Forschungsinformationssystem des BMVI

zurück Zur Startseite FIS

Akteure im deutschen und europäischen Schienenpersonenfernverkehr

Erstellt am: 01.04.2010 | Stand des Wissens: 22.04.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

Verglichen mit dem Schienenpersonennahverkehr (SPNV) stellt der Schienenpersonenfernverkehr (SPFV) in der Bundesrepublik Deutschland einen Bereich mit ausgesprochen geringer staatlicher Eingriffstiefe dar. Die eingesetzten Zugangsregulierungsmechanismen sollen wettbewerbsbelebend wirken und auf diesem Wege im Markt befindliche Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) dazu zwingen, ihre Beförderungsangebote verstärkt an bestehenden Nachfragebedürfnissen auszurichten. Eine Intention, welche sich in diesem Gesamtmarktsegment bisher nur bedingt umsetzen ließ, da intensive Wettbewerbsbeziehungen zwischen EVU nicht festzustellen sind [BrMi08, S. 42]. Seit 2011 ist jedoch eine zunehmende Bereitschaft seitens privater EVU zu erkennen, sich dem intramodalen Wettbewerb im SPFV-Markt zu stellen. So sind 2011/12 insgesamt sieben neue Marktteilnehmer in den europäischen SPFV-Markt eingestiegen, teilweise mit internationalen Angeboten [Hugh12, S. 35]. Im Jahr 2019 lag der Marktanteil der Wettbewerber bei etwa vier Prozent. Aufgrund der Corona-Pandemie betrug der verkehrsleistungsbezogene Marktanteil von Wettbewerbern außerhalb des Deutsche Bahn AG Konzerns (DB AG) im deutschen SPFV 2020 lediglich zwei Prozent [BNet21, S. 16].
Bis dato hat sich die Anzahl der Akteure im deutschen, aber auch europäischen SPFV fast ausschließlich auf die Staatsbahnen beziehungsweise ihre Nachfolgeunternehmen beschränkt. Hinzu kamen im internationalen Verkehr von den Staatsbahnen getragene Joint Ventures oder andere Formen von Kooperationen [MON09, S. 57].

Bezüglich der Infrastrukturbereitstellung sind die EVU auf weitere Akteure angewiesen, die sogenannten Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU). Gemäß §2 (3) AEG umfasst die Eisenbahninfrastruktur die Betriebsanlagen der Eisenbahnen einschließlich der Bahnstromfernleitungen. Als Eisenbahninfrastrukturunternehmen ist dabei die DB AG in Deutschland mit ihren jeweiligen Infrastruktur-Tochterunternehmen dominierend (Abbildung 1). Neben der dargestellten Gleisinfrastruktur und den Personenbahnhöfen ist die Bahnenergieversorgung von besonderer Bedeutung.

308139_Abbildung_1.pngAbbildung 1: Deutsche EIU, Marktanteil 2006 (Bezug: Gleislänge, eigene Darstellung nach [BNetzA08, S. 11])

Aufgrund des offensichtlichen Quasimonopols der DB AG im innerdeutschen SPFV und des ausschließlichen Eigentümerstatus des Bundes an diesem Unternehmen ist auch die Politik in die Betrachtung bedeutender SPFV-Akteure mit einzubeziehen. So wurden beispielsweise in der Vergangenheit durch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) Interventionen hinsichtlich der Fahrpreisgestaltung vorgenommen, obwohl die DB Fernverkehr AG im Rahmen ihrer eigenwirtschaftlich zu betreibenden Geschäfte prinzipiell Gestaltungsfreiheit genießt [BrMi08, S. 13 und 42]. Ferner betreffen die seitens der Monopolkommission sowie der Bundesnetzagentur getroffenen Entscheidungen zum Teil massiv die Handlungs[spiel]räume der EIU im SPFV.
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Der Markt des Schienenpersonenfernverkehrs (Stand des Wissens: 19.09.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?308244
Literatur
[BNet21] Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen (Hrsg.) Marktuntersuchung Eisenbahnen 2021 - Sonderausgabe -, 2021/07
[BNetzA08] o. A. Tätigkeitsbericht 2007 für den Bereich Eisenbahnen, Bonn, 2008/04
[BrMi08] Mitusch, Kay, Prof. Dr., Brenck, Andreas, Dr., Dams, Jan Verbrauchererwartungen an Dienstleistungsqualität im Bahnverkehr, 2008/12/08
[Hugh12] Hughes, Murray Inter-city rivals break cover, veröffentlicht in Railway Gazette International, Ausgabe/Auflage 01/2012, Reed Business Publ., Sutton Surrey (UK), 2012/01, ISBN/ISSN 0373-5346
[MON09] Monopolkommission Sondergutachten 55: Bahn 2009: Wettbewerb erfordert Weichenstellung, Nomos Verlagsgesellschaft / Baden-Baden , 2009
Rechtsvorschriften
[AEG] Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG)
Glossar
Eisenbahninfrastrukturunternehmen Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU) ist ein Rechtsbegriff des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG). Gemäß § 2 Abs. 1 AEG sind Eisenbahninfrastrukturunternehmen öffentliche Einrichtungen oder privatrechtlich organisierte Unternehmen die eine Eisenbahninfrastruktur betreiben.
Schienenpersonennahverkehr
Gemäß Regionalisierungsgesetz (RegG) § 2 handelt es sich bei einer auf der Schiene erbrachten Beförderungsdienstleistung um ein Angebot des Nahverkehrs, "wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle [...] die gesamte Reiseweite 50 Kilometer oder die gesamte Reisezeit eine Stunde nicht übersteigt" [RegG, § 2]. Zur Erfüllung der Daseinsvorsorge wird der Schienenpersonennahverkehr (SPNV) von den Ländern bestellt und unterstützt. Der SPNV ist eine Sonderform des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Der ÖPNV ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert, der SPNV zusätzlich noch im Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG).
BMDV
Bundesministerium für Digitales und Verkehr (bis 10/2005 BMVBW, bis 12/2013 BMVBS und bis 11/2021 BMVI)
Eisenbahninfrastrukturunternehmen
Zur Erhaltung des Schienennetzes zählen Maßnahmen zur Instandhaltung und für die Durchführung von Ersatzinvestitionen. Grundsätzlich tragen die Eisenbahninfrastrukturunternehmen die dabei anfallenden Kosten, werden aber nach der LuFV vom Bund mit einem bestimmten Betrag jährlich unterstützt.
EVU Eisenbahnverkehrsunternehmen
Schienenpersonenfernverkehr
Der Schienenpersonenfernverkehr (SPFV) ist die Beförderung von Reisenden mit Eisenbahnzügen über längere Strecken mit mehr als einer Stunde Fahrzeit oder 50 km Entfernung. Im Gegenzug zum Schienenpersonennahverkehr (SPNV) bzw. dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) wird der SPFV eigenwirtschaftlich betrieben und muss sich betriebsökonomisch selbst tragen.
Eisenbahnverkehrsunternehmen Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) sind öffentliche Einrichtungen oder privatrechtlich organisierte Unternehmen, die Eisenbahnverkehrsleistungen erbringen. "Eisenbahnverkehrsunternehmen" stellt einen europarechtlichen Begriff dar, welcher durch nationales Recht in Form von § 2 (1) des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) konkretisiert wird.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?308139

Gedruckt am Dienstag, 16. April 2024 06:25:32