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Qualitätsdimensionen bei PPP-Projekten

Erstellt am: 14.03.2010 | Stand des Wissens: 14.02.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Bauhaus-Universität Weimar, Professur Infrastrukturwirtschaft und -management - Prof. Dr. Thorsten Beckers
IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch

Bei der Diskussion der Qualität von Infrastruktur können grundsätzlich zwei Aspekte unterschieden werden: Zum einen kann die Qualität der Substanz der Infrastruktur, die so genannte "Substanzqualität", betrachtet werden. Diese Dimension steht in engem Zusammenhang mit der hier diskutierten Kosteneffizienz. Beispielsweise kann eine zu geringe Substanzqualität aufgrund einer zu geringen Bauqualität und / oder zu geringen Erhaltungsaufwendungen langfristig mit signifikant höheren Erhaltungserfordernissen und einem Anstieg der Lebenszykluskosten einhergehen.

Zum anderen kann die Qualität der Servicebereitstellung, die so genannte "Angebotsqualität", diskutiert werden [Vgl. zur Bedeutung der Substanz- und Angebotsqualität bei Infrastruktur auch MiBe08]. Bei der Angebotsqualität handelt es sich um die Qualitätsdimension, die der Nutzer wahrnimmt und die somit für ihn letztendlich von Bedeutung ist. Zwar kann sich mittel- und langfristig eine geringe Substanzqualität negativ auf die Angebotsqualität auswirken. Allerdings kann durch kurzfristig orientierte Maßnahmen grundsätzlich bis zu einem gewissen Grad auch eine ausreichende Angebotsqualität bereitgestellt werden, wenn eine schlechte Substanzqualität vorliegt.

Gemäß vertragstheoretischer Literatur besteht im Rahmen von langfristigen Vertragsbeziehungen häufig die Gefahr von Einbußen bei der Angebotsqualität. [HaSh97] Systematische empirische Auswertungen, die robuste Aussagen zur Entwicklung der Angebotsqualität bei PPP-Projekten erlauben, sind bislang kaum vorhanden. In Großbritannien, wo bereits seit Beginn der 1990er Jahre PPP-Projekte realisiert werden und die umfangreichsten Erfahrungen vorliegen, wird insgesamt von einer weitgehenden Einhaltung der vertraglichen Vereinbarungen bezüglich der Angebotsqualität berichtet. Lediglich bei einigen Projekten existieren Hinweise auf Qualitätsprobleme [Vgl. z. B. NAO03, wo Qualitätsprobleme bei einigen Gefängnis-Projekten konstatiert werden]. Vor diesem Hintergrund wird nachfolgend bei der Analyse der Kosteneffizienz von PPP-Projekten von einem konstanten Qualitätsniveau ausgegangen. Sofern in der Praxis systematische Unterschiede hinsichtlich der Angebotsqualität zwischen einer Realisierung nach der konventionellen Beschaffungsvariante und dem PPP-Ansatz erwartet werden, sollte dies im Rahmen von Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen abgebildet werden.

Theoretische Überlegungen und die empirische Evidenz aus Großbritannien weisen im Übrigen auf eine hohe Bedeutung von Anreizregimen zur dauerhaften Sicherstellung einer effizienten Angebotsqualität hin. [HMTr07, S. 48)] Derartige Anreize können beispielsweise durch die Nutzung von adäquat ausgestalteten Bonus-Malus-Systemen implementiert werden, die zu einer Anpassung der Vergütung des privaten Partners in Abhängigkeit der Angebotsqualität führen.

Jenseits der Frage der durchschnittlich zu erwartenden Angebotsqualität sind auch die Varianz der Angebotsqualität und deren volkswirtschaftliche Bedeutung bei den verschiedenen Beschaffungsvarianten zu diskutieren. Bei der konventionellen Beschaffungsvariante können Schwankungen der Angebotsqualität zum einen aufgrund von Restriktionen innerhalb des Haushaltssystems auftreten, zum Beispiel infolge der Jährlichkeit der Budgetzuweisung. Zum anderen findet im Vergleich zum PPP-Ansatz keine politische Selbstbindung hinsichtlich der Angebotsqualität statt. Demgegenüber erfolgt beim PPP-Ansatz durch den PPP-Vertrag grundsätzlich eine langfristige Fixierung der Angebotsqualität, bei der vertragskonforme Abweichungen lediglich im Rahmen eines gegebenenfalls definierten Bonus-Malus-Systems erlaubt sind. Insofern dürfte unter der Voraussetzung, dass die Angebotsqualität adäquat im PPP-Vertrag fixiert werden kann, die Varianz der Angebotsqualität beim PPP-Ansatz tendenziell geringer ausfallen.

Eine geringere Varianz der Angebotsqualität beim PPP-Ansatz kann aus volkswirtschaftlicher Sicht einen Wert darstellen, wenn Schwankungen der Angebotsqualität mit Nutzeneinbußen bei den Infrastrukturnutzern einhergehen. Allerdings können durch Variationen der Angebotsqualität bei der konventionellen Beschaffungsvariante im Rahmen eines "Trial-and-Error-Verfahrens" unter Umständen auch Lerneffekte über die Wahl der "richtigen" Angebotsqualität erzielt werden. Im Übrigen können generell als sinnvoll erachtete Anpassungen der Angebotsqualität, die zum Beispiel aus einer Abwägung verschiedener staatlicher Aufgaben vor dem Hintergrund von öffentlichen Finanzmittelknappheiten resultieren können, grundsätzlich einfacher beziehungsweise kostengünstiger im Rahmen der konventionellen Beschaffungsvariante umgesetzt werden. Vor dem Hintergrund der schwierigen Quantifizierbarkeit beziehungsweise der unklaren Bedeutung der aufgezeigten Effekte wird der Aspekt der Varianz der Angebotsqualität im Folgenden nicht weiter berücksichtigt.
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Potenziale und Erfolgsfaktoren des PPP-Ansatzes (Stand des Wissens: 15.02.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?294833
Literatur
[HaSh97] Hart, O., Shleifer, A., Vishny, R. W. The Proper Scope of Government: Theory and an Application to Prisons, veröffentlicht in The Quarterly Journal of Economics, Ausgabe/Auflage Vol. 112, No. 4, 1997
[HMTr07] Her Majesty´s Treasury Standardisation of PFI Contracts, Ausgabe/Auflage Version 4, 2007
[MiBe08] Mitusch, K., Beckers, T. Steuerung der Eisenbahninfrastruktur durch Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung (LuFV) und Anreizregulierung, veröffentlicht in Die Zukunft der Bahn: Privatisierung, Wettbewerb, öffentliche Verkehrs- und Umweltinteressen., 2008
[NAO03] National Audit Office The Operational Performance of PFI Prisons, 2003
Glossar
PPP Public Private Partnership beschreibt Partnerschaften zwischen öffentlichen und privaten Unternehmen. Normalerweise findet diese über eine Kapitalverflechtung bei den auszuführenden Projekten statt. Eine Gewinnerzielung ist durchaus erwünscht, um Anreize für das private Unternehmen zu schaffen.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?292142

Gedruckt am Mittwoch, 24. April 2024 18:00:52