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Regionalisierung im Schienenpersonenverkehr

Erstellt am: 19.03.2010 | Stand des Wissens: 10.09.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch

Eines der vier Kernelemente der Bahnreform war die so genannte Regionalisierung. Dabei wurde die Zuständigkeit für den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV), zu dem auch der Schienenpersonennahverkehr (SPNV) zählt, zum 1. Januar 1996 vom Bund auf die Länder übertragen.

Mit der Regionalisierung sollte eine ausreichende Bedienung der Bevölkerung mit Verkehrsleistungen im Nahverkehr sichergestellt werden (§ 1 RegG). Zu diesem Zweck wurde der ÖPNV umstrukturiert und neu geordnet. Die Einzelheiten der Neuordnung sind im so genannten Regionalisierungsgesetz [RegG] geregelt, das zum 1. Januar 1996 in Kraft trat. Für eine verbesserte Wirtschaftlichkeit sollten die Zuständigkeiten für Planung, Organisation und Finanzierung des ÖPNV unter einer Hand zusammengefasst werden (§ 3 RegG). Die Länder gaben diese Zuständigkeiten teilweise an regionale Organisationen weiter, sodass sich verschiedene Regelungen entwickelten. Die Organisation des Nahverkehrs wurde von den einzelnen Ländern in Nahverkehrsgesetzen geregelt [Kirch99].

Die Finanzierung des ÖPNV erfolgt zum einen durch Fahrgeldeinnahmen, zum wesentlichen Teil aber durch Geldmittel des Bundes. Hierfür wurde das Grundgesetz um den Artikel 106a ergänzt, der den Ländern einen Betrag aus dem Steueraufkommen des Bundes zusichert. Diese sogenannten Regionalisierungsmittel, die die Länder jährlich für die Finanzierung des ÖPNV erhalten, werden maßgeblich aus dem Mineralölsteueraufkommen des Bundes gespeist. Hauptsächlich soll damit der SPNV finanziert werden (§ 6 RegG). Die Verteilung der Gelder auf die einzelnen Bundesländer wird im Regionalisierungsgesetz geregelt (§5 RegG).

Die Übertragung der Zuständigkeit für den ÖPNV auf die Länder hatte zur Folge, dass diese nun selbst die "ausreichende Verkehrsbedienung der Bevölkerung" definieren und den Transportbedarf im ÖPNV selbst ermitteln (§4 RegG).
Die Aufgabenträger müssen die Aufträge zur Erbringung von SPNV-Leistungen grundsätzlich ausschreiben. Dies geht aus einem Urteil des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 2011 hervor. Dies entschied, dass das nationale Recht des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen über die Möglichkeit der Direktvergabe nach der Verordnung [(EG) Nr. 1370/2007steht [Hand11c][Pooth11]. Bis zu diesem Urteil verzichteten viele Aufgabenträger auf diese Ausschreibungen und vergaben einen Großteil der Verkehrsleistungen im SPNV direkt an die DB Regio AG. Heute dürfen SPNV-Leistungen nur noch in Ausnahmefällen direkt vergeben werden. 
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Bahnreform (Stand des Wissens: 10.09.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?301385
Literatur
[Hand11c] Handelsblatt GmbH, Krummheuer, Eberhard BGH stärkt Wettbewerb der Bahnen, 2011/02/09, ISBN/ISSN 0017-7296
[Kirch99] Heinze, G.Wolfgang, Prof. Dr. rer. pol., Kirchhoff, Peter, Prof. Dr.-Ing., Köhler, Uwe, Prof. Dr.-Ing. Planungshandbuch für den ÖPNV in der Fläche, veröffentlicht in direkt, Ausgabe/Auflage Heft 53, Bonn, 1999
[MONO07] Monopolkommission Wettbewerbs- und Regulierungsversuche im Eisenbahnverkehr - Sondergutachten 48 der Monopolkommission, Nomos-Verlag/Baden-Baden, 2007/04
[Pooth11] Dr. Stefan Pooth Wie geht es weiter mit der Vergabe von SPNV-Leistungen?, veröffentlicht in Der Nahverkehr, Ausgabe/Auflage 4/2011, Alba Fachverlag Düsseldorf, 2011, ISBN/ISSN 0722-8287
Rechtsvorschriften
[(EG) Nr. 1370/2007] Verordnung (EG) Nr. 1370/2007
[RegG] Regionalisierungsgesetz (RegG)
[VgV] Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VgV)
Glossar
Aufgabenträger
Aufgabenträger bestellen bei den Verkehrsunternehmen die im Rahmen der Daseinsvorsorge gewünschten Nahverkehrsleistungen. Dabei gibt es Unterschiede zwischen dem Schienenpersonennahverkehr (SPNV) und dem straßengebundenen öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV).
Im SPNV sind seit Bahnreform und ÖPNV-Regionalisierung im Jahr 1995/96 anstelle des Bundes die Länder für die Planung, Organisierung und Finanzierung verantwortlich. In einigen Ländern sind die Aufgabenträger für das gesamte Land zuständig, wie in Bayern, in anderen betreuen sie regional abgegrenzte Gebiete, wie in Nordrhein-Westfalen. Teilweise wird die Aufgabenträgerschaft den Verkehrsverbünden zugewiesen, wie in Hessen.
Die Aufgabenträgerfunktion für den straßengebundenen ÖPNV ist den Landkreisen oder kreisfreien Städten zugeordnet.
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.
Schienenpersonennahverkehr
Gemäß Regionalisierungsgesetz (RegG) § 2 handelt es sich bei einer auf der Schiene erbrachten Beförderungsdienstleistung um ein Angebot des Nahverkehrs, "wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle [...] die gesamte Reiseweite 50 Kilometer oder die gesamte Reisezeit eine Stunde nicht übersteigt" [RegG, § 2]. Zur Erfüllung der Daseinsvorsorge wird der Schienenpersonennahverkehr (SPNV) von den Ländern bestellt und unterstützt. Der SPNV ist eine Sonderform des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Der ÖPNV ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert, der SPNV zusätzlich noch im Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG).
Verkehrsleistung
Die Verkehrsleistung gibt Auskunft über die Inanspruchnahme von Ressourcen. Als Verkehrsleistung wird die auf eine Zeiteinheit t (zum Beispiel ein Jahr) bezogene Verkehrsarbeit definiert und als Quotient dargestellt. Die Verkehrsarbeit wird dabei als Produkt von Verkehrseinheiten (zum Beispiel Güter oder Personen) und der durch diese zurückgelegten Strecke gebildet. In der Verkehrswissenschaft sind die Einheiten Personenkilometer pro Jahr [Pkm/a] oder Tonnenkilometer pro Jahr [tkm/a] gebräuchlich.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?296281

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 13:27:31