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Lange Straßenbahnen zur Kapazitätssteigerung im ÖPNV

Erstellt am: 10.06.2008 | Stand des Wissens: 06.12.2022
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König

Die Einführung von längeren Fahrzeugen im Straßenbahnverkehr bedarf eines intensiven Planungsprozesses, denn die Straßenbahnen erweisen durch ihren fest vorgegebenen Fahrweg nur eine geringe Flexibilität bei Abweichungen. Außerdem entsprechen die Straßenbahnen im Gegensatz zu überlangen Bussen den gesetzlichen Regelungen. Nach § 55 BOStrab (Verordnung über den Bau und Betrieb der Straßenbahnen) ist in Deutschland bei Straßenbahnen, die am Straßenverkehr teilnehmen, eine Länge von bis zu 75 m möglich. Im überregionalen Verkehr können häufig Stadtbahnen den schienengebundenen Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) übernehmen.
In Budapest (Ungarn) verkehren sehr lange Straßenbahnen mit einer Fahrzeuglänge von 54 m (siehe Abb. 1). Es sind 40 Fahrzeuge des Typs "Combino Plus" vom Fahrzeughersteller Siemens Transportation Systems im Einsatz. Die Fahrzeuge sind 2,40 m breit und können bis zu 350 Fahrgäste (80 Sitzplätze) befördern. Ein Fahrzeug kostet etwa 3,5 Mio. EUR [Luka06]. Das zwölfachsige Fahrzeug verfügt über "Quasi"-Drehgestelle und einen konventionellen geschweißten Stahlrahmen [Koch07c].
Budapest.jpg
Abb. 1: 54 m-Straßenbahn in Budapest
In Deutschland kommen seit 2003 bei den Dresdener Verkehrsbetrieben 45 m lange Straßenbahnen mit einer Kapazität von 260 Fahrgästen bei 107 Sitzplätzen zum Einsatz. Das Fahrzeug von Bombardier ist ein Drehgestellfahrzeug mit einem relativ hohen Gesamtgewicht (leer: 53,9 t, besetzt: 83,3 t). Zu beachten ist bei sehr langen und entsprechend schweren Fahrzeugen die Tragfähigkeit von Brücken. Im Extremfall können diese Fahrzeuge nicht freizügig im gesamten Netz eingesetzt werden. Beim Dresdener Fahrzeug liegt das Gesamtgewicht eines beladenen Fahrzeugs im Grenzbereich der Tragfähigkeit einiger Brücken mit größeren Stützweiten [Jakob03]. Abb. 2 zeigt ein Dresdener Fahrzeug.In Deutschland kommen seit 2003 bei den Dresdener Verkehrsbetrieben 45 m lange Straßenbahnen mit einer Kapazität von 260 Fahrgästen bei 107 Sitzplätzen zum Einsatz. Das Fahrzeug von Bombardier ist ein Drehgestellfahrzeug mit einem relativ hohen Gesamtgewicht (leer: 53,9 t, besetzt: 83,3 t). Zu beachten ist bei sehr langen und entsprechend schweren Fahrzeugen die Tragfähigkeit von Brücken. Im Extremfall können diese Fahrzeuge nicht freizügig im gesamten Netz eingesetzt werden. Beim Dresdener Fahrzeug liegt das Gesamtgewicht eines beladenen Fahrzeugs im Grenzbereich der Tragfähigkeit einiger Brücken mit größeren Stützweiten [Jakob03]. Abb. 2 zeigt ein Dresdener Fahrzeug.


Für den Einsatz der neuen Straßenbahnen in Budapest waren Investitionen in die Infrastruktur notwendig. Dafür wurden 6,1 Mrd. Forint (etwa 2,3 Mio. EUR) ausgegeben. Im Einzelnen mussten die Haltestellen und Bürgersteige umgebaut und den neuen Fahrzeugen angepasst (u. a. für einen behindertengerechten Einstieg in die Niederflurfahrzeuge) sowie die Oberleitungen erneuert werden [Luka06]. Darüber hinaus wurde ein Betriebshof angepasst und modernisiert [Koch07c]. Die Fahrzeuglänge beeinflusst letzten Endes auch den Verkehrsfluss an Lichtsignalanlagen (LSA). Denn längere Fahrzeuge benötigen mehr Zeit, um eine Straße zu kreuzen.
Zum Einsatz kommen die Bahnen auf der Linie 4/6. In Spitzenzeiten verkehren sie alle 90 Sekunden. Auf dieser Linie werden 122.000 Fahrgäste pro Tag und Richtung befördert. Durch den Einsatz der 54 m-Bahnen soll auch die Haltestellenaufenthaltszeit reduziert, somit die Reisegeschwindigkeit erhöht und letztlich die benötigte Anzahl von Fahrzeugen bei gleichem Angebot verringert werden. Dazu sind gewisse Maßnahmen bei der Gestaltung des Fahrzeugs (kurze Türöffnungs- und -schließzeiten, möglichst viele Türen, geringer Höhenunterschied zwischen Fahrzeugboden und Bahnsteig, ausreichend dimensionierte Auffangräume), bei der Gestaltung der Haltestellen (Bahnsteighöhe passend zum Fahrzeug, gute Zu- und Abgangsmöglichkeiten, ausreichend dimensionierte Warteflächen) und bei der Betriebsabwicklung (Entwerter und Fahrkartenautomat nicht direkt an der Tür, kein Fahrscheinverkauf beim Fahrpersonal, Abstimmung der Lichtsignalanlagen) notwendig. [Uebel07]
Dresden.jpgAbb. 2: 45 m-Straßenbahn ind Dresden

Im Gegensatz zu überlangen Bussen entsprechen die Straßenbahnen den gesetzlichen Regelungen. Nach § 55 BOStrab (Verordnung über den Bau und Betrieb der Straßenbahnen) ist in Deutschland bei Straßenbahnen, die am Straßenverkehr teilnehmen, eine Länge von bis zu 75 m möglich.
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Größere Fahrzeuge im ÖPNV (Stand des Wissens: 22.06.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?266847
Literatur
[Jakob03] Jakob, Ulrich, Dipl.-Ing. (FH) NGT D12 DD: Die zweite Stadtbahngeneration für Dresden, veröffentlicht in Verkehr und Technik, Ausgabe/Auflage Heft 3, 2003
[Koch07c] Kochems, Michael Vielfalt links und rechts der Donau, veröffentlicht in Strassenbahn Magazin, Ausgabe/Auflage 1/07, 2007
[Luka06] Lukàcs, Ágnes Siemens Combino: Die längste Straßenbahn der Welt, veröffentlicht in Budapester Zeitung, Ausgabe/Auflage Nummer 12, 2006/03/20
[Uebel07] Uebel, Lutz, Dipl.-Ing. Die längste Straßenbahn der Welt - Betriebserfahrungen des Combino Plus in Budapest, 2007/09/14
Rechtsvorschriften
[BOStrab] Verordnung über den Bau und Betrieb der Straßenbahnen (Straßenbahn-Bau- und Betriebsordnung - BOStrab)
Glossar
Verkehrsfluss
Unter Verkehrsfluss versteht man die Anzahl der Fahrzeuge, die eine vordefinierte Verkehrs(quer)fläche pro Zeiteinheit durchfährt.
LSA Lichtsignalanlagen LSA (umgangssprachlich: Ampeln) dienen der Steuerung des Straßenverkehrs, indem mittels Lichtsignalen ein bestimmtes Verhalten der Verkehrsteilnehmer angeordnet wird.
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.
Tragfähigkeit Wasserverdrängung eines voll abgeladenen Schiffes abzüglich der Schiffsmasse. Umfasst die Massen von Besatzung, Passagieren, Ladung, Brennstoffen, Wasser und aller Vorräte.
übliche Abkürzungen:  Tons deadweighttdw), Dead weight tons)
LSA Lichtsignalanlagen (LSA) dienen der Steuerung des Straßenverkehrs. Sie ordnen für Verkehrsteilnehmer ein bestimmtes Verhalten an, indem sie gesteuerte Signale abgeben. Umgangssprachlich werden sie auch häufig Ampeln genannt.
BOStrab
Die Verordnung über den Bau und Betrieb der Straßenbahnen Kurztitel Straßenbahn-Bau- und Betriebsordnung (BOStrab) regelt in der Bundesrepublik Deutschland den Bau und Betrieb von Straßenbahnen sowie weiteren ober- und unterirdischen Bahnen, die nicht von der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung gedeckt werden.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?266527

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 12:30:05