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Überlange Gelenkbusse zur Kapazitätssteigerung im ÖPNV

Erstellt am: 10.06.2008 | Stand des Wissens: 06.12.2022
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TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König

Nach den 12 m Standardbussen bilden die herkömmlichen Gelenkbusse mit 18 m das zweitgrößte Marktsegment, wobei auch die Gelenkbusse mit 18,75 m Länge noch nicht zu überlangen Beförderungsmitteln zählen.[Fri12] Zur Kapazitätssteigerung von Standardgelenkbussen haben die Bushersteller Mercedes-Benz mit dem CapaCity und MAN mit dem Lion's City GXL überlange Gelenkbusse auf den Markt gebracht. Im Gegensatz zu Doppelgelenkbussen, bei denen der Vorderwagen angetrieben werden muss, sitzt der Motor, wie bei Mercedes-Benz und MAN üblich, im Nachläufer. Diese Busse können wie Standardbusse auch rückwärts gefahren werden.

Der CapaCity ist 19,54 m lang und verfügt gegenüber einem Standardgelenkbus über eine vierte, hydraulisch gelenkte Achse. Das Fahrzeug bietet bei 37 Sitzplätzen und 8 Personen je Quadratmeter Stehfläche 193 Personen Platz.

Der Lion's City GXL ist 20,5 m lang und verfügt ebenso über eine vierte, hydraulisch gelenkte Achse. Er bietet bei 49 Sitzplätzen und 8 Personen je Quadratmeter Stehfläche 201 Fahrgästen Platz und hat ein zulässiges Gesamtgewicht von 32,5 t. [Hond06b, Görg08]
GXL.jpgAbb. 1: 'Maßskizze des MAN Lions City GXL
Abb. 2: 'Maßskizze des MAN Lions City GXL

Bei überlangen Gelenkbussen muss das gegenüber herkömmlichen Gelenkwagen etwa dreifache Ausschwenkmaß beachtet werden. Die vierte Achse ist elektrohydraulisch aktiv gelenkt und reagiert in Abhängigkeit des Lenkwinkels der Vorderräder und der Drehgelenksteuerung. Für den Haltestellenbereich ergibt sich eine Besonderheit: Die Steuerung der vierten Achse ist so programmiert, dass sie beim Anfahren die Räder nicht mitlenkt und somit das Ausschermaß zugunsten der Sicherheit von wartenden Fahrgästen an Haltestellenbuchten minimiert [Görg08]. Die vierte Achse führt zu einer deutlichen Stabilisierung des Hinterwagens. Das von Standardgelenkbussen bekannte Wanken und Nicken des einachsigen Hinterwagens entfällt. [Balke06]

Angetrieben ist die dritte Achse. Das Fahrzeug entspricht mit einem Wendekreis von 24,98 m den gesetzlichen Vorgaben [Hond07]. Der Einsatz von überlangen Gelenkbussen sollte sich auf Linien mit einer hohen Belastung über den gesamten Tag hinweg beschränken.

Bei der Anschaffung eines Lion's City GXL ist, je nach Ausstattung und Stückzahl, mit Kosten in Höhe von 360.000 ... 410.000 EUR pro Fahrzeug zu rechnen. Der Durchschnittsverbrauch wird mit 60 Litern Diesel auf 100 km vom Hersteller angegeben. [Hond07]

Im Gegensatz zum Fahrzeug von MAN, das sich optisch in die Stadtbusfamilie exakt eingliedert, wurde der Prototyp des CapaCity von Mercedes-Benz in einem speziellen Design entwickelt. Dies ist auf einen häufig geäußerten Wunsch von Kunden zurückzuführen. Es mag dahinterstecken, dass in einigen Fällen ein optimiertes Busverkehrssystem als Alternative zu einem Straßenbahnsystem entwickelt wird. Für die politische Willensbildung darf der Faktor "Emotionalität durch Design", ein Vorteil von städtischen Bahnsystemen, nicht unterschätzt werden. Das Design des Fahrzeugs ist daher an Straßen- bzw. Stadtbahnen orientiert. [Balke06]
CapaCity_SSB.jpgAbb. 3:CapaCity
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TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Größere Fahrzeuge im ÖPNV (Stand des Wissens: 22.06.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?266847
Literatur
[Balke06] Balke, Christian, Dipl.-Ing. Der CapaCity von Mercedes-Benz, veröffentlicht in stadtverkehr, Ausgabe/Auflage 2/06, 2006
[Fri12] Reinhard Fritsch Von XS bis XXL-Busse für alle Verkehrsbedürfnisse, veröffentlicht in Der Nahverkehr, Ausgabe/Auflage 12/2012, 2012/12
[Görg08] Görgler, Jürgen Großraumkonzept: MAN Lion's City GXL, veröffentlicht in Verkehr und Technik, Ausgabe/Auflage 3/2008, 2008
[Hond06b] Hondius, Harry, Dipl.-Ing. ETHZ Perspektiven der Großraumbusse, veröffentlicht in Der Nahverkehr, Ausgabe/Auflage 3/2006, 2006
[Hond07] Hondius, Harry, Dipl.-Ing. ETHZ Vorstellung des MAN Lion's City GXL, veröffentlicht in stadtverkehr, Ausgabe/Auflage 7-8/07, 2007
Glossar
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.
Busverkehrssystem Hochwertiger, flexibler Linienbusverkehr mit flächendeckender Erschließung, bei dem sämtliche Einzelkomponenten der Personenbeförderung als ein zusammenhängender Gesamtkomplex gesehen werden (Verkehrsangebot, Fahrgastbedienung, Haltestelle, Fahrwege, Betrieb, Fahrzeug). Mindestvoraussetzung ist ein nach verkehrstechnischen und bautechnischen Gesichtspunkten angemessenes Beschleunigungsprogramm und eine hohe Wertschätzung durch Politik und Verwaltung.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?266499

Gedruckt am Donnerstag, 28. März 2024 22:30:03