Forschungsinformationssystem des BMVI

zurück Zur Startseite FIS

Kostensicherheitsaspekte für die öffentliche Hand beim PPP-Ansatz

Erstellt am: 14.03.2010 | Stand des Wissens: 14.02.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Bauhaus-Universität Weimar, Professur Infrastrukturwirtschaft und -management - Prof. Dr. Thorsten Beckers
IKEM - Institut für Klimaschutz, Energie und Mobilität e.V.
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch

Ein weiterer häufig in Zusammenhang mit dem PPP-Ansatz diskutierter Effekt besteht darin, dass PPP-Projekte eine höhere Sicherheit in Bezug auf die von der öffentlichen Hand zu tragenden Kosten bieten. Dieser im Folgenden als "Kostensicherheit" bezeichnete Effekt bezieht sich auf zwei Aspekte:
  • "Abschätzbarkeit der erwarteten Kosten": Zum einen stellt sich die Frage, ob bei der Realisierung nach dem PPP-Ansatz die erwarteten Kosten besser abgeschätzt werden können als bei der konventionellen Beschaffungsvariante.
  • "Kostenvarianz": Weiterhin ist zu klären, ob bei PPP-Projekten die Varianz von Kostenprognosen um den Erwartungswert geringer ist als bei der konventionellen Beschaffungsvariante.
Bei der konventionellen Beschaffungsvariante werden mit den in der Planungsphase abgeschätzten Kosten die tatsächlich anfallenden Baukosten häufig deutlich unterschätzt. [FlSk03 und DfT04d sowie HMTr02] Der Erwartungswert der Baukosten liegt demnach über den geplanten Baukosten, wobei die Differenz zwischen beiden Werten als "Optimism Bias" oder "optimistischer Fehlschluss" bezeichnet wird. [DfT04d]

Auch zwischen den bei Vertragsabschluss mit privaten Bauunternehmen vereinbarten Kosten und den finalen Baukosten bestehen zum Teil noch hohe Diskrepanzen. Die Überschreitungen der geplanten Kosten (in Form der in den Bauverträgen vorgesehenen Vergütung) können als Begleiterscheinungen der Vertragsgestaltung bei konventionellen Baumaßnahmen angesehen werden. So treten bei Einheitspreisverträgen Unterschätzungen der Mengen einzelner Leistungspositionen auf. [BRH03, S. 72] Weiterhin können Leistungsanpassungen aufgrund geänderter Anforderungen der öffentlichen Hand nach Vertragsabschluss die Ursache für Kostensteigerungen sein.

Aufgrund der hohen Fallzahl an Projekten sollte es im Regelfall für die öffentliche Hand möglich sein, unter Rückgriff auf statistische Auswertungen bereits in der Planungsphase bei Kostenschätzungen den Erwartungswert der Baukosten zu ermitteln. Hierfür wären aus den geplanten Kosten mit Hilfe von Abschätzungen des Optimism Bias für bestimmte Projekttypen die erwarteten Kosten zu bilden. Derartige Abschätzungen wurden zum Beispiel in Großbritannien durchgeführt. [FlSk04 und HMTr02] Solche Ermittlungen der erwarteten Kosten unterbleiben jedoch häufig in der Praxis. Zum einen können hierfür technische Ursachen verantwortlich sein, wie etwa ungeeignete Prognosetechniken, unpassende Daten oder Änderungen der Rahmenbedingungen, die zuweilen eine adäquate Abschätzung der erwarteten Kosten erschweren. [DfT04d, S. 38 f] Zum anderen bestehen Fehlanreize bei an den Projektplanungen beteiligten öffentlichen sowie privaten Organisationen und Akteuren, Projekte zunächst kostengünstiger erscheinen zu lassen, damit deren Realisierungswahrscheinlichkeit steigt.

Insofern kann bei einer Projektrealisierung nach der konventionellen Beschaffungsvariante zunächst festgehalten werden, dass in der Praxis häufig Kostenunterschätzungen erfolgen. Allerdings wäre eine bessere Abschätzung der erwarteten Baukosten grundsätzlich möglich und ist in Großbritannien im Rahmen der konventionellen Beschaffungsvariante zumindest auch partiell zu beobachten. In Bezug auf die Kostenvarianz ist jedoch zu konstatieren, dass diese ein bestimmtes Maß nicht unterschreiten wird, da zwischen den in konventionellen Bauverträgen vereinbarten Vergütungszahlungen und den letztendlich realisierten Kosten klare Abweichungen vorliegen, was unter anderem durch bestimmte Vertragsformen bedingt ist.

Hinsichtlich der in der Erhaltungs- und Betriebsphase anfallenden Kosten werden bei der Projektrealisierung nach der konventionellen Beschaffungsvariante auch noch bei Baubeginn und -fertigstellung in der Regel nur Kostenschätzungen vorliegen. Allerdings dürften bezüglich der Datenverfügbarkeit wiederum grundsätzlich die notwendigen Voraussetzungen für die korrekte Abschätzung von Erwartungswerten bestehen, wenngleich dies in der Praxis derzeit nicht systematisch erfolgt.

Es ist plausibel, dass in der Vorbereitung von PPP-Vorhaben eine wesentlich genauere Abschätzung der zu erwartenden Kosten erfolgt als im Rahmen der konventionellen Beschaffungsvariante. Dies kann zunächst damit begründet werden, dass die öffentliche Hand antizipiert, dass ein Vertragsabschluss mit privaten Investoren nur auf Basis korrekt ausgearbeiteter Planungsunterlagen sinnvoll möglich ist, und daher bereits in den vorgelagerten Planungsphasen eine genauere Kostenabschätzung durchführen lässt. Weiterhin könnte der institutionelle Rahmen bei der Vorbereitung von PPP-Vorhaben, speziell die Vorgaben zur Durchführung von Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen zum Beschaffungsvariantenvergleich, eine sorgfältigere Durchführung von Kostenschätzungen unterstützen. Auch wenn unter Umständen Änderungswünsche der öffentlichen Hand oder auch eine Übernahme von Baugrundrisiko durch diese zu gewissen Erhöhungen beziehungsweise Abweichungen der an den privaten Partner zu leistenden Vergütungszahlungen führen werden, dürften bei PPP-Projekten die zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses geplanten Kosten zumindest im Hinblick auf die Bauphase den zu erwartenden Kosten vergleichsweise nahe kommen. Damit dürften bei PPP-Projekten die erwarteten Baukosten vergleichsweise unkompliziert abgeschätzt werden können. Weiterhin dürfte die Varianz der Baukosten beim PPP-Ansatz grundsätzlich geringer sein.

Im Hinblick auf die Erhaltungs- und Betriebsphase ist bei PPP-Projekten zu berücksichtigen, dass im Rahmen von Nachverhandlungen Leistungs- und Vergütungsanpassungen zu erwarten sein werden, die die Aussagekraft der im ursprünglichen Vertrag vereinbarten Vergütungshöhe einschränken. Prognosen im Hinblick auf die hier zu erwartenden Kostenentwicklungen könnten aufgrund der bislang noch begrenzten Erfahrungen mit PPP-Projekten durchaus schwierig zu erstellen sein. Insofern können bei einer langfristigen Betrachtung der Erhaltungs- und Betriebsphase die erwarteten Kosten und die Kostenvarianz bei PPP-Projekten nur schwer abgeschätzt werden. Kurzfristig ist eine höhere Kostensicherheit bei PPP-Projekten jedoch plausibel.

Empirische Studien bestätigen die vorstehenden Überlegungen zu Kostenschätzungen und zur Kostenentwicklung bei PPP-Projekten und konventionell realisierten Vorhaben. In der Studie von Mott MacDonald (2002) sind bei 39 untersuchten konventionell realisierten Projekten in Großbritannien Baukostensteigerungen in Höhe von durchschnittlich 47 Prozent beobachtet worden, während bei den 11 PPP-Projekten lediglich Baukostenüberschreitungen von durchschnittlich 1 Prozent ermittelt worden sind. [HMTr02, S. 13 f.] Ebenfalls impliziert die Studie des britischen NAO (2003) eine höhere Kostensicherheit bei Rückgriff auf den PPP-Ansatz [Vgl. NAO03a, S. 11 ff.]. Danach sind 29 von den 37 untersuchten PPP-Projekten ohne Baukostensteigerungen im Vergleich zu den vertraglichen Vereinbarungen abgeschlossen worden. Dieses Resultat wird in Relation zu dem Ergebnis einer Studie aus dem Jahr 1999 gesetzt, wonach bei 73 Prozent aller konventionell realisierten Baumaßnahmen Kostenüberschreitungen auftreten. Allerdings offenbaren jüngere empirische Auswertungen des NAO (2005) deutliche Reduktionen der Häufigkeit von Baukostenüberschreitungen auch bei der konventionellen Beschaffungsvariante. Demnach bewegen sich infolge von Verbesserungen bei konventionell realisierten Vorhaben 55 Prozent der Bauprojekte, die zwischen 2003 und 2004 realisiert worden sind, innerhalb des vorgesehenen Kostenrahmens. [NAO05, S. 38 f.] Dass Kostensteigerungen im Rahmen der konventionellen Beschaffungsvariante dennoch eine hohe Bedeutung haben, wird von diversen Untersuchungen bestätigt, die ausschließlich konventionell realisierte Maßnahmen betrachten. [FlSk03 zu Kostensteigerungen bei Infrastrukturprojekten im Allgemeinen, HMTr02 bei britischen Infrastrukturprojekten, DfT04d bei britischen Verkehrsprojekten, NAO07b bei britischen Straßenprojekten und BWV03, S. 21 f., der Kostensteigerungen bei Bauverträgen im Bereich der Bundesfernstraßen in Deutschland quantifiziert; Vgl. zu einer Kritik in Bezug auf die generelle Aussagekraft der angeführten Studien wiederum PoPr07].

Bei der Interpretation dieser Ergebnisse sind jedoch diverse Faktoren zu beachten, die die Aussagekraft eines empirischen Vergleichs zwischen der Kostensicherheit bei der konventionellen Beschaffungsvariante und dem PPP-Ansatz einschränken [Vgl. zu einer Kritik in Bezug auf die generelle Aussagekraft der angeführten Studien wiederum PoPr07]. Zunächst greifen die Untersuchungen häufig auf unterschiedliche Zeitpunkte in der Planungsphase als Ausgangspunkt für den Vergleich der geplanten mit den realisierten Baukosten zurück. [HMTr02 oder auch BGV06, S. 28 sowie Grou05, S. 48] Empirisch beobachtbare Kostenüberschreitungen bei der konventionellen Beschaffungsvariante beziehen sich vielfach auf zu einem vergleichsweise frühen Zeitpunkt erstellte Kostenplanungen. Demgegenüber wurden bei den PPP-Projekten relativ weit vorangeschrittene Kostenkalkulationen oder sogar erst die vertraglich vereinbarten Baukosten zugrunde gelegt.

Vor diesem Hintergrund dürften die vorhandenen empirischen Studien den Unterschied zwischen der konventionellen Beschaffungsvariante und dem PPP-Ansatz im Hinblick auf die Kostensicherheit überzeichnen. Dennoch erscheint es plausibel, dass bei PPP-Projekten zumindest in den ersten Projektjahren eine höhere Kostensicherheit vorherrscht und in der Bauphase eine deutlich geringere Differenz zwischen den geplanten Kosten und den realisierten Kosten auftritt.

Sofern noch keine Entscheidung über die Realisierung eines Projekts gefallen ist, stellt eine bessere Abschätzung der erwarteten Kosten aus volkswirtschaftlicher Sicht generell einen Wert dar. Denn es ist von Vorteil, wenn bei der politischen Entscheidung über die Projektrealisierung die erwarteten Kosten vorliegen und im Rahmen von Projektbewertungen berücksichtigt werden können. Wie aufgezeigt, besteht im Rahmen der konventionellen Beschaffungsvariante grundsätzlich die Möglichkeit, die erwarteten Kosten auch während der Planungsphase abzuschätzen. Allerdings wird diese Möglichkeit in der Praxis häufig nicht genutzt. Im Rahmen von PPP-Projekten liegen - insbesondere zum Ende der Planungsphase im Zuge der Vorbereitung von Vergabeverfahren und Vertragsabschluss - vergleichsweise gut ausgearbeitete Planungsunterlagen vor, was relativ genaue Abschätzungen der Kosten erlaubt. Die Prognostizierbarkeit der langfristig erwarteten Kosten in der Erhaltungs- und Betriebsphase erscheint sowohl bei PPP-Vorhaben als auch bei der konventionellen Beschaffungsvariante möglich, ist aber mit verschiedenen Problemen behaftet.

In Bezug auf die Baukosten wird der Aspekt der geringeren Kostenvarianz bei PPP-Projekten in der Regel deutlich besser erfüllt als bei konventionell realisierten Projekten. Vor dem Hintergrund der Risikoneutralität der öffentlichen Hand ist eine Minimierung beziehungsweise Reduktion der Varianz von Kostenschätzungen um einen Erwartungswert aus volkswirtschaftlicher Sicht allerdings grundsätzlich irrelevant. Lediglich in Ausnahmefällen, wenn ein großes, risikoreiches Projekt von einer relativ kleinen Gebietskörperschaft oder Verwaltungseinheit getragen wird, kann Kostensicherheit ein volkswirtschaftlich relevantes Ziel darstellen.
Ansprechpartner
Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Institut für Volkswirtschaftslehre (ECON), Prof. Dr. Kay Mitusch
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Potenziale und Erfolgsfaktoren des PPP-Ansatzes (Stand des Wissens: 15.02.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?294833
Literatur
[BGV06] Blanc-Brude, F., Goldsmith, H., Välilä, T. Ex Ante Construction Costs in the European Road Sector: A Comparison of Public-Private Partnerships and Traditional Public Procurement, 2006
[BRH03] Bundesrechnungshof Hochbau des Bundes Wirtschaftlichkeit bei Baumaßnahmen, Ausgabe/Auflage 2. Auflage, Verlag W. Kohlhammer Stuttgart, 2003
[BWV03] Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung Gutachten zur Wirtschaftlichkeit der Vergabe an Billigstbieter im Bereich des Bundesfernstraßenbaues und der Bundeshochbauten, 2003
[DfT04d] Flyvbjerg, B., COWI Procedures for Dealing with Optimism Bias in Transport Planning, 2004
[FlSk03] Flyvbjerg, B. , Skamris, M. K., Buhl, S. L. How common and how large are cost overruns in transport infrastructure projects?, veröffentlicht in Transport Reviews, Ausgabe/Auflage Vol. 23, No. 1, 2003
[FlSk04] Flyvbjerg, B., Skamris Holm, M. K., Buhl, S. L. What Causes Cost Overrun in Transport Infrastructure Projects?, veröffentlicht in Transport Reviews, Ausgabe/Auflage Vol. 24, No. 1, 2004
[Grou05] Grout, P. Value-for-money measurement in public private partnerships, veröffentlicht in EIB Paper, Ausgabe/Auflage Vol. 10, No. 2, 2005
[HMTr02] Mott MacDonald Review of Large Public Procurement in the UK, 2002
[NAO03a] National Audit Office PFI: Construction Performance, 2003
[NAO05] National Audit Office Improving Public Services through better construction, 2005
[NAO07b] National Audit Office Department for Transport. Estimating and monitoring the costs of building roads in England, 2007
[PoPr07] Pollock, A. M., Price, D., Player, S. An Examination of the UK Treasurys Evidence Base for Cost and Time Overrun Data in UK Value-for-Money Policy and Appraisal, veröffentlicht in Public Money & Management, Ausgabe/Auflage Vol. 27, No. 2, 2007
Glossar
PPP Public Private Partnership beschreibt Partnerschaften zwischen öffentlichen und privaten Unternehmen. Normalerweise findet diese über eine Kapitalverflechtung bei den auszuführenden Projekten statt. Eine Gewinnerzielung ist durchaus erwünscht, um Anreize für das private Unternehmen zu schaffen.
Optimism bias
Als "optimism bias" wird die tendenzielle Neigung von Gutachtern und Projektträgern bezeichnet, wesentliche Größen ihrer Vorhaben zu optimistisch einzuschätzen und etwaige Risikofaktoren zu vernachlässigen.
Als Folge des "optimism bias" werden Projektkosten und -dauern häufig unterschätzt bzw. der zu erwartende Projektnutzen überschätzt. Verschiedene Verfahren, wie z.B. Sensitivitätsanalysen oder Risikoaufschläge, können dazu beitragen, eventuelle Fehleinschätzungen frühzeitig zu identifizieren.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?292122

Gedruckt am Freitag, 19. April 2024 23:58:44