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Bedeutung von Kontrahierungsproblemen

Erstellt am: 25.03.2010 | Stand des Wissens: 16.06.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Bauhaus-Universität Weimar, Professur Infrastrukturwirtschaft und -management - Prof. Dr. Thorsten Beckers
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch

Die Transaktionskostentheorie und die positive Prinzipal-Agent-Theorie verweisen darauf, dass die Eignung von Koordinations- und Vertragsformen durch die Beschreib- und Messbarkeit von Transaktionen beeinflusst wird, wobei unter anderem der Einfluss von Umweltunsicherheit auf die Beschreib- und Messbarkeit zu berücksichtigen ist [z. B. RiFu03a]. Bei einer schlechten Beschreib- und Messbarkeit besteht bei vertraglichen Vereinbarungen die Gefahr, dass versucht wird, vereinbarte Leistungen und speziell vereinbarte Qualitätsniveaus nur in einer suboptimalen Form zu erbringen. Insofern führen eine schlechte Beschreib- und Messbarkeit von Transaktionen zu so genannten "Kontrahierungsproblemen". Bei Vorliegen von Kontrahierungsproblemen reduziert sich die Eignung von Koordinationsformen, bei denen hohe Anreize gesetzt werden. Beispielsweise nimmt dann die relative Eignung einer idealtypischen vertraglichen Aufgabenübertragung von einem Unternehmen an einen Lieferanten im Vergleich zur Eigenerstellung durch das Unternehmen ab.

Regulierung ähnelt Vertragsabschlüssen, denn die Vorgabe von Regulierungsrestriktionen kann als Vertrag zwischen dem Regulierer und dem regulierten Unternehmen interpretiert werden. In diesem Zusammenhang kann eine schlechte Beschreib- und Messbarkeit der von einer Regulierung abgedeckten Transaktionen bei anreizorientierten Verfahren zu Qualitätsproblemen führen. Damit einhergehend nähme die relative Vorteilhaftigkeit anreizorientierter Verfahren im Vergleich zu einer Kostenzuschlagsregulierung ab. 

Die Qualität, mit der Leistungen vom regulierten Unternehmen den Nutzern angeboten werden, wird auch als Angebotsqualität bezeichnet. Bei einer Anreizsetzung im Hinblick auf eine effiziente Leistungserstellung kann es für ein gewinnorientiertes reguliertes Unternehmen rational sein, Kosten einzusparen, indem die Angebotsqualität reduziert wird, wenn dies für den Regulierer aufgrund einer schlechten Beschreib- und Messbarkeit nicht oder nur unter Inkaufnahme hoher Transaktionskosten nachgewiesen und verhindert werden kann. Derartigen Problemen, die in der Vergangenheit bei der Anreizregulierung in verschiedenen Sektoren zu beobachten gewesen sind, kann allerdings entgegengewirkt werden [BuRi04]. Wie bereits vorstehend dargestellt, kann die Zuordnung von Nachfragerisiko an das regulierte Unternehmen einen Anreiz etablieren, keine Qualitätsreduktionen durchzuführen. Weiterhin können Malus-Systeme oder Bonus-Malus-Systeme im Hinblick auf die Angebotsqualität implementiert werden, mit denen zu vergleichsweise geringen Transaktionskosten monetäre Anreize zur Bereitstellung einer nachfragegerechten Qualität gesetzt werden können. Auch "weiche" Maßnahmen, wie Berichtspflichten und Nutzerkonsultationen zu Qualitätsfragen, können Kontrahierungsprobleme bezüglich der Angebotsqualität reduzieren. Die bei der Anreizregulierung der britischen Flughäfen gesammelten Erfahrungen und inzwischen entwickelten Mechanismen zur Gewährleistung einer adäquaten Qualitätsbereitstellung durch einen regulierten Flughafen stellen eine geeignete Basis dar, um entsprechenden Qualitätsproblemen bei einer kostenorientierten Anreizregulierung erfolgreich entgegenzuwirken [z. B. CAA07].

Im Zusammenhang mit Kontrahierungsproblemen und der damit einhergehenden Problematik von Qualitätsreduktionen steht auch die bei der Anreizregulierung in einigen Fällen in der Vergangenheit zu beobachtende Unterlassung von Ersatzinvestitionen durch ein reguliertes Unternehmen [BuRi04]. Anreizregulierte Unternehmen können ihren Gewinn (zumindest kurzfristig) unter Umständen erhöhen, indem sie Ersatzinvestitionen unterlassen und bei laufenden Wartungsausgaben Einsparungen vornehmen - auch wenn dies bei einer langfristigen Betrachtung zu Kostensteigerungen führt und damit einer lebenszyklusorientierten Erhaltungsstrategie bezüglich existierenden Anlagevermögens und insbesondere bezüglich langlebiger Infrastrukturbauten entgegensteht. Eine derartige Strategie ist aus Sicht eines gewinnorientierten Unternehmens auch langfristig rational, wenn es erwarten kann, dass zukünftig erhöhte Ausgaben und Kosten infolge der zwischenzeitlichen suboptimalen Erhaltungsstrategie vom Regulierer insofern genehmigt werden, als dass sie bei der Preissetzung ansatzfähig sind.

Um derartige ineffiziente Erhaltungs- und Ersatzinvestitionsstrategien eines regulierten Unternehmens zu unterbinden, kann ein Regulierer zunächst versuchen, Commitments abzugeben, das heißt glaubhaft zu versichern, dass er langfristig das regulierte Unternehmen für suboptimale Reinvestitionsstrategien haften lässt. Allerdings ist es zur Umsetzung dieses Ansatzes erforderlich, dass der Regulierer zukünftig (a) selbst identifizieren und (b) nachweisen kann, dass dann vom Unternehmen geplante Ausgaben beziehungsweise Kosten aufgrund früherem ineffizienten Verhalten des Unternehmens anfallen und insofern nicht bei der Preissetzung berücksichtigt werden dürfen. Es erscheint fraglich, ob dieser Ansatz auf Seiten des Regulierers oftmals umsetzbar ist.

Weiterhin kann ein Regulierer ineffizienten Erhaltungsstrategien entgegenwirken, indem er Vorgaben zum Zustand der Substanz ("Substanzqualität") von Anlagevermögen, speziell Infrastrukturbauten, zum Ende der jeweils anstehenden Regulierungsperiode definiert. Allerdings ist es dafür zum einen erforderlich, dass der Regulierer in der Lage ist, effiziente Erhaltungsstrategien zu identifizieren, womit er quasi Managementaufgaben übernähme. Das dafür erforderliche Know-how wird der Regulierer kaum besitzen und eine Einbeziehung von Beratern kann unter Umständen aufgrund von Kontrahierungsschwierigkeiten nur eine begrenzt zufriedenstellende Lösung darstellen. Zum anderen ist zur erfolgreichen Umsetzung dieses Ansatzes erforderlich, dass die Substanzqualität des Anlagevermögens, speziell der Infrastrukturbauten, gut beschreibbar ist, was in der Praxis regelmäßig nur begrenzt der Fall ist.

Eine weitere mögliche Strategie zur Vermeidung der dargestellten Probleme aufgrund unterlassener Ersatzinvestitionen durch das regulierte Unternehmen besteht darin, dass Vorgaben des Regulierers erfolgen oder alternativ Vereinbarungen zwischen Nutzern und reguliertem Unternehmen, gegebenenfalls unter Einbeziehung des Regulierers, abgeschlossen werden, in denen die vom Unternehmen in der kommenden Regulierungsperiode durchzuführenden Investitionen festgelegt sind [CAA07]. Die mit der Umsetzung derartiger Investitionspläne verbundenen Ausgaben beziehungsweise Kosten werden dann vom Regulierer berücksichtigt, wenn er die Regulierungsrestriktion aufstellt. Nutzer können in die Aufstellung derartiger Pläne zunächst ihr Know-how über die Funktionsweise von Flughäfen und das Zusammenwirken der verschiedenen Wertschöpfungsstufen des Luftverkehrs einbringen. Weiterhin sind sie besonders geeignet, um zu bewerten, ob es sich "lohnt" die mit bestimmten Investitionsmaßnahmen einhergehenden Preiserhöhungen zu tragen.

Vor dem Hintergrund, dass - wie die Erfahrungen aus Großbritannien zeigen - Mechanismen vorliegen, um bei der Flughafenregulierung grundsätzlich erfolgreich den mit Kontrahierungsschwierigkeiten potenziell einhergehenden Problemen bezüglich der Angebotsqualität und Ersatzinvestitionen entgegenzuwirken, kann die kostenorientierte Anreizregulierung als geeignetes Verfahren für eine Ex-ante-Regulierung von marktmächtigen Flughäfen eingestuft werden.
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Flughafenregulierung (Stand des Wissens: 16.06.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?302668
Literatur
[BuRi04] Burns, P., Riechmann, C. Regulatory Instruments and Investment Behaviour, veröffentlicht in Utilities Policy, Ausgabe/Auflage Vol. 12, No. 4, 2004
[CAA07] Civil Aviation Authority (CAA) CAA publishes price control proposals for Heathrow and Gatwick, 2007
[RiFu03a] Richter, R., Furubotn, E. G. Neue Institutionenökonomik, Ausgabe/Auflage 3. Auflage, Mohr Siebeck Tübingen, 2003

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?302257

Gedruckt am Freitag, 19. April 2024 10:37:02