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Die European Railway Agency als Akteur im Bereich der Schienenverkehrssicherheit

Erstellt am: 19.03.2010 | Stand des Wissens: 12.04.2024
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch

Gründungsmotivation

Ein wesentlicher Grundgedanke der Europäischen Union (EU) liegt in der Realisierung eines länderübergreifenden, integrierten Binnenmarkts, der den freien Austausch von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital ermöglicht. Vor diesem Hintergrund sind seitens der EU Maßnahmen zu einer Beseitigung entsprechender Markthindernisse zu treffen [Nomos01 Art. 3 Abs. 1c]. In Bezug auf den Eisenbahnsektor ergibt sich hierbei die Problematik, dass "die technischen und betrieblichen Unterschiede zwischen den Eisenbahnsystemen der Mitgliedstaaten [...] zu einer Abschottung der einzelstaatlichen Eisenbahnmärkte geführt und eine dynamische Entwicklung dieses Sektors auf europäischer Ebene verhindert" haben [(EG) Nr.881/2004 Berichtigung Grund (5)].

Um existierende Marktbarrieren beseitigen zu können, ist eine Herstellung vollständiger Interoperabilität sowie die Erreichung gemeinsamer Sicherheitsziele unumgänglich [Fisc07, S. 59]. Da ein entsprechendes Vorgehen und die hiermit verbundene Entwicklung adäquater Maßnahmenbündel mit umfangreichen technischen Arbeiten verbunden sind, wurde im Rahmen des zweiten Eisenbahnpakets die Verordnung (EG) Nr.881/2004 ("Agenturverordnung") zur Errichtung der European Railway Agency (ERA, dt. Europäische Eisenbahnagentur) verabschiedet. Diese nahm im Jahr 2006 ihre Arbeit auf.

Aufgabenspektrum

Die ERA steht der Europäische Kommission in erster Linie als technisch unterstützende Institution zur Verfügung, indem sie für diese in Zusammenarbeit mit Vertretern von Eisenbahnfachverbänden und nationalen Sicherheitsbehörden sowie mit weiteren unabhängigen Experten Empfehlungen erarbeitet oder Stellungnahmen vorbereitet. Ihr obliegen somit keine Entscheidungsbefugnisse; vielmehr werden die durch sie erarbeiteten Entscheidungsvorlagen von der Europäische Kommission geprüft, gegebenenfalls ergänzt und dem Regelungsausschuss der Mitgliedsstaaten zur Abstimmung vorgelegt, bevor letztendlich eine Veröffentlichung seitens der Kommission erfolgt [Fisc07, S. 64].

In der Agenturverordnung der Europäischen Union sind für die ERA als Arbeitsziele die Harmonisierung der Sicherheitsziele und die Interoperabilitätsentwicklung zwischen den Mitgliedsstaaten festgeschrieben. Daher ist die ERA vorrangig damit betraut
Um die genannten sicherheitstechnischen Aufgaben erfüllen zu können, ist die ERA für das EU-weite Sicherheitsmanagement und die damit verbundene Definition und Entwicklung eines gemeinsamen Rahmens für die Eisenbahnsicherheit verantwortlich. Innerhalb dieses Sicherheitsmanagements entwickelt die ERA Common Safety Targets (CST), Common Safety Methods (CSM) und Common Safety Indicators (CSI). [Schr09, S. 4 ff.]

Ferner bildet die ERA den zentralen technischen Ansprechpartner für betroffene Industriezweige des Eisenbahnsektors und übernimmt zudem eine Koordinierungsfunktion zwischen den nationalen Sicherheitsbehörden sowie Untersuchungsstellen. [Fisc07, S. 59 ff.]

Im Rahmen des vierten Eisenbahnpakets wurden die nationalen Sicherheitsbelange auf die ERA-Tätigkeitsfelder ausgeweitet. Ziel war es unter anderem, das Genehmigungsverfahren für Schienenfahrzeuge auf einen übersichtlichen Zulassungsvorgang zu reduzieren und zu harmonisieren, um übermäßig hohe Verwaltungskosten sowie Marktzugangsbarrieren zu vermeiden. Folglich ist die ERA für die Überwachung der nationalen Vorschriften und Sicherheitsbehörden sowie für die Einführung des European Rail Traffic System (ERTMS, dt. Europäisches Eisenbahnverkehrsleitsystem) zuständig. [EuRat17; EuKom13e, S. 9 f.]
Ansprechpartner
IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Betriebssicherheit im Schienenverkehr (Stand des Wissens: 04.04.2024)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?60738
Literatur
[ERA08] o. A. ERA Work Programme 2009, 2008
[ERA09a] o. A. Annual Report 2008, 2009, ISBN/ISSN 1830-7612
[EUKOM02] o.A. Schaffung eines integrierten europäischen Eisenbahnraums. Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament. KOM (2002) 18 endgültig, Brüssel, 2002/01/23
[EuKom02b] o.A. Auf dem Weg zu einem integrierten europäischen Eisenbahnraum, 2002
[EuKom13e] Europäische Kommission (Hrsg.) Das vierte Eisenbahnpaket - Vollendung des einheitlichen
europäischen Eisnebahnraums zur Steigerung von Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum in der EU, 2013/01
[EuRat17] Europäischer Rat (Hrsg.) Das vierte Eisenbahnpaket: Maßnahmen zur Verbesserung des europäischen Eisenbahnverkehrs, 2017
[Fisc07] Fischer, Caroline Die Europäische Eisenbahnagentur (ERA), veröffentlicht in Der Eisenbahningenieur, Ausgabe/Auflage 5, 2007/05, ISBN/ISSN 0013-2810
[Lund02] Lundström, Anders EU-Gesetzgebung zur Eisenbahnsicherheit, veröffentlicht in rail international - Schienen der Welt, Ausgabe/Auflage 11, 2002
[RB11] o. A. ERA soll Aufgaben der nationalen Aufsichtsbehörden zum Teil übernehmen, veröffentlicht in Rail Business, Ausgabe/Auflage 12/11, DVV Media Group GmbH / Hamburg, 2011/03/21, ISBN/ISSN 1867-2728
[Schr09] Schröder, Fritz Die EU-Sicherheitsrichtlinie und ihre nationale Umsetzung, veröffentlicht in Deine Bahn, Ausgabe/Auflage 05/2009, Eisenbahn-Fachverlag GmbH / Mainz, 2009, ISBN/ISSN 0948-7263
Rechtsvorschriften
[Nomos01] Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft in der konsolidierten Fassung
Glossar
Eisenbahnpaket Bei den Eisenbahnpaketen (eng. railway packages) handelt es sich um eine Zusammenfassung von Richtlinien und Verordnungen der Europäischen Union, die sich u. a. mit dem Zugang zum Schienengüterverkehrsnetz, der Liberalisierung des Güterverkehrs sowie mit Fahrgastrechten befassen. Bisher wurden vier Eisenbahnpakete erlassen, von denen das erste im Jahr 2001 verabschiedet wurde und das vierte im Januar 2013.
European Rail Traffic Management System
Das European Rail Traffic Management System (ERTMS) ist ein Projekt, dessen Ziel es ist, durch Schaffung von einheitlichen Standards für die infrastruktur- und fahrzeugseitige Eisenbahnsicherungtechnik die EU-weite Interoperabilität des Schienenverkehrs zu erreichen.
Das Projekt zielt auf die vier Bereiche Traffic Management (Betriebsleittechnik), Signalling (Stellwerkstechnik), Train Control System (Zugbeeinflussung) und Voice and Data Communikation (Zugfunk) ab. Konkrete Projekte innerhalb des ERTMS sind Europtirails (grenzüberschreitenden Austausch von Zuglaufinformationen), INESS (Vereinheitlichung der Stellwerkstechnik), ETCS (Zugbeeinflussungssystem) und GSM-R (Zugfunksystem).
Common Safety Method Um eine europäische Regelung zur Betrachtung der Sicherheit im Zulassungsprozess zu erreichen, wurde die CSM entwickelt. Die CSM ist Bestandteil eines vereinheitlichten europäischen Zulassungsverfahrens. Sie dient der Überwachung und Kontrolle von Gefährdungen, die durch Änderungen im System bahn entstehen können.
Technical Specification for Interoperability Die Technical Specification for Interoperability (TSI) machen für Teilsysteme bzw. Teile von Teilsystemen der transeuropäischen (Hochgeschwindikgkeits-)Eisenbahnsysteme Vorgaben, um deren grundsätzliche (technische) Eignung sowie die Kompabilität untereinander zu gewährleisten. Dabei handelt es sich um eine unionsrechtliche, technische Vorschrift der Europäischen Kommission.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?296226

Gedruckt am Freitag, 19. April 2024 04:26:13