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Anschlüsse als Qualitätsmerkmal des ÖPNV

Erstellt am: 04.10.2007 | Stand des Wissens: 11.12.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König

Das Einrichten und Sichern von Anschlüssen ist ein wesentlicher Bestandteil der Verbindungsqualität.
Besonders in Schwachverkehrszeiten sind in vielen ÖPNV-Netzen Rundumanschlüsse an zentralen Netzknoten eingerichtet worden. Die Verspätung eines einzelnen Fahrzeuges im Zulauf auf den Anschlussknoten verzögert dann allerdings den Betriebsablauf im gesamten Netz. Kunden in den Anschlussfahrzeugen sind von den entstehenden längeren Wartezeiten betroffen. Meistens wird in den Schwachverkehrszeiten kein dichter Takt angeboten, so dass das Nichtabwarten des Anschlusses zu teilweise deutlich längeren Reisezeiten für die betroffenen Kunden führt. Zwischen den beiden Nutzeransprüchen muss dann abgewogen werden. [FGSV06b]

Die Anforderungen an Anschlüsse bestehen aus betrieblicher Sicht zunächst darin, fahrplanmäßige Anschlüsse zu sichern. Dies geschieht durch gezielte Information des Fahrpersonals, welche Anschlüsse im Verlauf der Fahrt bestehen und erforderlichenfalls abzuwarten sind oder durch Rechnergesteuerte Betriebsleitsysteme. Trotzdem sind nicht alle Anschlüsse sicherzustellen. Wenn ein Anschluss gescheitert ist, müssen den betroffenen Kunden Ersatzlösungen angeboten werden, damit sie das Fahrtziel in angemessener Zeit erreichen können. Oftmals wird im Rahmen einer Anschlussgarantie (zumeist nur in der Schwachverkehrszeit) ein Taxi für die Weiterfahrt bereitgestellt. [MBV07]

Die Verkehrsunternehmen der Westfälischen Verkehrsgesellschaft mbH (Ausdehnung des Verkehrsgebietes über sieben Landkreise und zwei kreisfreie Städte in Westfalen) haben im Jahr 2002 eine Anschlussgarantie für bestimmte Umsteigeverbindungen eingeführt. Der Fahrer fragt im Verspätungsfall die Kunden nach Anschlusswünschen und informiert dann die Leitstelle und den Fahrer des Anschlussbusses. Entweder wartet der Anschlussbus oder es wird ein Taxi für die Weiterfahrt bereitgestellt, das der Kunde dann kostenlos nutzen kann.

Nach zwei Jahren konnten erste Erfahrungen gewonnen werden. In einer Kundenbefragung wurde festgestellt, dass jeder zweite der Befragten in der Garantie einen Anreiz zur häufigeren Nutzung des ÖPNV sieht. Die betrieblichen Abläufe stellen keinen unverhältnismäßigen Mehraufwand für die Verkehrsunternehmen dar. Mit einer Ausnahme liegen die Taxikosten bei etwa 1.000 EUR pro Jahr und Kreis, wobei davon auszugehen ist, dass sich diese Kosten durch Fahrgaststeigerungen und Imagegewinn amortisieren. Eine Anschlussverbindung zwischen Hamm und Arnsberg-Neheim war auffällig oft von gescheiterten Anschlüssen geprägt, so dass der Verkehr in diesem Korridor neu geordnet wurde. Durch die Anschlussgarantie wurde dieser Missstand den Verkehrsunternehmen erst deutlich. [Renn04]

Problematisch werden gesicherte Anschlüsse und Anschlussgarantien bei mehreren beteiligten Verkehrsunternehmen. Die Kostenübertragung muss geregelt werden, in vielen Fällen arbeiten die Verkehrsunternehmen mit unterschiedlichen Funkfrequenzen. Bei Anschlüssen zwischen SPNV und Bus besteht daneben das Problem, dass aufgrund der höheren Reiseweiten im SPNV mit deutlich höheren Taxikosten zu rechnen ist. [MBV07]

Nach dem Nahverkehrsplan Leipzig sollen bei Takten von mehr als 15 Minuten an allen wichtigen Verknüpfungspunkten fahrplanmäßige Anschlüsse mit einer Übergangszeit von maximal 10 Minuten hergestellt werden. [NVP Leipziga]
Ansprechpartner
TU Dresden, Professur für Bahnverkehr, öffentlicher Stadt- und Regionalverkehr, Prof. Dr.-Ing. R. König
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Qualitätsindikatoren des ÖPNV (Stand des Wissens: 01.02.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?237320
Literatur
[FGSV06b] Klein, Angelika, Dr., Heußner, Jürgen, Dipl.-Ing., et al. Hinweise für die Qualitätssicherung im ÖPNV, veröffentlicht in FGSV Schriftenreihe, FGSV Verlag / Köln, 2006, ISBN/ISSN ISBN 3-937356-78-9
[MBV07] o.A. Anschlussgarantie, 2007/07/24
[Renn04] Rennspieß, Uwe, Dr. AnschlussGarantie - mehr Sicherheit für die Fahrgäste im ländlichen Raum, 2004/12/08
Weiterführende Literatur
[NVP Leipziga] Stadt Leipzig, Verkehrs- und Tiefbauamt (Hrsg.) Nahverkehrsplan der Stadt Leipzig, Zweite Fortschreibung, 2019/12/31
Glossar
Öffentlicher Personennahverkehr
Der öffentliche Personennahverkehr ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert. Laut Paragraf 8, Absatz 1 und 2 umfasst der ÖPNV "die allgemein zugängliche Beförderung von Personen mit Straßenbahnen, Obussen und Kraftfahrzeugen im Linienverkehr, die überwiegend dazu bestimmt sind, die Verkehrsnachfrage im Stadt-, Vorort- oder Regionalverkehr zu befriedigen". Taxen oder Mietwagen können dieses Angebot ersetzten, ergänzen oder verdichten.
Der Begriff ÖPNV bezieht sich in der Regel auf Strecken mit einer gesamten Reiseweite von weniger als 50 Kilometern oder einer gesamten Reisezeit von weniger als einer Stunde. Das in einer Stadt oder Region erforderliche Nahverkehrsangebot und dessen Eignung hinsichtlich Nachhaltigkeit und Klimaschutz wird in einem Nahverkehrsplan definiert und festgehalten.
Schienenpersonennahverkehr
Gemäß Regionalisierungsgesetz (RegG) § 2 handelt es sich bei einer auf der Schiene erbrachten Beförderungsdienstleistung um ein Angebot des Nahverkehrs, "wenn in der Mehrzahl der Beförderungsfälle [...] die gesamte Reiseweite 50 Kilometer oder die gesamte Reisezeit eine Stunde nicht übersteigt" [RegG, § 2]. Zur Erfüllung der Daseinsvorsorge wird der Schienenpersonennahverkehr (SPNV) von den Ländern bestellt und unterstützt. Der SPNV ist eine Sonderform des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV). Der ÖPNV ist juristisch im Personenbeförderungsgesetz (PBefG) definiert, der SPNV zusätzlich noch im Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG).

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?237161

Gedruckt am Freitag, 29. März 2024 09:26:43