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Trimodale Häfen als Binnenhäfen

Erstellt am: 23.03.2010 | Stand des Wissens: 26.04.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Verkehrsplanung und Logistik, Prof. Dr.-Ing. H. Flämig

Der Umschlag ist die ursprüngliche und zentrale Funktion der Binnenhäfen und findet dort mit und auf dem Verkehrsträger Binnenwasserstraße statt. Da viele Häfen trimodale Standorte sind, bieten sie auch unabhängig vom Binnenschiff die Möglichkeit des Umschlags zwischen Lkw und Bahn [MVEL05, NMWAV07].

Eng verbunden mit der Umschlagfunktion ist die Schnittstellenfunktion. Hierbei verbinden Binnenhäfen als trimodale Standorte die Verkehrsträger Wasserstraße, Schiene und Straße miteinander. Sie ermöglichen damit intermodale Verkehre, für die verschiedene Verkehrsmittel eingesetzt werden. Ein Beispiel hierfür ist ein Transport per Binnenschiff von einem Seehafen bis zu einem Binnenhafen und von dort aus im Nachlauf mit der Bahn (vorwiegend bei Massengut) beziehungsweise per Lkw (vorwiegend im Containerverkehr). Intermodale Verkehre sind in jeder Kombination der drei Verkehrsmittel denkbar [MVEL05, NMWAV07].

Binnenhäfen können darüber hinaus auch als Standorte für Industrie und Handel fungieren. In vielen Binnenhäfen waren oder sind traditionell viele Industrieunternehmen angesiedelt, die den Anschluss an die Binnenwasserstraße nutzten (aber nicht in allen Fällen heute noch nutzen), um kostengünstig Vorprodukte zu beziehen oder Endprodukte zu versenden. Diese Industriefunktion wird am deutlichsten bei den Werkshäfen, die im Regelfall ausschließlich der Versorgung eines Industrieunternehmens dienen. Ein Beispiel ist der Werkshafen von Thyssen-Krupp in Schwelgern. Aber auch in öffentlichen Häfen sind häufig Industrieunternehmen angesiedelt. In vielen Fällen war der für das Massengut typische Kostenvorteil der Binnenschifffahrt ausschlaggebender Faktor bei der Standortwahl [MVEL05, NMWAV07]. Auch Automobilkonzerne wie beispielsweise Audi im Hafen- Gewerbegebiet Logport II am Rhein erkennen die Chance der trimodalen Hafenstandorte für sich und mieten teilweise große Anlagen in unmittelbarer Hafennähe [DVZ14c].

Mit der Übernahme der Verkehrs-, Produktions- und Handelsfunktion können Binnenhäfen das logistische Rückgrat für das Funktionieren binnenländischer Agglomerationen bilden und die Ver- und Entsorgung dicht besiedelter Gebiete und materialintensiver Gewerbe sicherstellen. Gleichzeitig sind sie logistische Knoten, die eine Verlagerung von Transporten auf die Wasserstraße und die Schiene erst ermöglichen. Diese besondere infrastrukturelle Schnittstellenfunktion bewirkt, dass ein Binnenhafen an seinem Standort und dessen Hinterland die Gründung von Industrien unterstützt beziehungsweise sogar erst ermöglicht. Daher können Binnenhäfen für ihre Regionen eine bedeutende Stellung einnehmen. Für die Wettbewerbsfähigkeit von Logistikstandorten ist Trimodalität eine zentrale Bedingung. Sie bildet die Voraussetzung für die Gestaltung effizienter Logistikketten. Dies kann insbesondere an den Rheinhäfen verdeutlicht werden, wo sich die Binnenhäfen zu bedeutenden Industriestandorten entwickelt haben [FlSc11]. Trimodale Transportangebote von Binnenhäfen sind als Standorte für Unternehmen zunehmend gefragt, da sie Kostensenkungen versprechen und gleichzeitig an die Seehäfen und relevante Produktions- und Konsumzentren angebunden sind [VR13a, BjPi10].
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Verkehrsplanung und Logistik, Prof. Dr.-Ing. H. Flämig
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Binnenschifffahrt (Stand des Wissens: 26.04.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?90920
Literatur
[BjPi10] Björn Pistol Hafen und Stadt. Zehn Thesen zur Rolle der Binnenhäfen als Bestandteil des Logistiksystems, veröffentlicht in Hafen und Stadt: Wie gehen Städte mit ihren Häfen um?, 2010
[DVZ14c] DVV Media Group (Hrsg.) Duisburger Hafen als verlängerte Werkbank, veröffentlicht in DVZ, 2014/01/31
[FlSc11] Heike Flämig (Hrg.), Nina Schulte (Hrg.) Binnen_Land: Die Situation der Binnenhäfen und mögliche Handlungsstränge - Teil I des Abschlussberichtes zum Forschungsvorhaben Binnen_Land, veröffentlicht in Schriftenreihe Harburger Berichte zur Verkehrsplanung und Logistik, MV-Verlag / Hamburg, 2011, ISBN/ISSN 978-3-86991-460-2
[MVEL05] o.A. Wasserstraßenverkehrs- und Hafenkonzept Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, 2005/01/31
[NMWAV07] k.A. Hafenkonzept Niedersachsen, Hannover, 2007/02/20
[VR13a] Springer Fachmedien (Hrsg.) Vorteil multimodal, veröffentlicht in Verkehrs Rundschau, Ausgabe/Auflage 50, 2013
Glossar
Vor- und Nachlauf Unter Vor- und Nachlauf sind im Kombinierten Verkehr Transporte der Ladeeinheit vom Versender zum Umschlagpunkt oder von dort zum Empfänger zu verstehen. Am Umschlagpunkt wechselt die Ladeeinheit das Verkehrsmittel. Der Transport zwischen zwei Umschlagpunkten wird als Hauptlauf bezeichnet.
Lkw Lastkraftwagen (Lkw) sind Kraftfahrzeuge, die laut Richtlinie 1997/27/EG überwiegend oder sogar ausschließlich für die Beförderung von Gütern und Waren bestimmt sind. Oftmals handelt es sich dabei um Fahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse zwischen 3,5 und 12 Tonnen. In Einzelfällen kann die zulässige Gesamtmasse diese Werte jedoch auch unter- beziehungsweise überschreiten, sofern das Kriterium der Güterbeförderung gegeben ist. Lastkraftwagen können auch einen Anhänger ziehen.
Hinterland Das Hinterland eines Seehafen ist das landeinwärts hinter dem Hafen liegende Territorium, welches durch die Herkunfts- und Bestimmungsorte der im Hafen abzufertigen Güter und Passagiere begrenzt wird. Seine Grenzen hängen von den Hinterlandverkehrsanbindungen ab und variieren nach Gutarten, den Umschlagkapazitäten, dem Schiffstyp und der Verkehrsinfrastruktur. Das Vorland eines Seehafens ist das seewärts vor dem Hafen liegende Territorium, welches durch die überseeischen Herkunfts- und Bestimmungsorte der Güter begrenzt wird.
Intermodaler Verkehr Transport von Gütern in ein und derselben Ladeeinheit oder demselben Straßenfahrzeug mit zwei oder mehreren Verkehrsträgern, wobei ein Wechsel der Ladeeinheit, aber kein Umschlag der transportierten Güter selbst erfolgt.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?297936

Gedruckt am Dienstag, 16. April 2024 21:10:37