Marktprognosen und Entwicklungstendenzen im Schienenpersonenfernverkehr
Erstellt am: 01.04.2010 | Stand des Wissens: 04.07.2018
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TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Verfügbare Verkehrsprognosen legen nahe, dass im Zuge der allgemein wachsenden Mobilitätsnachfrage auch die Verkehrsleistung des Personenverkehrs wachsen wird. Dies trifft auch auf die Leistungen des Schienenpersonenverkehrs zu, sowohl auf europäischer Ebene als auch in der Bundesrepublik Deutschland.
Europa
Hinsichtlich der Schienenpersonenverkehrsleistung wird durch die European Environment Agency (EEA) ein kontinuierliches aber nur moderates Wachstum für die Europäische Union (EU) bis 2030 prognostiziert. Der Großteil des Verkehrsleistungswachstums im Personenverkehr entfällt auf die konkurrierenden Verkehrsträger Straße und Luftverkehr. Abbildung 1 zeigt, dass dabei der Straßenverkehr am stärksten wachsen soll. [EuKo2011, S. 136 f.]

In ihrem "Weißbuch Verkehr" von 2011 unterscheidet die Europäische Kommission zwischen vier verschiedenen Entwicklungsszenarien (s. a. [EuKo2011, S. 40 f.]). Bei der Prognose für das Szenario Nr. 1 "No additional EU action" wäre die Bahn - gemessen an der Verkehrsleistung - bis 2050 nur sehr begrenzt in der Lage, Marktanteile zu gewinnen (Abbildung 2), während insbesondere der Luftverkehr größere Anteile hinzugewinnen kann. Unter der Voraussetzung der Fertigstellung des europäischen Binnenmarkts, einer entwickelten Infrastruktur, Preisgestaltung und Besteuerung (Szenarion Nr. 2) wäre laut Angaben der Kommission eine Steigerung des Modal Split-Anteils der Schiene auf bis zu 13,4 Prozent (2050) möglich. [EuKo2011, S. 59]

Bundesrepublik Deutschland
Für das Jahr 2018 wird für den Personenverkehr in Deutschland ein nahezu identisches Wachstum im Vergleich zu den Vorjahren prognostiziert. Hinsichtlich des Verkehrsaufkommen wird von einem Plus von 1,3 Prozent beziehungsweise 1,5 Prozent bei der Verkehrsleistung ausgegangen. Für die kommenden Jahre wird darüber hinaus ein Nachfrageanstieg von rund 1,1 Prozent pro Jahr (Aufkommen) beziehungsweise 1,3 Prozent (Leistung) prognostiziert. In der Mittelfristprognose bis 2021 positioniert sich der Eisenbahnverkehr (inklusive Nahverkehr) mit einem Wachstum von 1,9 Prozent pro Jahr (Aufkommen) beziehungsweise 2,3 Prozent (Leistung) deutlich vor dem Individualverkehr, bleibt aber klar hinter dem Luftverkehr zurück (Abbildung 3) [SSPC18, S. 44, S. 59].

Im intermodalen Vergleich wird ein wesentlich schnelleres Wachstum für den Luftverkehr prognostiziert (Verkehrsleistung 2010 bis 2030: + 64,8 Prozent). Ebenfalls steigen soll die Leistung des motorisierten Individualverkehrs (+ 9,9 Prozent) sowie des öffentlichen Busverkehrs (+ 6,0 Prozent), wobei die Bahn der am stärksten wachsende landgebundene Verkehrsträger bleiben wird. [ITP14a, S. 232] Die Entwicklung der Verkehrsträger unter Einbezug des nichtmotorisierten Verkehrs zeigt Abbildung 4.
Die Verkehrsleistung des Schienenpersonenfernverkehrs (SPFV) soll im Zeitraum 2010 bis 2030 von 36 auf 41 Milliarden Personenkilometer wachsen (+ 13 Prozent). Angenommen, dass ein Teil des zukünftigen Nachfrageanstiegs durch eine bessere Auslastung der Fahrzeuge aufgefangen werden kann, wird von einem Wachstum der Betriebsleistung von 145 auf rund 149 Milliarden Fahrzeugkilometern ausgegangen (+ 3 Prozent). [ITP14a, S. 348] Im Zuge der Nachfragezuwächse im SPFV können sich bereits im Horizont weniger Jahre deutliche [streckenbezogene] Überlastungseffekte im deutschen Schienennetz zeigen. Korridore mit den stärksten Nachfragezuwächsen im Zeitraum 2010-2030 sind, wie durch den Deutsche Bahn AG Konzern ermittelt, in Abbildung 5 dargestellt.