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RoRo-Verkehr in der Ostsee

Erstellt am: 26.07.2007 | Stand des Wissens: 18.09.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn

Besonders im Ostseeraum sind RoRo-Verkehre wichtige Verbindungen innerhalb von grenzüberschreitenden Transportketten. In diesem Gebiet hat sich die Anzahl der im RoRo-Verkehr umgeschlagenen Ladeeinheiten innerhalb der letzten 15 Jahre verdoppelt [UNIC13, S. 20]. Gleichzeitig gelten RoRo-Verbindungen aufgrund ihrer begrenzten Fahrpläne als Engpässe. Wichtige Faktoren für die Attraktivität einer RoRo-Verbindung sind daher Transportzeiten und Abfahrtsfrequenzen sowie Preise [MICH12, S. 6]. Die Ostsee wird von einem dichten Netz von über 100 Fähr- und Ro-Ro-Linien befahren. Die Einsatzkonzepte und die angebotenen Leistungen unterscheiden sich in Abhängigkeit von der Routenlänge und der Nachfragestruktur. Die stärksten Güterströme sind auf die verhältnismäßig kurzen Strecken in der südlichen Ostsee (DeutschlandSchweden, DänemarkSchweden, DeutschlandDänemark) sowie zwischen Finnland und Schweden konzentriert. Die Ostsee bildet an dieser Stelle eine natürliche Barriere zwischen Skandinavien und Kontinentaleuropa. Regelmäßige RoRo-Verbindungen sorgen für eine Überbrückung. Daneben existieren weitere Verbindungen [MICH12, S. 7].
top RoRo.pngAbbildung 1: Ro-Ro-Umschlag der 10 größten Ostseehäfen 2018 (eigene Darstellung nach [IHKSH20, S. 10])
Eine zunehmend stärkere Fokussierung weg vom Passagier- hin zum Güterverkehr zeigt sich im Wandel der eingesetzten Tonnage hin zu Ropax-Schiffen mit Betonung des Ladungsverkehrs [BrWe06, Sjös02]. Als Gutart in den ostseequerenden Verkehren dominieren begleitete Einheiten (Lkw mit Fahrer), wobei aber ein steigender Anteil unbegleiteter Einheiten im kombinierten Verkehr über deutsche Ostseehäfen zu beobachten ist. Die Fahrplangestaltung orientiert sich an den Bedürfnissen der Kunden, die besonders Tagesrandabfahrten nachfragen. Auf den stärker frequentierten Routen wird ein fester Taktfahrplan angestrebt. Sowohl bei den volumenmäßig wesentlich geringeren Ostseelängsverkehren als auch bei den ostseeexternen Ro-Ro-Diensten dominieren als Ladungsgut Forstprodukte. Ostseeextern werden diese vor allem als Systemverkehre ausgehend aus Finnland und (in geringerem Maße) Schweden nach Europa und in die USA befördert. Die skandinavischen Papierkonzerne betreiben weltweit integrierte Logistiksysteme. Auch für auf dem freien Markt agierende Liniendienste sind Forstprodukte wichtige Basisladungen. Die hier beschäftigten Schiffe sind deutlich größer als die im ostseeinternen Verkehr eingesetzten und häufig mit speziellen Umschlageinrichtungen wie Seitenpforten, Lifte und ähnlichen Systemen ausgestattet. Unbegleiteter Verkehr bildet in den Ostseelängsverkehren den größeren Teil des Ladungsaufkommens, bedingt auch durch die bereits genannten umfangreichen Transporte von Forstprodukten aus den nordischen Ländern zum europäischen Festland. Diese Ladungsströme sind oft ausgesprochen unausgeglichen. Im Verkehr mit Finnland und Nordschweden werden westgehend umfangreich Forstprodukte exportiert, während ostgehend im Vergleich wenig Ladung anfällt, sodass Transitladungen nach Russland die Wirtschaftlichkeit der Dienste verbessern. Im Finnlandverkehr wird neuerdings auch kombinierte Tonnage für rollende Ladung und Container eingesetzt. Entsprechend den Bedürfnissen der verladenden Wirtschaft gelten heute tägliche Abfahrten von Montag bis Freitag als erforderlich für einen wettbewerbsfähigen Dienst nach Finnland und Russland. In die baltischen Länder sind die Abfahrtsfrequenzen zum Teil geringer.

Ein weiteres spezialisiertes Segment des Ro-Ro-Verkehrs bilden die eingehenden Transporte von Neufahrzeugen mit reinen Autotransportern (PCTC). Der Ostseeraum wird dabei zum einen von den großen Hubhäfen in der Nordsee wie Bremerhaven und Zeebrügge und zum anderen ab Malmö (Toyota) und Göteborg jeweils mit kleineren Einheiten bedient [BGW04, S. 92f., PortNet06, S. 31f.]. Die Verkehre mit dem Baltikum und Russland entwickelten sich nach hoher Instabilität in den 1990er-Jahren nach der Jahrtausendwende ausgesprochen dynamisch. Nach der EU-Erweiterung beeinflusste der starke Wettbewerb von Seiten des direkten Landwegs die Verkehre aus der südlichen Ostsee in die baltischen Länder zunächst negativ [Oppel05, SSG06a, S. 21], im Verlauf der Wirtschafts- und Finanzkrise gingen sie dann stark zurück. Nachdem sich die Verkehre in das Baltikum und Russland nach der Krise zunächst wieder erholten brachen die Verkehre nach Russland als Resultat der Sanktionen, die im Zuge der Ukrainekrise gegen Russland verhängt wurden, ein. Die Verkehre in das Baltikum stellen derzeit einen wachsenden Markt dar. Es können ein Anstieg der Tonnage durch Bündelung von Verkehrströmen sowie wachsende Intermodalanteile im RoPax- und RoRo-Verkehr identifiziert werden [UNIC13, S. 20f.]. 
Analysen verschiedener Transportketten im Verkehr mit dem östlichen Ostseeraum und Russland ergaben, dass auf den langen Ost-West-Relationen seegestützte Transportketten auch bei rein betriebswirtschaftlicher Betrachtung bereits häufig kostengünstiger sind als der Landweg. Die Berücksichtigung von Umweltkosten würde zu differenzierten Verschiebungen in der Wettbewerbsfähigkeit landseitiger und seegestützter Transportketten führen [Swin05, S. 257f.]. Der Seeweg ist besonders vorteilhaft, wenn die Seestrecke lang ist und küstennahe Gebiete bedient werden. Ein bedeutsamer Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit des Seewegs gegenüber der Straße ist die Effizienz des Hafenumschlags [Ng09].
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Maritime Logistik, Prof. Dr.-Ing. C. Jahn
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Maritimer Ostseeverkehr (Stand des Wissens: 18.09.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?408577
Literatur
[BGW04] MariTerm AB Göteborg , Lloyd's Register Fairplay Research Göteborg , Shipping Analysis Institute Göteborg The Sea Transport Infrastructure - A Baltic Gateway report - Work Package 1, Göteborg, 2004/10
[BrWe06] Breitzmann, Karl-Heinz, Prof. Dr., Wenske, Christian, Dr. Der Ostsee-Ro/Ro-Verkehr - Strukturen und Entwicklungstendenzen, veröffentlicht in 4. Baltisches Verkehrsforum, Berlin, 2006/10/06, ISBN/ISSN 3-937877-62-2
[IHKSH20] IHK Schleswig-Holstein (Hrsg.) Verkehrsmarkt Ostsee: Aktuelle Zahlen und Daten für die Ostseeregion - Stukturdaten 2020, 2020
[MICH12] Michalk, Philip Importance of Baltic Sea Links
Baltic Sea Region Project #026: Scandinavian-Adriatic Corridor for Growth and Innovation, 2012/09/03
[Ng09] Ng, Adolf Koi Yu Competitiveness of short sea shipping and the role of port: the case of North Europe, veröffentlicht in Maritime Policy & Management, Ausgabe/Auflage 36: 4, Routledge / London, 2009/8
[Oppel05] Oppel, J.-A. Die Entwicklung der Fähr- und Ro/Ro-Schifffahrt in der Ostsee, veröffentlicht in Märkte im Wandel - mehr Mut zu Wettbewerb : Festschrift zum 65. Geburtstag von Rolf W. Stuchtey, Ausgabe/Auflage 1, Peter Lang / Frankfurt a..M., 2005, ISBN/ISSN 3-631-52943-0
[PortNet06] Matczak, Maciej, Oldakowski, Bogdan, Grzelakowski, Andrzej, Urbas, Krzysztof, Bus, M. Traffic flows between the Baltic Ports and other major European ports, Gdynia / Szczecin / Hamburg, 2006/07
[Sjös02] Sjöström, P. Ro-pax - the workhorse of today's ferry traffic, veröffentlicht in Scandinavian Shipping Gazette, 2002/03/08
[SSG06a] Mikkelsen, Bent The Baltic Sea, veröffentlicht in The Scandinavian Shipping Gazette, Stockholm, 2006/01
[Swin05] Swinarski, Björn, Dr. Bewertung see- und landgestützter Transportketten im Ostseeraum - Wirtschaftliche und umweltbezogene Aspekte, Verlag Dr. Kovac / Hamburg, 2005, ISBN/ISSN 1611-4450
[UNIC13] Schlennstedt, Jobst;, Brauner, Thomas;, Boldt, Oliver Hafenentwicklungskonzept Schleswig-Holstein, 2013/07/29
Weiterführende Literatur
[Tesc02] Tesch, Gernot, Die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs auf Märkten des Fährverkehrs, Lang / Frankfurt am Main [u.a.], 2002, ISBN/ISSN 3-631-38865-9
Glossar
Lkw Lastkraftwagen (Lkw) sind Kraftfahrzeuge, die laut Richtlinie 1997/27/EG überwiegend oder sogar ausschließlich für die Beförderung von Gütern und Waren bestimmt sind. Oftmals handelt es sich dabei um Fahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse zwischen 3,5 und 12 Tonnen. In Einzelfällen kann die zulässige Gesamtmasse diese Werte jedoch auch unter- beziehungsweise überschreiten, sofern das Kriterium der Güterbeförderung gegeben ist. Lastkraftwagen können auch einen Anhänger ziehen.
Hub Der Begriff Hub kommt vom englischen Begriff "Hub and Spoke", was im Deutschen "Nabe und Speiche" entspricht. Der Hub dient als Sammel- und Knotenpunkt für Hauptverkehrswegen für den Umschlag und die Zusammenfassung von Warenströmen in alle Richtungen, d.h. zur Warenübergabe an regionale Verteiler. Im Postwesen handelt es sich bei Hubs häufig um Paketzentren. Die Transportmittel zur weiteren Beförderung der Sendungen variieren (Schiffe, Flugzeuge, Lkw).
Systemverkehr
Systemverkehre finden zumeist in der Distributions- und Beschaffungslogistik von Produktions- oder Handelsunternehmen Verwendung. Dabei handelt es sich um Transportangebote, welche durch verbindliche Qualitätsstandards gekennzeichnet sind. So wird den Versendern bzw. Empfängern seitens der Systemverkehrsanbieter eine Einhaltung fest definierter Laufzeiten zugesichert sowie mit Hilfe IT-basierter Versandstatusüberwachungssysteme eine transparente Auftragsabwicklung offeriert.
Im Bereich des Güterkraftverkehrs basieren Systemverkehrsdienstleistungen häufig auf Kooperationen regional oder national tätiger Speditionen, die mit Hilfe eines gemeinschaftlich organisierten Logistiknetzwerkes europaweit flächendeckende Transportlösungen unter einheitlicher Produktgestaltung anbieten.
Kombinierter Verkehr
Intermodaler Verkehr, bei dem der überwiegende Teil der in Europa zurückgelegten Strecke mit der Eisenbahn, dem Binnen- oder Seeschiff bewältigt und der Vor- und Nachlauf auf der Straße so kurz wie möglich gehalten wird.
Rollende Landstraße
Die Rollende Landstraße (RoLa) ist ein Produkt im Bereich des Schienengüterverkehrs. Sie stellt eine spezifische Form des begleiteten Kombinierten Verkehrs dar. Dabei werden Lastkraftwagen bzw. Sattelzüge mit Hilfe der Roll-On/Roll-Off-Technik auf einen Güterzug aus durchgehenden Niederflurwagen verladen und über eine bestimmte Strecke transportiert. Die Fahrer begleiten ihre Fahrzeuge i. d. R. in einem mitgeführten Reisezugwagen. In Europa wird die RoLa z. B. für alpenquerende Verkehre angeboten. Sie kann eine betriebswirtschaftliche und/oder ökologische Alternative zum Straßengütertransport sein.
Ro/Ro Abkürzung für "Roll on/Roll off" - beschreibt im Seeverkehr den rollenden Ladungsumschlag über schiffseigene und/oder landseitige Rampen; im Kombinierten Verkehr die horizontale Verladung rollender oder rollbar gemachter Ladeeinheiten.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?232264

Gedruckt am Freitag, 19. April 2024 14:30:27