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Historischer Abriss der Organisation der deutschen Eisenbahn

Erstellt am: 19.03.2010 | Stand des Wissens: 10.09.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch

Am 7. Dezember 1835 fuhr die erste Dampflokomotive in Deutschland von Nürnberg nach Fürth und legte damit den Grundstein für den wirtschaftlichen Aufschwung. Bei der Entwicklung des Eisenbahnwesens setzten die einzelnen Länder auf unterschiedliche Organisationsmodelle. In manchen deutschen Staaten wurde der Eisenbahnbetrieb und Streckenbau privaten Unternehmen überlassen. Andere hingegen versuchten eine staatliche Eisenbahn aufzubauen. Wieder andere Staaten wie Preußen versuchten einen Kompromiss zu finden und garantierten sich trotz der Verfolgung eines privaten Modells von Anfang an ihren staatlichen Einfluss: So unterstanden die privaten Eisenbahnen einer staatlichen Aufsicht und bedurften für ihren Betrieb einer staatlichen Konzession. In diesem Zusammenhang ist auch das preußische Eisenbahngesetz von 1838 hervorzuheben, das bereits vorsah, dass der Zugang zur Infrastruktur nicht nur dessen Besitzer, sondern auch seinen Konkurrenten freisteht. In der Praxis kam den entsprechenden Regelungen jedoch nur wenig Bedeutung zu  [Brei85].

Im Zuge der Industrialisierung wurden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die öffentlichen Aufgaben allgemein erweitert, was eine zunehmende Verstaatlichung privater Eisenbahnen zur Folge hatte. Die Reichsverfassung aus dem Jahr 1871 sah eine Reichsvereinheitlichung des Eisenbahnwesens vor, scheiterte jedoch am Widerstand der Einzelstaaten. Bismarck erreichte dieses Ziel schließlich durch den sogenannten "Eisenbahnkrieg", in dem andere Staatsbahnen durch preußische Konkurrenzstrecken einem erheblichen Wettbewerbsdruck ausgesetzt wurden, der faktisch die weitreichende Vereinheitlichung der Beförderungsbedingungen erzielte.

Im Ersten Weltkrieg wurden die Eisenbahnverwaltungen zusammengelegt und einer zentralen militärischen Leitung unterstellt. Aus der Erkenntnis der Notwendigkeit einer einheitlichen Bahn in Kriegszeiten wurde in der Weimarer Verfassung vom 11. August 1919 festgelegt, die dem allgemeinen Verkehr dienenden Bahnen in das Eigentum des Reichs zu überführen. Die Übertragung der Staatsbahnen auf das Reich wurde durch den am 1. April 1920 in Kraft getretenen Staatsvertrag zur Gründung der Deutschen Reichseisenbahnen geregelt.

Am 12. Februar 1924 wurde die Verordnung zur Schaffung der Deutschen Reichsbahn als staatliches Unternehmen erlassen, um eine Verpfändung der Reichseisenbahnen an die Reparationsgläubiger zu unterbinden. Da die Verordnung nicht den Anforderungen aus dem Dawes-Plan genügte, wurde am 30. August 1924 eine neue Verordnung erlassen, auf deren Basis die privatwirtschaftliche Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (DRG) gegründet wurde. Gleichzeitig wurde die DRG mit einer Schuldverschreibung zugunsten der Siegermächte belastet. 1931 wurden die Reparationszahlungen durch das Lausanne-Abkommen aufgehoben.

Unter dem nationalsozialistischen Regime wurde die Deutsche Reichsbahngesellschaft wieder der Reichshoheit unterstellt und in die Deutsche Reichsbahn umbenannt. Die normative Grundlage bildete das Gesetz "zur Neuregelung der Verhältnisse der Reichsbank und der Deutschen Reichsbahn" vom 10. Februar 1937. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde der Betrieb der Eisenbahn zunächst von den Besatzungsmächten in den jeweiligen Besatzungszonen übernommen. Die Deutsche Bundesbahn (DB) wurde schließlich als nicht rechtsfähiges Sondervermögen des Bundes gegründet. In der DDR wurde die Eisenbahnverwaltung unter dem Namen Deutsche Reichsbahn (DR) weitergeführt [MONO07]. Die finanziellen Belastungen der Nachkriegszeit führten zu einer zunehmenden Verschuldung der beiden deutschen Bahnen. Daher wurde auch die Deutsche Reichsbahn auf Basis des Deutschen Einigungsvertrages von 1990 in ein Sondervermögen überführt [MONO07].
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Bahnreform (Stand des Wissens: 10.09.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?301385
Literatur
[Brei85] Bernd Breitfeld Von der Privat- zur Staatsbahn, veröffentlicht in Zug der Zeit. Zeit der Züge. Deutsche Eisenbahn 1835-1985, Ausgabe/Auflage 2. Auflage, Wolf Jobst Siedler Verlag / Berlin, 1985/05
[MONO07] Monopolkommission Wettbewerbs- und Regulierungsversuche im Eisenbahnverkehr - Sondergutachten 48 der Monopolkommission, Nomos-Verlag/Baden-Baden, 2007/04

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?296384

Gedruckt am Donnerstag, 18. April 2024 18:37:14