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Handlungsbedarf im Regionalverkehr auf dem Lande

Erstellt am: 03.01.2003 | Stand des Wissens: 21.10.2021
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König

Der Handlungsbedarf im Regionalverkehr in ländlich strukturierten Räumen ergibt sich aus vielen Gründen.

Auf dem Lande herrscht im Vergleich zur Stadt naturgemäß eine geringe Bevölkerungsdichte. Während die topografische Struktur in gebirgigen Regionen eine gewisse Struktur der Besiedlung vorgibt, ist in flachen Landschaftsräumen häufig eine außerordentlich disperse Besiedlung vorzufinden. Im Ergebnis entsteht eine nur mittlere bis geringe und schwer zu bündelnde Verkehrsnachfrage, die in der Regel ein unattraktives Angebot im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) zur Folge hat [Koehl10].

Andererseits erfordert die gerade auf dem Lande wachsende Trennung der Funktionen Wohnen, Bilden, Arbeiten, Einkaufen und Freizeit zunehmend lange Wege. In der Folge weisen Gemeinden mit weniger als 2000 Einwohnern nach [infas10] mit 1,5 Autos je Haushalt die höchste Pkw -Motorisierung auf, komplette ländliche Kreise immerhin noch 1,3 Autos je Haushalt. Restriktionsmöglichkeiten gegenüber dem Motorisierten Individualverkehr (MIV), wie sie aus Städten bekannt sind, fehlen in der Regel völlig.

Dennoch verfügen in Gemeinden mit weniger als 2000 Einwohnern nach [infas10] 9,3% der Haushalte über kein Auto, in kompletten ländlichen Kreisen sind sogar 13,7% aller Haushalte ohne Auto. Kinder können überhaupt nicht auf eigene motorisierte Fahrzeuge zurückgreifen.

Die prognostizierten und zum Teil schon eingetretenen demografischen, strukturellen und finanziellen Entwicklungen verstärken derzeit diese Tatsachen.

Deshalb vertreten die am ÖPNV Beteiligten mehrheitlich den Standpunkt, auf dem Lande einen angemessenen Regionalverkehr auch zukünftig vorzuhalten, um die Mobilität der Menschen durch öffentliche Verkehrsmittel zu sichern. ÖPNV ist nach dem Regionalisierungsgesetz des Bundes (RegG) eine Aufgabe der Daseinsvorsorge. Im Vergleich zu Ballungsräumen, in denen der ÖPNV ein Konkurrenzsystem zum motorisierten Individualverkehr darstellt, dient der ÖPNV im ländlichen Raum insbesondere sozialen Aufgaben. Neben der Schülerbeförderung ist das im besonderen Maße die Mobilitätsicherung von Einwohnern, die über keinen Pkw verfügen oder einen Pkw nicht benutzen können, dürfen oder wollen.

Für den ÖPNV bedeutet das [Kirch99]:
  • Das Verkehrsangebot orientiert sich durch die Pflichtaufgabe der Schülerbeförderung zum großen Teil an den Bedürfnissen der Schüler.
  • Nur auf wenigen nachfragestarken Relationen ist ein nachfrageorientiertes regelmäßiges Linienangebot wirtschaftlich sinnvoll.
  • Abseits der Hauptrelationen ist das nachfrageorientierte Linienangebot durch bedarfsabhängige Verkehrsangebote zu ersetzen.
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Differenzierte Bedienung auf dem Lande (Stand des Wissens: 26.10.2021)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?14413
Literatur
[infas10] DLR - Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt, Institut für Verkehrsforschung, infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft Mobilität in Deutschland 2008 (MiD 2008) , 2010/02
[Kirch99] Heinze, G.Wolfgang, Prof. Dr. rer. pol., Kirchhoff, Peter, Prof. Dr.-Ing., Köhler, Uwe, Prof. Dr.-Ing. Planungshandbuch für den ÖPNV in der Fläche, veröffentlicht in direkt, Ausgabe/Auflage Heft 53, Bonn, 1999
[Koehl10] Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V. Empfehlungen für Planung und Betrieb des öffentlichen Personennahverkehrs, Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen e.V. Köln, 2010/06, ISBN/ISSN 978-3-941790-25-4
Rechtsvorschriften
[RegG] Regionalisierungsgesetz (RegG)
[ROG] Raumordnungsgesetz (ROG)
Glossar
Motorisierter Individualverkehr Als motorisierter Individualverkehr (MIV) wird die Nutzung von Pkw und Krafträdern im Personenverkehr bezeichnet. Der MIV, als eine Art des Individualverkehrs (IV), eignet sich besonders für größere Distanzen und alle Arten von Quelle-Ziel-Beziehungen, da dieser zeitlich als auch räumlich eine hohe Verfügbarkeit aufweist. Verkehrsmittel des MIV werden von einer einzelnen Person oder einem beschränkten Personenkreis eingesetzt. Der Nutzer ist bezüglich der Bestimmung von Fahrweg, Ziel und Zeit frei (örtliche, zeitliche Ungebundenheit des MIV).
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?25375

Gedruckt am Donnerstag, 28. März 2024 20:34:17