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Ostseehäfen und ihre Hinterlandanbindungen

Erstellt am: 29.08.2007 | Stand des Wissens: 18.09.2023
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Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn

Die Häfen haben im Transportnetz die Funktion von Schnittstellen zwischen Land- und Seetransport. Die Qualität und Leistungsfähigkeit der Hinterlandanbindungen durch den Landverkehr ist dabei ein wichtiger Parameter für die Hafenwahl der Transportkunden und somit für das Einzugsgebiet (Hinterland) eines Hafens.
Die Ostsee weist ein dichtes Hafennetz auf, das aber nur verhältnismäßig wenige große Häfen umfasst. Die stark gegliederte skandinavische Küste bietet günstige natürliche Bedingungen für die Anlage von Häfen, während auf der kontinentalen Seite Ausgleichsküsten vorherrschen, an denen die Häfen meist in Flussmündungen liegen.

Den größten Anteil am Seehafenumschlag in der Ostsee haben die russischen Häfen inne. Über 30 Prozent des gesamten Umschlags der Ostseehäfen findet in den russischen Häfen statt [PoM21]. Eine Darstellung der Top 10 Ostseehäfen findet sich in Abbildung 1.Unter den größten Ostseehäfen finden sich zum einen Universalhäfen wie St. Petersburg, Göteborg oder Gdansk, zum anderen Erdöl- und Erdölprodukthäfen wie Primorsk.
gesamtumschlag ostseehaefen top 10 2018.pngAbbildung 1: Gesamtumschlag der 10 größten Ostseehäfen H1 2022 und H1 2023 (eigene Darstellung nach [PoM21])
Die Rolle der Hinterlandanbindungen mit Straße, Schiene, Binnenwasserstraße oder auch Pipeline ist differenziert zu bewerten. Mangelhafte Hinterlandanbindungen können für viele der kleinen Ostseehäfen einen gewissen Schutz des lokalen und regionalen Marktes bedeuten, sie verhindern jedoch gleichzeitig das Wachstum [SAI06, S.95]. Von besonderer Bedeutung sind qualitativ hochwertige Hinterlandanbindungen für die kontinentalen Häfen der Südküste, da sie im Wettbewerb um Ladung aus dem tiefen ost- und südosteuropäischen und mittelasiatischen Hinterland stehen.
In Deutschland und den skandinavischen Ländern ist das Straßennetz gut ausgebaut, trotz einiger bestehender Engpässe. Im südöstlichen Teil der Region ist der Ausbau- und Unterhaltungszustand der Straßen weitgehend unzureichend und wird nur den Anforderungen für Regionalverkehr gerecht. Autobahnen existieren bisher nur in Abschnitten. Die Verkehrsstärken in den Hauptkorridoren in Polen und den baltischen Ländern liegen aber bisher zwischen 20.000 und 40.000 Fahrzeuge/Tag und damit weit unter den Werten westeuropäischer Autobahnen.

Für das Eisenbahnnetz lässt sich ähnliches wie für die Straßen feststellen. Die Netzkapazität ist generell ausreichend, die Mängel liegen vor allem im Bereich der Qualität, zu deren Verbesserung in den Ländern südöstlich der Ostsee erhebliche Investitionen erforderlich sind. Russland ist trotz eines stark steigenden Anteils des Straßenverkehrs in hohem Maße vom Eisenbahngüterverkehr abhängig. Erschwerend für ein die Region umspannendes Eisenbahnsystem wirken sich die unterschiedlichen Spurweiten mit der Breitspur in Finnland, Russland und den baltischen Ländern aus.
Die Binnenschifffahrt spielt im Transportsystem der Ostseeregion nur eine untergeordnete Rolle. Nahezu alle Binnenwasserstraßen verfügen aber, trotz bestehender Engpässe, über umfangreiche ungenutzte Kapazitäten. Von größerer Bedeutung ist die Binnenschifffahrt besonders für Russland [HaPa06, TEN-STAC04 , S.59f.].

Zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur des Ostseeraums wurden im Rahmen des regionalen VASAB-Projekts (Vision and Strategies around the Baltic Sea 2010) zur Raumplanung die Realisierung folgender Projekte bis 2030 als besonders wichtig herausgestellt:
  • Via Baltica WarschauVilniusRigaTallinn (einschließlich Via Baltica Rail),
  • Via Hanseatica (LübeckRostockSzczecinGdanskKaliningradJelgavaRigaNarva),
  • Klaipeda/ KaliningradKaunasVilniusMinsk (Kreta-Korridor IXB),
  • Neue Fährverbindungen als Bestanteil intermodaler Transportketten,
  • Hinterlandverbindungen von Ventspils, Liepaja, Riga und Tallinn zum Kreta-Korridor IX.
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Maritimer Ostseeverkehr (Stand des Wissens: 18.09.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?408577
Literatur
[HaPa06] Schönknecht, Axel, Hautau, Heiner, Prof. Dr., Pawellek, Günther, Prof. Dr.-Ing. Binnenschifffahrt im Ostseeraum: Ungenutzte Potentiale, veröffentlicht in Internationales Verkehrswesen, Ausgabe/Auflage 11, Deutscher Verkehrs-Verlag / Hamburg, 2006, ISBN/ISSN 0020-9511
[PoM21] Ewelina Ziajka, Monika Rozmarynowska-Mrozek Cargo throughput in Top 10 Baltic ports in 2021 - rebound after tough 2020
, 2021/02
[SAI06] BMT Transport Solutions GmbH Hamburg, Centre for Maritime Studies, SAI - Sjöfartens Analys Insitut The Institute of Shipping Analysis BALTIC MARITIME OUTLOOK 2006 - Goods flows and maritime infrastructure in the Baltic Sea Region, o.O., 2006/03
[TEN-STAC04] o.A. TEN-STAC: Scenarios, Traffic Forecasts and Analysis of Corridors on the Trans-European network, D6 Deliverable Part I, o.O., 2004/09
[VASAB19] Vision and Strategies around the Baltic Sea (Hrsg.) VASAB Projects, 2019
Weiterführende Literatur
[ISL03] o.A. Die Wettbewerbsentwicklung und Kooperationsmöglichkeiten der deutschen Seehäfen im Verhältnis zu den Seehäfen der anderen Anliegerstaaten im Verkehrsraum Ostsee, Bremen, 2003/01
[ESPO04] Winkelmans, W., Notteboom, Theo, Prof. Dr. FACTUAL REPORT ON THE EUROPEAN PORT SECTOR, Brüssel, 2004/12
[Rahe07] Rahe, H. Ostseehäfen - Schnittstellen zwischen Seeverkehr und Hinterland, veröffentlicht in Maritime Politik im Fokus der Parlamente, Schwerin, 2007, ISBN/ISSN 3-932447-50-6
Glossar
Hinterland Das Hinterland eines Seehafen ist das landeinwärts hinter dem Hafen liegende Territorium, welches durch die Herkunfts- und Bestimmungsorte der im Hafen abzufertigen Güter und Passagiere begrenzt wird. Seine Grenzen hängen von den Hinterlandverkehrsanbindungen ab und variieren nach Gutarten, den Umschlagkapazitäten, dem Schiffstyp und der Verkehrsinfrastruktur. Das Vorland eines Seehafens ist das seewärts vor dem Hafen liegende Territorium, welches durch die überseeischen Herkunfts- und Bestimmungsorte der Güter begrenzt wird.
Verkehrsstärke
Die Verkehrsstärke ist eine Kennzahl für die Stärke eines Verkehrsstroms an einem Querschnitt, gemessen in der Anzahl der Verkehrseinheiten, die diese Stelle pro Zeiteinheit passieren. Man spricht in diesem Zusammenhang von Streckenbelastung, wenn sich die Quantifizierung des Verkehrsstroms alternativ auf einen betrachteten Streckenabschnitt und nicht auf einen Querschnitt bezieht.
Verkehrsstärke = Verkehrseinheiten am Querschnitt / Bezugsperiode
Gebräuchliche Einheiten für die Verkehrsstärke sind z. B. Fahrzeuge [Fzg] pro Tag [24h] oder Stunde [h] (z. B. durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke, kurz DTV [Fzg/24h])

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?234892

Gedruckt am Dienstag, 19. März 2024 07:30:31