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Umwelt und Nachhaltigkeit als Qualitätsindikatoren im Luftverkehr

Erstellt am: 23.02.2008 | Stand des Wissens: 15.03.2021
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike

Die Auswirkungen des zivilen Luftverkehrs auf die Umwelt rückten in den letzten 30 Jahren zunehmend in den Fokus der öffentlichen Diskussion. Durch Inkrafttreten nationaler und internationaler Verordnungen zur Reduzierung von Fluglärm und Schadstoffemissionen an Flughäfen wurden erste Maßnahmen entwickelt und umgesetzt. Umwelt und Nachhaltigkeit gewinnen als Qualitätsindikatoren des Luftverkehrs weiterhin an Bedeutung. Dem wird durch technische (Lärmreduktion an der Quelle), operative (veränderte Flugverfahren) und administrative (Novellierung des Fluglärmgesetztes) Lösungsansätze für einen umweltschonenderen Flugverkehr Rechnung getragen. Für die Reduzierung von Schadstoffemissionen werden ebenfalls unterschiedliche Maßnahmen entwickelt, die administrative (Landeentgelte, Emissionshandel), betriebliche (optimale Flughöhen und Flugverfahren) und technische (neue Triebwerkskonzepte) Ansätze verfolgen.

Die Gliederung der hauptsächlichen Umweltbelastungen des Flugbetriebs in der Luft und am Flughafen erfolgt in den Kategorien:
  • Lärm,
  • Abgase,
  • Wasserverschmutzung und -nutzung,
  • Abfall- und Energiemanagement,
  • Flächennutzung (Naturschutzgebiet und Landschaftsraum) [Grah01].
Zur Reduktion der Lärmemissionen trat im März 1971 das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm in Kraft. Im Zuge der Novellierung des Fluglärmgesetzes am 7. Juni 2007 wurden Lärmgrenzwerte gesenkt und Schutzzonen ausgeweitet. Die Umsetzung flugbetrieblicher Maßnahmen zur Lärmentlastung umfasst lärmminimierende Flugverfahren sowie die Wahl anderer Flugrouten. Planerische Maßnahmen zur Fluglärmminderung umfassen Beschränkungen der baulichen Nutzung im Rahmen der Raumplanung und Berücksichtigung baulicher Schallschutzmaßnahmen an bestehenden und geplanten Gebäuden.

Laut [UBA19g, S. 30] verursachte der zivile Luftverkehr im Jahr 2015 mit circa 875 Millionen Tonnen 2,5 Prozent der weltweiten anthropogenen CO2-Emissionen. Der europäische Luftverkehr stieß im Jahr 2017 163 Millionen Tonnen CO2 aus - mit steigender Tendenz. Im Vergleich zu den land- und wassergebundenen Verkehrsträgern unterscheidet sich der Flugverkehr bei der Entstehung seiner Emissionen, da der Treibstoff während der verschiedenen Flugphasen in unterschiedlichen Flughöhen unter wechselnden atmosphärischen Bedingungen mit unterschiedlicher Umweltwirkung (siehe Radiative Forcing Index (RFI)) verbrannt wird [UBA12j, S. 196-203].

Der stetig steigende Rohölpreis hat 2008 eine psychologisch wichtige Grenze von 100 US-Dollar pro Barrel überschritten. Durch direkte Kopplung des Kerosinpreises an den Rohölpreis und wegen des Kraftstoffanteils von bis zu 36 Prozent an den gesamten Betriebskosten sind Fluggesellschaften zunehmend bemüht, den Treibstoffverbrauch zu reduzieren. Dem Luftverkehrswachstum von etwa fünf Prozent steht eine Reduzierung des Kraftstoffverbrauchs von etwa ein bis zwei Prozent gegenüber, mit der Folge eines Anstiegs der CO2-Emissionen von drei bis vier Prozent laut dem Intergovernmental Panel on Climate Change. Bis zum Jahr 2020 wird eine Verdopplung der CO2-Emissionen prognostiziert, dem durch weitere Technologieverbesserungen und kontinuierliche Flottenmodernisierungen versucht wird entgegen zu wirken (siehe Abbildung 1) [BMU08a, S. 5]. Darüber hinaus verständigten sich Vertreter der EU-Staaten und des EU-Parlaments am 26. Juni 2008 darauf, dass der Luftverkehr ab 2012 an dem Handel mit Verschmutzungsrechten teilnimmt. Dies hat zur Folge, dass die Fluggesellschaften für 15 Prozent ihrer Abgase CO2-Zertifikate kaufen - die restliche Zuteilung erfolgt kostenlos.
Abbildung 1: Wachstum des Zivilluftverkehrs und Anstieg der CO2-Emissionen [BMU08a, S. 6]

Im Band II "Aircraft Engine Emissions" des Annex 16 der Internationale Zivilluftfahrtorganisation ICAO werden Zertifizierungsnormen für Emissionen von Flugzeugtriebwerken festgelegt. Dafür wurden die Abgasemissionen in folgende Kategorien unterteilt: Unverbrannte Kohlenwasserstoffe (UHC), Kohlenmonoxid (CO) und Stickoxide (NOx). Zudem erfolgten Formulierungen für Rauch- und Rußbildung. Der in Abbildung 2 dargestellte Start- und Landezyklus (Landing and Takeoff Cycle, LTO) gilt vom Boden bis unterhalb 3.000 feet (ft) für die Zertifizierung von Triebwerken als Referenzbedingung. Für diesen LTO-Zyklus wurden Grenzwerte für UHC, CO und NO festgelegt [BMU08a, S. 10].

Neben Forschungsprojekten zur Optimierung des Flugbetriebs und Effizienzsteigerung durch Technologieverbesserungen wird auch Grundlagenforschung mit Bezug zur Luft- und Raumfahrt betrieben. Die Atmosphärenforschung des Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) verfügt mit dem Forschungsflugzeug HALO (High Altitude and Long Range Research) über eine Möglichkeit Wetter und Klimaereignisse gezielter vorhersagen zu können. Weitere Forschungsschwerpunkte umfassen den Selbstreinigungsprozess der Atmosphäre sowie den chemischen und dynamischen Prozess von Troposphäre und Stratosphäre [DLR12a].
Abbildung 2: Standard Landing and Takeoff Cycle und Emissionsregeln [BMU08a, S. 10]

Nachhaltigkeit als Qualitätsindikator kann im Luftverkehr wie folgt unterschieden werden:

Ökologische Nachhaltigkeit - Natur und Umwelt muss für die nachfolgenden Generationen erhalten bleiben. Mit Bezug zum Luftverkehr betrifft dies den Klimaschutz sowie den schonenden Umgang mit der natürlichen Umgebung.
Ökonomische Nachhaltigkeit - bezieht sich auf die Art und Weise zu wirtschaften, die auf lange Sicht eine tragfähige Basis für Erwerb und Wohlstand ermöglicht. Mit Bezug zum Luftverkehr betrifft dies den Aus- und Neubau der Infrastruktur für eine bedarfsgerechte Kapazitätserweiterung, Verwendung neuer Technologien, Liberalisierung und Privatisierung.
Soziale Nachhaltigkeit - ist die Entwicklung der Gesellschaft, bei der alle Mitglieder einer Gemeinschaft einbezogen werden und mitwirken können. In Bezug auf den Luftverkehr ist damit unter anderem das Reiseverhalten, die Mobilität, die Kultur sowie das Einspruchsrecht im Fall eines Infrastrukturausbaus oder -neubaus zu verstehen.
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Integrierte Verkehrsplanung und Straßenverkehrstechnik, Prof. Dr.-Ing. Regine Gerike
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Merkmale des Luftverkehrs (Stand des Wissens: 27.02.2019)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?249783
Literatur
[BMU08a] Tillmann C. Gmelin, Gerhard Hüttig, Oliver Lehmann Zusammenfassende Darstellung der Effizienzpotenziale bei Flugzeugen unter besonderer Berücksichtigung der aktuellen Triebwerkstechnik sowie der absehbaren mittelfristigen Entwicklungen, 2008/03/25
[DLR12a] Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. , Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e. V. (DLR) (Hrsg.) HALO - Neue Dimensionen in der Atmosphärenforschung und Erdbeobachtung, 2012
[Grah01] Anne Graham Managing Airports - An international perspective, 2001
[UBA08] k.V. Nationaler Inventarbericht zum Deutschen Treibhausgasinventar 1990 - 2006, 2008/06, ISBN/ISSN 1862-4359
[UBA12j] Umweltbundesamt (UBA) Berichterstattung unter der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen und dem Kyoto-Protokoll 2012: Nationaler Inventarbericht zum Deutschen Treibhausgasinventar 1990-2010, 2012/06, ISBN/ISSN 1862-4359
[UBA19g] Umweltbundesamt (Hrsg.) Umweltschonender Luftverkehr - lokal - national - international, 2019/11
Weiterführende Literatur
[UBA20l] Umweltbundesamt (Hrsg.) CO2-Fußabdrücke im Alltagsverkehr, 2020/12
[Mens13] Heinrich Mensen Handbuch der Luftfahrt, veröffentlicht in VDI-Buch, Ausgabe/Auflage 2. Auflage, Springer-Verlag / Berlin, Heidelberg, 2013, ISBN/ISSN 978-3-642-34401-5
[Maur06] Peter Maurer Luftverkehrsmanagement 2006, Ausgabe/Auflage 4., überarbeitete und erweiterte Auflage, R. Oldenbourg Verlag München Wien, 2006
[Mens07] Heinrich Mensen Planung, Anlage und Betrieb von Flugplätzen, Springer-Verlag / Berlin Heidelberg, 2007, ISBN/ISSN 3-593-36410-7
[BReg21] Bundesministerium für Digitales und Verkehr, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz, Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, Bundesregierung, Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) (Hrsg.) PtL-Roadmap. Nachhaltige strombasierte Kraftstoffe für den Luftverkehr in Deutschland, 2021/04
[UBA20c] Wetzel, Frank Treibstoffschnellablass aus Luftfahrzeugen: Wirkungen auf Umwelt und Gesundheit, 2020, ISBN/ISSN 2363-8273
[UBA20f] Bopst, Juliane, Hölzer-Schopohl, Olaf, Lindmaier, Jörn, Myck, Thomas, Schmied, Martin, Weiß, Jan Wohin geht die Reise? (aktualisierte Fassung)
Luftverkehr der Zukunft: umwelt- und klimaschonend, treibhausgasneutral, lärmarm, 2020/10, ISBN/ISSN 2363-832X
Glossar
IPCC
Rolle und Auftrag
Der Zwischenstaatliche Ausschuss für Klimaänderungen (Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC; auch: Weltklimarat), ist eine Institution der Vereinten Nationen (UN) mit Sitz in Genf. 1988 durch das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UN Environmental Programme) und die Weltorganisation für Meteorologie (WMO) gegründet, ist er zugleich wissenschaftliches Gremium.
Im Auftrag des IPCC tragen Fachleute weltweit regelmäßig den aktuellen Kenntnisstand zum Klimawandel zusammen und bewerten ihn aus wissenschaftlicher Sicht. So sollen Grundlagen für wissenschaftsbasierte politische Entscheidungen geschaffen werden, jedoch ohne konkrete Lösungswege vorzuschlagen oder Handlungsempfehlungen zu geben. Dabei ist der Gewissheitsgrad zum anthropogenen (vom Menschen verursachten) Einfluss auf die beobachtete Erwärmung/die Klimaänderungen im Zeitverlauf der Arbeit des IPCC klar gewachsen (siehe hierzu unten Berichte).
Organisationsstruktur
Das etwa zweimal jährlich tagende Plenum aus Regierungsdelegationen der Mitgliedstaaten, zahlreichen Wissenschaftler:innen und Vertreter:innen von Beobachterorganisationen legt das Arbeitsprogramm und weitere Verfahrensaspekte der Arbeit des IPCC fest. Es wählt für jeden Berichtszyklus einen wissenschaftlichen Vorstand und verabschiedet fertige Berichte.
Als national zuständige IPCC-Kontaktstelle ist in Deutschland das Auswärtige Amt (AA) in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) benannt. Sie wird unterstützt von der Deutschen IPCC-Koordinierungsstelle, die gemeinsam von AA und BMBF getragen wird. Weitere eher administrative Gremien zur Unterstützung der Projekt- und Arbeitsgruppen sind das Sekretariat und die Geschäftsstellen.

Die derzeit drei wissenschaftlichen Arbeitsgruppen (Working Groups - WG) des IPCC erstellen die Sachstandsberichte und Sonderberichte.
- Arbeitsgruppe I (WGI) befasst sich mit den naturwissenschaftlichen Ursachen des Klimawandels.
- Arbeitsgruppe II (WGII) untersucht die Verwundbarkeit von Systemen gegenüber dem Klimawandel und beschreibt Optionen zur Anpassung.
- Arbeitsgruppe III (WGIII) zeigt Optionen zur Minderung des anthropogenen Klimawandels auf.
Zusätzlich setzt der IPCC flexibel Gruppen zu spezifischen Themen, sowie zur Weiterentwicklung der Verfahren ein. (Task Forces - TF; Task Groups - TG).
Berichte
Seit seiner Gründung 1988 hat der IPCC insgesamt 6 umfangreiche Sachstandsberichte (Assessment Reports; 1990, 1995, 2001, 2007, 2013/14, 2021) veröffentlicht; daneben zahlreiche Sonderberichte (Special Reports) und Methodenberichte (Methodology Reports). Bereits 1999 entstand der verkehrsrelevante Sonderbericht Luftfahrt und die globale Atmosphäre (Aviation and the Global Atmosphere). Mit dem 4. Sachstandsbericht 2007 (Fourth Assessment Report - AR 4) fasste des IPCC den Kenntnisstand der Wissenschaft erstmals so zusammen, dass der Einfluss des Menschen auf das Klimasystem als eindeutig gewertet werden konnte.

Verwendete Quellen:
Informationen der Deutschen Koordinierungsstelle des IPCC.
Wissenschaftliche Dienste des Bundestages: Ausarbeitung Anthropogener Treibhauseffekt und Klimaänderungen [WD 8 - 3000 - 028/17 27.09.2017].
HC
= hydrocarbons, zu Deutsch: Kohlenwasserstoffe. Als Kohlenwasserstoffe werden in der Chemie Verbindungen bezeichnet, die ausschließlich Kohlenstoff (C) und Wasserstoff (H) im Molekül enthalten.
CO
= Kohlenstoffmonoxid. CO ist eine chemische Verbindung aus Kohlenstoff und Sauerstoff und gehört damit neben Kohlenstoffdioxid zur Gruppe der Kohlenstoffoxide. Es ist ein farb-, geruch- und geschmackloses Gas. Kohlenstoffmonoxid beeinträchtigt die Sauerstoffaufnahme von Menschen und Tieren. Schon kleine Mengen dieses Atemgiftes haben Auswirkungen auf das Zentralnervensystem.
Es entsteht bei der unvollständigen Oxidation von kohlenstoffhaltigen Substanzen. Dies erfolgt zum Beispiel beim Verbrennen dieser Stoffe, wenn nicht genügend Sauerstoff zur Verfügung steht oder die Verbrennung bei hohen Temperaturen stattfindet. Kohlenstoffmonoxid selbst ist brennbar und verbrennt mit Sauerstoff zu Kohlenstoffdioxid. Hauptquelle für die CO-Belastung der Luft ist der Kfz-Verkehr.
NOx
= Stickoxide. Ist die Sammelbezeichnung für die Oxide des Stickstoffs. Die wichtigsten Stickoxide sind Stickstoffmonoxid und Stickstoffdioxid. Es sind gasförmige Verbindungen, die sich nur wenig in Wasser lösen.
Die wichtigsten Stickoxid-Quellen sind natürliche Vorgänge, wie zum Beispiel mikrobiologische Umsetzungen im Boden, sowie Verbrennungsvorgänge bei Kraftwerken, Kraftfahrzeugen und industrielle Hochtemperaturprozesse, bei denen aus dem Sauerstoff und Stickstoff der Luft Stickoxide entstehen. Stickstoffdioxid ist ein Reizstoff, der die Schleimhäute von Augen, Nase, Rachen und des Atmungstraktes beeinträchtigt.
Betriebskosten
Betriebskosten sind laufende Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Erbringung von Verkehrsleistungen entstehen. Hierzu zählen zum Beispiel Aufwendungen für Energie, Personal, oder Infrastrukturnutzung.
ICAO
Die International Civil Aviation Organization (ICAO) ist die Internationale Zivilluftfahrtorganisation zur Vereinheitlichung und Regelung der Zivilluftfahrt durch Veröffentlichungen von Richtlinien und Empfehlungen.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?253111

Gedruckt am Samstag, 20. April 2024 15:41:38