Forschungsinformationssystem des BMVI

zurück Zur Startseite FIS

Europäische Politik als Akteur des Kombinierten Verkehrs

Erstellt am: 18.03.2010 | Stand des Wissens: 12.06.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. Dr. h.c. W. Kersten

Die Institutionen der Europäischen Union, vor allem EU-Kommission und Europaparlament, nehmen auf die Entwicklung des Verkehrs Einfluss. Den Rahmen dafür bildet das Weißbuch Verkehr "Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum - Hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem" [EUKom11a], in dem Ziele und Grundlagen formuliert wurden. So sollen nach der Europäischen Kommission [EUKom11a, S. 5,10,20,24]
  • 20 Prozent der Treibhausgasemissionen bis 2030 im Vergleich zu 2008 eingespart,
  • die Überlastung der Verkehrssysteme, insbesondere des Straßennetzes und des Luftraums, verringert,
  • die Verkehrsmärkte zur Verwirklichung eines gemeinsamen Binnenmarktes weiter geöffnet,
  • die Arbeitsbedingungen im Verkehrsgewerbe vereinheitlicht und verbessert sowie
  • die weltweite Wettbewerbsfähigkeit der EU durch die Förderung und den Einsatz von intelligentem Verkehrsmanagement und innovativen Technologien gesichert werden.
Neben "der effizientere[n] Nutzung des Verkehrs und der Infrastruktur durch Einsatz verbesserter Systeme für Verkehrsmanagement und Information (zum Beispiel IVS, SESAR, ERTMS, SafeSeaNet, RIS), eine fortgeschrittene Logistik und Marktmaßnahmen" werden "multimodale Lösungen im Güterverkehr [angestrebt], bei denen für den Fernverkehr auf das Schiff und die Eisenbahn zurückgegriffen wird." Insbesondere auf größeren Entfernungen gelte es, die wirtschaftliche Attraktivität intermodaler Verkehre zu verbessern und eine "effiziente Komodalität" zu erreichen [EUKom11a, S. 7].

Aufgrund der Divergenz von politischen Zielen und tatsächlichen Gegebenheiten ergreift die Europäische Kommission verschiedene Maßnahmen und stellt somit einen unmittelbar wirkenden Einflussfaktor auch für den Kombinierten Verkehr dar. Dies betrifft zum einen große Teile der gesetzlichen Rahmenbedingungen, die nach EU-Vorgaben in nationales Recht umgesetzt werden, wie beispielsweise
  • Lenkzeitvorschriften für den Straßengüterverkehr [EG561/2006],
  • technische Vorschriften für den Verkehrsträger Schiene [EuKom09a] oder
  • Infrastrukturbenutzungsgebühren [EuPa09].
Zum anderen förderte die Europäische Kommission Initiativen zur (Teil-) Verlagerung von Verkehr zwischen mindestens zwei verschiedenen EU-Staaten auf umweltfreundliche Verkehrsträger mit dem Programm MARCO POLO II (2006-2013). Subventioniert werden auch Infrastrukturprojekte zur Schließung grenzüberschreitender Lücken im europäischen Verkehrsnetz zur Bildung sogenannter Transeuropäischer Netze Verkehr (TEN-T). Nach Ende des MARCO POLO II Programms wurde dieses vom Europäischen Rechnungshof für unwirksam befunden, da die festgelegten Ziele nur in sehr geringem Umfang erreicht wurden [EU13a]. Dennoch bleibt die EU einer der wichtigsten Investoren und Gestalter im Kombinierten Verkehr. Für die Finanzperiode 2021 bis 2027 schreibt die zuständige EU-Agentur CINEA 7 Milliarden Euro Fördermittel aus [CINEA21].
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. Dr. h.c. W. Kersten
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Akteure des Kombinierten Verkehrs (Stand des Wissens: 12.06.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?321694
Literatur
[CINEA21] CINEA , EU (Hrsg.) 2021 CEF Transport call for proposals, 2021/09/16
[EU13a] Europäische Union (Hrsg.) Waren die Marco-Polo Programme im Hinblick auf die Verkehrsverlagerung von der Straße auf andere Verkehrsträger wirksam?, 2013
Rechtsvorschriften
[EG561/2006] Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006
[EuKom09a] 2010/79/EG: Entscheidung der Kommission vom 19. Oktober 2009 zur Änderung der Entscheidungen 2006/679/EG und 2006/860/EG
[EuPa09] Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge
Glossar
Trans European Network Die Idee hinter dem Trans-Europäischen-Netzwerks entstand Ende der achtziger Jahre in Verbindung mit dem beabsichtigten Single Market. Ziel war die Schaffung eines großen Marktes mit Bewegungsfreiheit von Gütern, Personen und Dienstleistungen. Weitere Absichten sind ein verstärktes Wirtschaftswachstum sowie die Schaffung von Arbeitsplätzen. Die Europäische Union entwickelt hierfür Richtlinien zur Entwicklung neuer Projekte und gemeinsamer Interessen der drei Bereiche Transport, Energie und Telekommunikation. Das Europaparlarment und der Europäische Rat genehmigen diese Richtlinien nach Konsultation des europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses.
ITS Intelligent Transportation Systems (ITS) ist der Oberbegriff für Transportsysteme, die Informations- und Kommunikationstechnologie zur Unterstützung des Betriebes einsetzen. ITS-Funktionen unterstützen den Fahrer eines Transportmittels, sie sind damit deutlich von automatischen Transportsystemen zu differenzieren, die auf einen fahrerlosen Betrieb abstellen. Die wichtigsten neuen und zum Teil noch in Entwicklung befindlichen Anwendungsfelder zielen auf (1) Verkehrs- und Transportmanagement (Verkehrsinformationen, Verkehrslenkung, Verkehrs- und Parkleitsysteme, automatische Unfallmeldungen, Meldesysteme zum Gefahrgutmonitoring); (2) Elektronische Systeme zur Gebührenerhebung; (3) Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel (dynamische Fahrgastinformationen, Reservierung, spezifische Informationssysteme für Fahrradfahrer und Fußgänger, Steuerung individueller öffentlicher Verkehrsmittel); (4) Systeme zur Unterstützung der Fahrzeugsicherheit (Kollisionsdetektoren, Sektorisierung von Verkehrswegen).
European Rail Traffic Management System
Das European Rail Traffic Management System (ERTMS) ist ein Projekt, dessen Ziel es ist, durch Schaffung von einheitlichen Standards für die infrastruktur- und fahrzeugseitige Eisenbahnsicherungtechnik die EU-weite Interoperabilität des Schienenverkehrs zu erreichen.
Das Projekt zielt auf die vier Bereiche Traffic Management (Betriebsleittechnik), Signalling (Stellwerkstechnik), Train Control System (Zugbeeinflussung) und Voice and Data Communikation (Zugfunk) ab. Konkrete Projekte innerhalb des ERTMS sind Europtirails (grenzüberschreitenden Austausch von Zuglaufinformationen), INESS (Vereinheitlichung der Stellwerkstechnik), ETCS (Zugbeeinflussungssystem) und GSM-R (Zugfunksystem).
Trans-European Transport Network Das Trans-European Transport Network, TEN-T (dt. Transeuropäisches Verkehrsnetz, kurz TEN-V) ist ein Teilnetz der sog. Trans-European Networks, TEN (dt. Transeuropäische Netze, kurz TEN). Zu diesen zählen neben den Verkehrsnetzen bspw. auch Netzwerke der Telekommunikation oder der Energieversorgung.
Kombinierter Verkehr
Intermodaler Verkehr, bei dem der überwiegende Teil der in Europa zurückgelegten Strecke mit der Eisenbahn, dem Binnen- oder Seeschiff bewältigt und der Vor- und Nachlauf auf der Straße so kurz wie möglich gehalten wird.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?294392

Gedruckt am Donnerstag, 28. März 2024 17:32:38