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Sicherheitsaspekte beim Einsatz größerer Fahrzeuge im ÖPNV

Erstellt am: 10.06.2008 | Stand des Wissens: 06.12.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König

Bei der Betrachtung von Sicherheitsaspekten beim Einsatz von großen Fahrzeugen im ÖPNV ist nach Anhängergespannen und überlangen Gelenkbussen zu unterscheiden.

Bei Anhängergespannen sind zwei Sicherheitsaspekte zu betrachten. Zum einen stellt der Raum zwischen Zugfahrzeug und Anhänger ein Gefährdungspotenzial dar und zum anderen ist kein direkter Kontakt zwischen Fahrer und Fahrgast im Anhänger möglich. Da Anhängergespanne in Deutschland derzeit nur mit einer Ausnahmegenehmigung fahren dürfen (Anhängergespanne sind nach StVZO nicht zulässig), sind in den jeweiligen Ausnahmegenehmigungen auch Regelungen zu Sicherheitsfragen getroffen worden. Der Raum zwischen Zugfahrzeug und Anhänger wird mit einer Absperrung aus Kunststoffband gegen Betreten gesichert (vgl. Abb. 1). Ein Überqueren der Deichsel kann zusätzlich durch einen auf der Deichsel montierten Absperrbügel verhindert werden. Weiterhin kann mittels eines Kamera-Monitor-Systems (Kamera am Heck des Zugfahrzeugs) der Raum zwischen Zugfahrzeug und Anhänger überwacht werden. Somit kann sichergestellt werden, dass sich beim Anfahren keine Personen zwischen den beiden Gespannteilen befindet. [Deut07]
Absperrband.jpgAbb. 1: Absperrungen verhindern das Betreten des Raumes zwischen Bus und Anhänger
In Leichlingen (Verkehrsbetrieb Hüttebräucker) werden drei Anhängergespanne im Linienverkehr eingesetzt. Es ist von Fahrgästen kein negatives Sicherheitsempfinden aufgrund der Mitfahrt im Personenanhänger geäußert worden. [Deut07]

Das Kamera-Monitor-System ist üblicherweise nicht auf den Raum zwischen Zugfahrzeug und Anhänger beschränkt, sondern beinhaltet auch die Innenraumüberwachung des Anhängers (möglichst mit Erfassung der selbsttätig öffnenden und schließenden Fahrgasttür im Anhänger). Weiterhin muss (in Leichlingen) gemäß Anforderungskatalog der Ausnahmegenehmigung eine Verständigungsmöglichkeit zwischen Fahrgästen im Anhänger und Fahrpersonal gegeben sein. Dazu werden eine Gegensprechanlage und ein Notsignalknopf (vgl. Abb. 2) eingebaut. [Deut07]
Innenraum.jpg Abb. 2: Verständigungsmöglichkeit zwischen Fahrgästen im Anhänger und Fahrpersonal
Etwa 70 % der Befragten beurteilt die persönliche Sicherheit im Bus mit "sehr gut" oder "gut", 1 % beurteilt sie mit "mangelhaft". Es sind keine Unterschiede zum Sicherheitsempfinden in den einzelnen Wagenteilen festzustellen (vgl. Abb. 3). Die Sicherheit im dritten Wagenteil wird weder besser noch schlechter beurteilt als in den vorderen Wagenteilen. Auffällig ist jedoch, dass das Sicherheitsempfinden von jüngeren Fahrgästen schlechter ist als das von älteren. Während über 60-jährige zu 85 % die Noten "sehr gut" und "gut" vergaben, beurteilten die jüngeren Fahrgäste (Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre und Erwachsene bis 30 Jahre) die Sicherheit häufiger mit "befriedigend". Aussagen zum Sicherheitsempfinden in den Abend- und Nachtstunden können nicht gemacht werden, da die Doppelgelenkbusse zum Erhebungszeitpunkt aufgrund des Fahrgastaufkommens nur bis etwa 20 Uhr im Einsatz waren. [Krich06] gefragt.

Bei Doppelgelenkbussen ergeben sich Sicherheitsbedenken zum einen dadurch, dass bei Abbiegevorgängen das Heck des Fahrzeugs über die Außenspiegel vom Fahrpersonal nicht mehr einzusehen ist. Dies kann u. U. zu Gefährdungen von anderen Verkehrsteilnehmern führen. Zum anderen ist über den Innenspiegel der Innenraum des letzten Wagenteils kaum noch einzusehen, so dass die Sicherheit der Fahrgäste im hinteren Teil des Busses möglicherweise eingeschränkt ist.

Für beide Bereiche hat sich ein Kamera-Monitor-System mit Außenkameras am Heck und einer Kamera für den Innenraum des dritten Wagenteils als geeignet herausgestellt. Dem Fahrer werden die Bilder auf einen Monitor am Fahrerarbeitsplatz übertragen. [Krich06]

Im Rahmen einer Fahrgastbefragung in den Doppelgelenkbussen in Aachen wurde nach dem Sicherheitsempfinden gefragt.
Sicherheit.jpgAbb. 3: Beurteilung der Sicherheit in den einzelnen Wagenteilen in Aachen
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Größere Fahrzeuge im ÖPNV (Stand des Wissens: 22.06.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?266847
Literatur
[Deut07] Deutsch, Volker, Obering. Dr.-Ing., Hüttebräucker, Udo Mini-Buszug in Leichlingen - Erfahrungen und eine erste Bilanz, veröffentlicht in Der Nahverkehr, Ausgabe/Auflage 12/2007, 2007
[Krich06] Krichel, Peter, Dipl.-Ing. Evaluierung eines Kamera-Monitor-Systems am Beispiel eines Doppelgelenkbusses im Linienbusverkehr der ASEAG, 2006/03
Rechtsvorschriften
[StVZO] Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO)
Glossar
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?266727

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 10:39:26