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Vorschriften zu Lenk- und Fahrzeiten im intermodalen Vergleich

Erstellt am: 22.03.2010 | Stand des Wissens: 12.06.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. Dr. h.c. W. Kersten

Gesetzliche Bestimmungen zu Fahrzeiten und den Lenkzeiten für das Fahrpersonal gehören zu den maßgeblichen Faktoren, mit denen die Politik Einfluss auf die Leistungsparameter der verschiedenen Verkehrsträger nimmt. Dabei gibt die Europäische Kommission den Rahmen für die spezifische Gestaltung der Regelungen durch die nationalen Instanzen vor. Als zwei voneinander unterschiedliche Regelungskomplexe werden laut Ruff [Ruff16, S. 3f.] und Neubauer [Neub19] die Lenk- und Arbeitszeiten durch die verschiedenen Verordnungen und Gesetze abgedeckt:
  • Arbeitsgesetz (ArbZG)
  • Fahrpersonalgesetz (FPersV)
  • Fahrpersonalverordnung (FPersV)
  • EU-Richtlinie 2002/15/EG
  • EU-Verordnung 561/2006
Am 11. April 2007 sind die in der EG-Verordnung 561/2006 [EG561/2006] enthaltenen Verringerungen von Lenk- und Arbeitszeiten in Kraft getreten. Als Arbeitszeit gelten Lenkzeiten und andere Tätigkeiten wie Be- und Entladen, nicht jedoch Rufbereitschaft. Regelungen zu Lenk- und Fahrzeiten gelten auf europäischer Ebene für Fahrzeuge mit einem Gesamtgewicht von 3,5 Tonnen und mehr. In Deutschland gelten bereits ab 2,8 Tonnen und mehr entsprechende Lenk- und Fahrzeiten [Ruff16, S. 4]. Die Vorschriften sehen unter anderem nach Ruff [Ruff16, S. 3-8] Folgendes vor:
  • 45 Minuten Pause bei einer Gesamt-Lenkzeit von mehr als 9 Stunden
  • Nach 4,5 Stunden mindestens eine Pause von 15 Minuten
  • die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit darf 48 Stunden nicht überschreiten
  • die wöchentliche Höchstarbeitszeit kann bis zu 60 Stunden betragen, solange der Wochendurchschnitt in einem Zeitraum von vier Monaten 48 Stunden nicht übersteigt.
Durch die Senkung der wöchentlichen Lenkzeit wurde zumindest innerhalb der Europäischen Union der Widerspruch gelöst, den die bis dahin geltenden Höchstgrenzen implizierten. So darf die Wochenarbeitszeit gemäß der EU-Richtlinie 2003/88 durchschnittlich 48 Stunden und höchstens 60 Stunden betragen [2003/88/EG]. Nach den Bestimmungen der Verordnung (EWG) 3820/85 [EWG3820/85] war jedoch in Übereinstimmung mit dem europäischen Übereinkommen über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (AETR) eine Lenkzeit von 74 Stunden wöchentlich zulässig. Dies gilt weiterhin für die gesamte Strecke von Fahrten, die teilweise außerhalb der Europäischen Union, dem Europäischen Wirtschaftsraum und der Schweiz stattfinden.
Darüber hinaus sind in Paragraf 30 der Straßenverkehrsordnung (StVO) Fahrverbote für Lkw ab 7,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht an Sonn- und Feiertagen in der Zeit von 0 Uhr bis 22 Uhr festgelegt. Vor- und Nachläufe im Kombinierten Verkehr bis 200 Kilometer sind davon ausgenommen. Bei den bedeutsamen Eisenbahnen in Europa liegt die Arbeitszeit der Triebfahrzeugführer unterhalb der im Straßengüterverkehr zulässigen Lenkzeiten. Im Durchschnitt beträgt sie zwischen 22 und 30 Stunden pro Woche [KoKr06]. In der Richtlinie EG/2005/47 [RiL2005/47/EG] sind Arbeits-, Fahr- und Ruhezeiten der Bahnbeschäftigten, die im Streckennetz von mindestens zwei Mitgliedstaaten beziehungsweise im grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehr eingesetzt werden, geregelt. Darin sind folgende Bestimmungen enthalten gemäß der Richtlinie EG/2005/47 [RiL2005/47/EG]; [EU L 195/18]:
  • 12 aufeinander folgende Stunden tägliche Ruhezeit statt der in der Richtlinie über die Arbeitszeitgestaltung vorgesehenen 11 Stunden
  • Arbeitspausen von 30 bis 45 Minuten sowie jährlich 24 "doppelte Ruhezeiten" das heißt 48 statt 24 Stunden
  • Fahrzeit des fahrenden Personals höchstens 9 Stunden je Tagesschicht bzw. 8 Stunden je Nachtschicht und in zwei Wochen nicht mehr als 80 Stunden
Für Eisenbahntransporte innerhalb Deutschlands sind hingegen nur die Bestimmungen des deutschen Arbeitszeitgesetzes (ArbZG) relevant. Fahrverbote an Sonn- und Feiertagen gibt es nicht.
Das Arbeitszeitgesetz gilt prinzipiell auch für Beschäftigte der Binnenschifffahrt, lässt jedoch ausdrücklich abweichende Regelungen zu Arbeitszeit und Ruhepausen durch einen der Eigenart der Binnenschifffahrt angepassten Tarifvertrag zu (§ 21). In der Binnenschiffsuntersuchungsordnung (BinSchUO) werden Mindestruhezeiten von acht Stunden täglich festgelegt, deren Lage je nach täglicher Fahrtzeit variiert (§ 3.04 BinSchUO [BMVBS08]). Auch in der Binnenschifffahrt gibt es keine Fahrverbote an bestimmten Tagen.
Der Vergleich der Vorschriften zu Lenk- und Fahrzeiten für die Landverkehrsträger zeigt, dass strikte Regulierungen - die sich derzeit vor allem auf den Straßenverkehr beziehen - kein effektives Instrument zur Verlagerung von Verkehren darstellen. Dies haben Analysen im EU-Projekt SOFTICE zum Einfluss von Arbeitszeitbestimmungen im Straßenverkehr auf die Nachfrage nach straßenseitigen Transportleistungen bestätigt [EUKOM99d, S. 6, 81].
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. Dr. h.c. W. Kersten
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Gesetze und politische Zielvorgaben im Kombinierten Verkehr (Stand des Wissens: 12.06.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?321686
Literatur
[EUKOM99d] CTT - Department of Transportation and Logistics, DITS-Dipartimento di Idraulics, Trasporti e Strade, INSTITUT NATIONAL DE RECHERCHE SUR LES TRANSPORTS ET LEUR SECURITÉ (INRETS), Institute for Transport Studies - University of Leeds, IST - Instituto Superior Tecnico CESUR, ITEP - Institut des Transports et de Planification EPFL - Ècole Polytechnique Fèdèderale de Lausanne, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch SOFTICE - Survey on Freight Transport Including Cost Comparison for Europe, 1999/11
[KoKr06] Koeppen, Thomas, Krannich, Daniel 60 Stunden sind eine Woche, veröffentlicht in Deutsche Verkehrs-Zeitung, Ausgabe/Auflage 92, 2006/08/03
[Neub19] Neubauer, Sandra Arbeitszeit für LKW-Fahrer, 2019/05/15
[Ruff16] Mathis Ruff (Hrsg.) Lenkzeiten - Ruhezeiten - Arbeitszeiten, 2016
Rechtsvorschriften
[2003/88/EG] Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates
[BMVBS08] Verordnung über die Schiffssicherheit in der Binnenschifffahrt (Binnenschiffsuntersuchungsordnung - BinSchUO)
[EG561/2006] Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006
[EU L 195/18] Vereinbarung zwischen CER und ETF über Einsatzbedingungen des fahrenden
Personals im interoperablen grenzüberschreitenden Verkehr
[EWG3820/85] Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates
[RiL2005/47/EG] Richtlinie 2005/47/EG
Glossar
Lkw Lastkraftwagen (Lkw) sind Kraftfahrzeuge, die laut Richtlinie 1997/27/EG überwiegend oder sogar ausschließlich für die Beförderung von Gütern und Waren bestimmt sind. Oftmals handelt es sich dabei um Fahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse zwischen 3,5 und 12 Tonnen. In Einzelfällen kann die zulässige Gesamtmasse diese Werte jedoch auch unter- beziehungsweise überschreiten, sofern das Kriterium der Güterbeförderung gegeben ist. Lastkraftwagen können auch einen Anhänger ziehen.
StVO Die Straßenverkehrsordnung  legt Regeln für sämtliche Straßenverkehrsteilnehmer fest und bildet somit eine Rechtsverordnung der Bundesrepublik Deutschland.
Kombinierter Verkehr
Intermodaler Verkehr, bei dem der überwiegende Teil der in Europa zurückgelegten Strecke mit der Eisenbahn, dem Binnen- oder Seeschiff bewältigt und der Vor- und Nachlauf auf der Straße so kurz wie möglich gehalten wird.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?297013

Gedruckt am Mittwoch, 24. April 2024 07:28:17