Forschungsinformationssystem des BMVI

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Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung

Erstellt am: 19.03.2010 | Stand des Wissens: 01.03.2024
Ansprechpartner
IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch

Ausgangsproblematik

Obwohl die Ursachenforschung im Nachgang aufgetretener gefährlicher Ereignisse in erster Linie auf eine Identifizierung etwaiger organisatorischer oder technischer Schwachstellen im bestehenden Sicherheitssystem der Bahn abzielt, um durch adäquate Verbesserungsmaßnahmen aus gleicher Fehlerquelle resultierende neuerliche Unfälle weitgehend vermeiden zu können, so erlauben entsprechende Untersuchungserkenntnisse doch mitunter einen Rückschluss auf die in rechtlicher Hinsicht zu klärende Schuldfrage. Angesichts dessen besteht die Gefahr einer von unterschiedlichen Interessensgruppen ausgehenden potenziellen Einflussnahme auf den Untersuchungsprozess beziehungsweise auf die hierfür verantwortlichen Personen.

Rechtliche Rahmenbedingungen

Um das Risiko entsprechender Ermittlungsbehinderungen und Interessenskonflikte effektiv reduzieren zu können, schreibt die Richtlinie über die Eisenbahnsicherheit 2004/49/EG vor, eine Untersuchungsstelle einzurichten, welche "organisatorisch, rechtlich und in ihren Entscheidungen von Fahrwegbetreibern, Eisenbahnunternehmen, entgelterhebenden Stellen, Zuweisungsstellen [...] sowie von allen Parteien, deren Interessen mit den Aufgaben der Untersuchungsstelle kollidieren könnten," unabhängig ist [2004/49/EG Artikel 21 (1)]. Darüber hinaus muss eine funktionelle Autonomie ohne Einflussmöglichkeiten seitens des Eisenbahn-Bundesamtes (EBA) und der Regulierungsinstitutionen im Eisenbahnsektor gewährleistet sein. Damit die Untersuchungsstelle ihre Aufgaben autark wahrnehmen kann, ist sie mit den hierfür notwendigen Mitteln auszustatten. Ihr Personal hat ferner eine Stellung einzunehmen, welche die erforderliche Unabhängigkeit garantiert. [2004/49/EG Arktikel 21 (2)]
Die genannte EU-Richtlinie 2004/49/EG wurde mit dem fünften Gesetz zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften vom 16. April 2007 sowie der zweiten Verordnung zum Erlass und zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften vom 5. Juli 2007 in deutsches Recht überführt. Vor diesem Hintergrund fand gemäß § 5 Abs. 1 f. des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) am 20. August 2008 die Einrichtung der Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle des Bundes (EUB) statt. Sie wurde durch das beim Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI, heute BMDV) in Bonn geleitet und nutzt zur Durchführung entsprechender Untersuchungen die Mitarbeiter der EBA-Untersuchungszentrale, welche der EUB fachlich unmittelbar unterstellt sind [AEG, §5].
Eisenbahninfrastrukturunternehmen sind gesetzlich dazu verpflichtet, alle gefährlichen Ereignisse zu melden und haben, ebenso wie jeweils betroffene Eisenbahnverkehrsunternehmen, der EUB die für eine Untersuchung erforderlichen Informationen vollumfänglich zur Verfügung zu stellen [EUV § 2 Abs. 3 und 4].
In der Europäischen Eisenbahnsicherheitsrichtlinie 2016/789 vom 11.05.2016 wurden alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union (EU) dazu verpflichtet, unabhängige Stellen zur Untersuchung gefährlicher Ereignisse einzurichten. In Kapitel V der Eisenbahnsicherheitsrichtlinie (Art. 20 - 26) sind die Anforderungen für die Untersuchung von Unfällen und Störungen enthalten. Daraufhin wurde im Jahr 2017, als Nachfolgerin der EUB, die Bundestelle für Eisenbahnunfalluntersuchung (BEU) zur Untersuchung von gefährlichen Ereignissen im Eisenbahnbetrieb gegründet. Grundlage dafür war das am 27.06.2017 erlassene Gesetz zur Neuordnung der Eisenbahnunfalluntersuchung. Als selbständige Bundesoberbehörde fungiert die BEU im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr. Die an gefährlichen Ereignissen beteiligten Unternehmen sind dazu verpflichtet, diese zu untersuchen. Des weiteren müssen die Unternehmen von sich aus entsprechende Korrektur- und Vorbeugungsmaßnahmen einleiten. [BEU24]
Aufgaben der BEU
Die Aufgabe der BEU ist es, die Ursache gefährlicher Ereignisse im Eisenbahnbetrieb aufzuklären. Sie hat die Möglichkeit,  Empfehlungen auszusprechen, die zur Verbesserung der Sicherheit und Vermeidung künftiger Unfälle führen. Es besteht allerdings kein Zusammenhang mit straf-, haftungs- und sonstigen zivilrechtlichen Verfahren.
Zur Einstufung der Sinnhaftigkeit der Untersuchung gefährlicher Ereignisse führt das BEU zunächst selbst Voruntersuchungen durch. Gefährliche Ereignisse werden dabei systematisch in folgenden vier Prozessschritten untersucht:
  • Erstmaßnahmen
    • Zusammenstellung eines Untersuchungsteams, Fahrt zur Unfallstelle
  • Aufnahme der Unfalluntersuchung
    • Erfassung Beteiligter, Erkundigungen an der Unfallstelle, Beweisaufnahme, Dokumentation, Freigabe der Unfallstelle
  • Sachverhaltsfeststellung
    • Untersuchung und Auswertung der Beweise
  • Sachverhaltsanalyse
    • Bewertung der Ergebnisse und Ableitung von Schlussfolgerungen

Das BEU veröffentlicht bis Ende September jeden Jahres einen Bericht zu dem Untersuchungen des Vorjahres, inklusive der jeweiligen Sicherheitsempfehlungen. Sie steht dabei im Austausch mit anderen europäischen Untersuchungsstellen, um bezüglich der Untersuchungsmethoden sowie der Ableitung von Sicherheitsempfehlungen voneinander lernen zu können. [BEU24a]
Ansprechpartner
IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.
Literatur
[BEU24] Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchungen Die BEU - Gesetzliche Grundlagen, 2024
[BEU24a] Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchungen Die BEU - Aufgaben, 2024
[Doll12a] Doll, Hartmut Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle des Bundes Aufgaben und Organisation der EUB im Detail
, veröffentlicht in Deine Bahn, Ausgabe/Auflage 2012/6, Bahn Fachverlag GmbH, Berlin, 2012/06, ISBN/ISSN 0948-7263
Rechtsvorschriften
[2004/49/EG] Richtlinie über die Eisenbahnsicherheit
[AEG] Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG)
[EUV] Verordnung über die Untersuchung gefährlicher Ereignisse im Eisenbahnbetrieb
Glossar
Eisenbahninfrastrukturunternehmen Eisenbahninfrastrukturunternehmen (EIU) ist ein Rechtsbegriff des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG). Gemäß § 2 Abs. 1 AEG sind Eisenbahninfrastrukturunternehmen öffentliche Einrichtungen oder privatrechtlich organisierte Unternehmen die eine Eisenbahninfrastruktur betreiben.
Eisenbahn-Bundesamt Das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) ist Aufsichts- und Genehmigungsbehörde für die Eisenbahnen des Bundes und Eisenbahnunternehmen mit Sitz im Ausland für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. Es nimmt darüber hinaus die Landeseisenbahnaufsicht über die nichtbundeseigenen Eisenbahnen auf Weisung und Rechnung von 13 Bundesländern für diese wahr.
BMDV
Bundesministerium für Digitales und Verkehr (bis 10/2005 BMVBW, bis 12/2013 BMVBS und bis 11/2021 BMVI)
Eisenbahninfrastrukturunternehmen
Zur Erhaltung des Schienennetzes zählen Maßnahmen zur Instandhaltung und für die Durchführung von Ersatzinvestitionen. Grundsätzlich tragen die Eisenbahninfrastrukturunternehmen die dabei anfallenden Kosten, werden aber nach der LuFV vom Bund mit einem bestimmten Betrag jährlich unterstützt.
Eisenbahnverkehrsunternehmen Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) sind öffentliche Einrichtungen oder privatrechtlich organisierte Unternehmen, die Eisenbahnverkehrsleistungen erbringen. "Eisenbahnverkehrsunternehmen" stellt einen europarechtlichen Begriff dar, welcher durch nationales Recht in Form von § 2 (1) des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) konkretisiert wird.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?296298

Gedruckt am Donnerstag, 28. März 2024 19:10:23