieben Millionen. Der Gesamtumsatz des barrierefreien Tourismus betrug im Jahr 2020 1073 Milliarden Euro. Die Bruttowertschöpfung belief sich auf 484 Milliarden Euro, der Beitrag zum Bruttoinlandprodukt auf 537 Milliarden Euro. Arbeitskraftäquivalente betrugen wölf Komma eins Millionen.
Abb. 1: Direkte, indirekte und induzierte Effekte des barrierefreien Tourismus des EU-Marktes

Gäste aus der EU, die besonders auf Barrierefreiheit angewiesen sind, generieren derzeit einen Gesamtumsatz von 786 Milliarden Euro. Unter der Annahme einer deutlichen Steigerung der Barrierefreiheit tourismusrelevanter Einrichtungen könnte der Beitrag dieser Gruppe um circa 40 Prozent steigen.

Um diese hohen Potenziale des barrierefreien Tourismus ausschöpfen zu können, sollten künftig folgende Aspekte entsprechende Berücksichtigung finden:

  • Die Entwicklung des barrierefreien Tourismus ist ein laufender Prozess, bei dem verschiedene Partner über einen längeren Zeitraum konzentriert zusammenarbeiten müssen.
  • Der barrierefreie Tourismus erfordert ein großes Know-how der Leistungsträger und Destinationen sowie den Wissensaustausch untereinander.
  • Die Barrierefreiheit betrifft nicht nur die Infrastruktur, sondern den Service gleichermaßen.
    Deshalb muss das gesamte Personal über umfangreiche Kenntnisse hinsichtlich des Umganges mit Behinderten verfügen.
  • Die barrierefreien touristischen Angebote sollten generell in den Standardmedien Eingang finden.




Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Barrierefreie Mobilität (Stand des Wissens: 07.09.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?289388
Literatur
[BMWA03a] Neumann, Peter, Dr., Allemeyer, Werner, Dr., et al. Ökonomische Impulse eines barrierefreien Tourismus für alle, veröffentlicht in BMWA-Dokumentation, Ausgabe/Auflage Nr.: 526, Münster und Berlin, 2003/11, ISBN/ISSN 0342 - 9288
[BMWi08] Neumann, P., Pagenkopf, K., Schiefer, J., Lorenz, A. Barrierefreier Tourismus für Alle in Deutschland - Erfolgsfaktoren und
Maßnahmen zur Qualitätssteigerung, Berlin, 2008/08
[DEHOGA05] Zielvereinbarung nach § 5 Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) zwischen Unternehmens- und Behindertenverbänden, Berlin, 2005/03/12
[Dest22q] Statistisches Bundesamt (Hrsg.) Schwerbehinderte Menschen am Jahresende, 2022/6/22
[DRV22] Deutscher Reiseverband (DRV), Berlin (Hrsg.) Der deutsche Reisemarkt, Zahlen und Fakten 2021, 2022/3/9
[Gugg98] Gugg, E. , Hank-Haase, G. Tourismus für behinderte Menschen, Angebotsplanung, Angebotsumsetzung, Öffentlichkeitsarbeit in der Tourismusbranche, veröffentlicht in Gastgewerbliche Schriftenreihe DEHOGA, Ausgabe/Auflage Heft 83, 1998
[Neum14] Ökonomische Bedeutung und Reisemuster im barrierefreien Tourismus in Europa, 2014
Weiterführende Literatur
[HSVV06] Anders, Gerd,, et al. Unbehinderte Mobilität, 2006/12
[BGG] Behindertengleichstellungsgesetz (BGG)
Glossar
Barrierefreiheit
Barrierefreiheit bedeutet, dass bauliche und sonstige Anlagen, Verkehrsmittel, technische Gebrauchsgegenstände, Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche für Menschen mit Behinderung in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe zugänglich und nutzbar sind.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?31095

Gedruckt am Freitag, 19. April 2024 01:15:08