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Lkw-Maut in Deutschland aus Sicht des Kombinierten Verkehrs

Erstellt am: 25.03.2010 | Stand des Wissens: 12.06.2023
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Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. Dr. h.c. W. Kersten

Im Masterplan Güterverkehr und Logistik des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) wird die Maut als Mittel zur Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur sowie, nach entsprechender Weiterentwicklung, als ein Instrument der Verkehrssteuerung bezeichnet [BMVBS08d, S. 17, 31]. Im Aktionsplan Güterverkehr und Logistik vom BMVI ist geregelt, dass seit dem 1. Oktober 2015 durch die Ausweitung der Lkw-Maut auch Fahrzeuge ab 7,5 Tonnen mautpflichtig sind. Zudem trat zum 01.07.2018 mit der dritten Stufe eine erneute Ausweitung der Lkw-Maut ein. Ab da sind alle rund 40.000 Kilometer an Bundesstraßen mit in die Lkw-Maut aufgefasst worden [BMVI19g]. Die Höhe der Gebühr hängt von Entfernung, Anzahl der Achsen und in wesentlichem Maße von der Emissionskategorie ab. Zudem werden bei der Berechnung des Mautbetrags die Lärmemissionen der Fahrzeuge mit einbezogen. Des Weiteren wurden ab dem 01.01.2019 Gewichtsklassen eingeführt. Die derzeit geltenden Maut-Tarife der Firma Toll Collect sind seit dem 01.01.2019 gültig. Damit wird eine gerechtere Erhebung der Maut in Bezug auf die Benutzung und Abnutzung der Straßeninfrastruktur angestrebt. Das heißt, dass vor allem leichtere Fahrzeuge (Fahrzeuge mit einem Gesamtgewicht von 7,5 bis zu 18 Tonnen), die weniger zu Schäden an der Infrastruktur beitragen, entlastet werden sollen im Vergleich zum schweren Lastverkehr [BMVI19g].
Da die Maut sowohl für Last- als auch für Leerfahrten zu entrichten ist, wurden im Transportgewerbe Anstrengungen zur Erhöhung der Produktivität unternommen und der Anteil an Leerfahrten im Fernverkehr auf 9 Prozent gesenkt [BAG06g, S. 16]. Aus der Perspektive des Kombinierten Verkehrs und des intermodalen Wettbewerbs stellt die Maut eine Verbesserung der Wettbewerbsposition dar. Eine Verlagerung des Straßengüterfernverkehrs auf andere Verkehrsträger oder multimodale Transportketten ist mit dieser Einzelmaßnahme nicht erreichbar.
Dreieck.pngAbbildung 1: Vorgehensweise zur Bestimmung des über den Preis verlagerbaren Anteils des Straßengüterverkehrs in der Studie [in Anlehnung an [BaJa06, S. 21])
Laut dem Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) e.V., kommt es zu einer Verlagerung ab einer durchschnittlichen Zusatzbelastung von 1 Euro pro Kilometer [BaJa06, S. 34]. Insgesamt können nach der Berechnung jedoch in Deutschland und Frankreich nur 1,2 Prozent des Straßengüterverkehrsaufkommens (58,8 Mio. Tonnen) überhaupt verlagert werden (vergleiche Abbildung 1 zur Vorgehensweise bei der Bestimmung dieses Anteils). Qualitätsverbesserungen und strukturelle Maßnahmen im Eisenbahnangebot könnten diesen Anteil auf 4,1 Prozent erhöhen [BaJa06, S.26]. Eine Verlagerung durch eine Maut von 1 Euro pro Lkw-Kilometer hätte eine volkswirtschaftliche Mehrbelastung von 50 Milliarden Euro zu Folge. Unternehmen müssten 1,3 Prozent Zusatzkosten kalkulieren [BaJa06, S. 30; Bulh06].
Gemäß den EU-Richtlinien [2006/38/EG] und den Ausführungen im Masterplan Güterverkehr und Logistik dient die Maut der Deckung der Infrastrukturkosten. In einer Studie [DIW09] hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) im Auftrag von ADAC, BGL und dem Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) die Wegekosten und Wegeeinnahmen im Jahr 2007 untersucht. Externe Kosten wurden nicht betrachtet. Demnach entfielen auf mautpflichtige Fahrzeuge Wegekosten in Höhe von 1,2 Milliarden Euro auf Autobahnen [DIW09, S. 11]. Dem standen Einnahmen aus Energie- und Kfz-Steuern und Maut (3,3 Milliarden Euro) für diese Fahrzeuggruppe in Höhe von 6,8 Milliarden Euro auf Autobahnen gegenüber. Bezogen auf das gesamte Straßennetz jedoch liegt dem DIW zufolge der Deckungsbeitrag der Wegekosten inländischer Fahrzeuge bei 99 Prozent und ausländischer bei 54 Prozent [DIW09, S. 16]. Dies spricht für eine Ausdehnung der Maut auf weitere Teile des Straßennetzes.
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. Dr. h.c. W. Kersten
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Gesetze und politische Zielvorgaben im Kombinierten Verkehr (Stand des Wissens: 12.06.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?321686
Literatur
[BAG06g] o.V. Eineinhalb Jahre streckenbezogene Lkw-Maut - Auswirkungen auf das deutsche Güterverkehrsgewerbe, Bundesamt für Güterkraftverkehr, Köln, 2006/11
[BaJa06] TransCare GmbH, Barckhausen, Undine, Jahncke, Ralf, Zima, Katrin Einfluss der Lkw-Maut auf den Modal-Split zwischen Schiene und Straße, 2006/03
[BMVBS08d] Bundesministerium für Digitales und Verkehr Masterplan Güterverkehr und Logistik, Berlin, 2008/09
[BMVI19g] Bundesministerium für Digitales und Verkehr Lkw-Maut, 2019
[Bulh06] Bulheller, Martin Verlagerung auf die Schiene muss teuer erkauft werden, veröffentlicht in Internationales Verkehrswesen, Ausgabe/Auflage 07+08/07, Deutscher Verkehrs-Verlag GmbH/Hamburg , 2006/07, ISBN/ISSN 0020-9511
[DIW09] Link,Heike, Kalinowska,Dominika, Kunert,Uwe, Radke,Sabine Wegekosten und Wegekostendeckung des Straßen- und Schienenverkehrs in Deutschland im Jahre 2007, Berlin, 2009/12
Rechtsvorschriften
[2006/38/EG] EU-Richtlinie 2006/38/EG
Glossar
Lkw Lastkraftwagen (Lkw) sind Kraftfahrzeuge, die laut Richtlinie 1997/27/EG überwiegend oder sogar ausschließlich für die Beförderung von Gütern und Waren bestimmt sind. Oftmals handelt es sich dabei um Fahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse zwischen 3,5 und 12 Tonnen. In Einzelfällen kann die zulässige Gesamtmasse diese Werte jedoch auch unter- beziehungsweise überschreiten, sofern das Kriterium der Güterbeförderung gegeben ist. Lastkraftwagen können auch einen Anhänger ziehen.
ADAC = Allgemeine Deutsche Automobil Club e. V.. Der ADAC nimmt für sich in Anspruch, die Interessen deutscher Auto-, Motorrad- und Bootfahrer zu vertreten. Er bietet - direkt oder über Tochterfirmen - Dienstleistungen an und produziert Stadtpläne sowie Straßenkarten. Außerdem betreibt er mehrere Fahrsicherheitszentren. Die ursprüngliche und bekannteste Dienstleistung des Clubs ist die Pannenhilfe.
BMDV
Bundesministerium für Digitales und Verkehr (bis 10/2005 BMVBW, bis 12/2013 BMVBS und bis 11/2021 BMVI)
Kombinierter Verkehr
Intermodaler Verkehr, bei dem der überwiegende Teil der in Europa zurückgelegten Strecke mit der Eisenbahn, dem Binnen- oder Seeschiff bewältigt und der Vor- und Nachlauf auf der Straße so kurz wie möglich gehalten wird.
Externe Kosten Kosten, die nicht vom eigentlichen Verursacher, sondern von der Allgemeinheit getragen werden und deshalb nicht in den Marktpreisen enthalten sind, werden als externe Kosten bezeichnet.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?301975

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 15:40:57