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Auswirkungen von Lastzugkombinationen auf die Umwelt

Erstellt am: 24.07.2007 | Stand des Wissens: 15.12.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. Dr. h.c. W. Kersten

Wie nahezu alle Aspekte im Kontext der Lastzugkombinationen werden auch die umweltpolitischen Aspekte äußerst kontrovers diskutiert. Auch das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) sieht Lastzugkombinationen auf deutschen Straßen aus umweltpolitischen Gründen als kritisch an. Demnach wurde im Auftrag des BMVI vom 01.01.2012 bis zum 31.12.2016 ein Feldversuch mit Lang-Lkw durchgeführt, der wissenschaftlich durch die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) begleitet wurde [BASt16b]. Die Erhöhung des Transportvolumens bedeutet, dass weniger Kraftstoffverbrauch und weniger Emissionen entstehen. Erste Versuche wiesen nach, dass sich pro transportierter Tonne Kraftstoffeinsparungen zwischen 15 und 30 Prozent erzielen lassen. Dadurch werden ebenfalls die CO2-Emissionen gesenkt. Hinzu kommt eine Steigerung der Effizienz im Vor- und Nachlauf im Kombinierten Verkehr, wodurch die Straßen im Fernverkehr entlastet werden könnten. Anstelle von drei herkömmlichen Lkw, könnte man in Zukunft zwei Lang-Lkw verwenden [VDA06a]. Seit dem 01.01.2017 können Speditionen in Deutschland die Lang-Lkws im Regelbetrieb auf bestimmten Strecken, dem sogenannten Positivnetz, einsetzen [BMVI21v].

Im neunten Kapitel "Erfahrungen aus dem Ausland" [BASt07c] heißt es zudem, dass sowohl Schweden als auch Finnland sich bei der Einführung dieser Fahrzeuge hauptsächlich auf das Kyoto-Protokoll berufen. Entsprechend dem Protokoll sollten die umweltschädlichen Emissionen, für die der Transportsektor maßgeblich verantwortlich gemacht wird, bis zum Jahr 2012 deutlich gesenkt werden [BASt07c]. Es wird eine schwedische Studie erwähnt, in der Frachtbriefe ausgewertet wurden und die zu dem Ergebnis kommt, dass durch den Einsatz von Lastzugkombinationen erhebliche ökonomische und ökologische Nutzen erzielt werden [TFK02, S. 23f.; Ramb04]. So konnte eine Reduktion der Fahrtenanzahl um 27-38 Prozent, ein um 10-23 Prozent geringer Treibstoffverbrauch sowie 19-26 Prozent niedrigere Betriebskosten festgestellt werden [TFK02, S. 23f.] Es wird weiter angeführt, dass nach einer Untersuchung von Kessel & Partner jedes Jahr rund 2,2 Milliarden Fahrzeugkilometer im Fernverkehr in Deutschland durch den Einsatz von EuroCombi eingespart werden könnten [KuP06a]. Der im März 2010 veröffentlichte Erfahrungsbericht zum Einsatz längerer und schwererer Lastkraftwagen in den Niederlanden kommt zu einem ähnlichen Ergebnis. Darin ist aufgeführt, dass ein Lang-Lkw pro Fahrt mehr Waren transportieren könne als eine reguläre Lastkraftwagenkombination [DVS10].
Allerdings muss dabei erwähnt werden, dass Schweden und Finnland sehr dünn besiedelt sind und relativ wenig Verkehrsaufkommen haben und in den Niederlanden Feldversuche mit nur 25 Meter langen 60 Tonnen Lang-Lkw durchgeführt werden.
Lang_LKW_FIS.pngAbb. 1: Mittlere spezifische Kraftstoffverbräuche von herkömmlichen LKW und "GigaLinern" im Vergleich in Anlehnung an [FHBr07, S. 30f.] (Grafik zum Vergrößern bitte anklicken)
In dem 2010 von der OECD veröffentlichten Summary Document wird ebenso positiv über die Umweltauswirkungen der Lastzugkombinationen geschrieben. So wird konstatiert, dass Fahrzeuge mit höheren Kapazitäten weniger Kraftstoff verbrauchen und geringere Abgasemissionen haben können [OECD10]. Diese Aussage basiert auf den Erfahrungen von Ländern, bei denen bereits solche Fahrzeuge im Einsatz sind. Hier konnte gezeigt werden, dass selbst leistungsstärkere Motoren mit höherem Kraftstoffverbrauch den Verbrauch und die Abgasemissionen pro Tonnenkilometer mindern [BASt10a]. Ferner wird angeführt, dass Fahrzeuge mit höherer Kapazität bei konstantem Frachtaufkommen weniger Fahrzeugkilometer fahren [OECD10]. Als positiv für die Umwelt können die Produktivitätseffekte gewertet werden, die die OECD-Studie vor dem Hintergrund einer weiteren Zunahme des Straßengütertransportes untersucht. Festgestellt wird, dass in den Ländern in denen die Fahrzeuge mit höherer Kapazität bereits eingeführt wurden, eine größere Anzahl konventioneller Lkw respektive Lkw-Fahrten substituiert werden konnten [OECD10, S. 9, 18f.]. Diese Einschätzung basiert auf Studien die für Schweden, Kanada und Australien die Erfahrungen des Einsatzes überlanger Lastzugkombinationen auswerten [OECD10, S. 9; BASt10a]. Die OECD weist in diesem Zusammenhang jedoch darauf hin, dass aufgrund der Besonderheiten dieser Länder (Modal Split, Infrastruktur, geografische Gegebenheiten) eine Übertragung der Einschätzung auf andere Länder nicht ohne Weiteres möglich ist [OECD10]. Auffällig ist allerdings, dass keine Studien zu externen Kosten, wie Lärm, soziale Faktoren und Verkehrsgefahr existieren.  
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Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. Dr. h.c. W. Kersten
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Lastzugkombinationen im Straßengüterverkehr (Stand des Wissens: 23.12.2022)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?221041
Literatur
[BASt07c] Glaeser, Klaus-Peter, Dr., Kaschner, Rolf, Lerner, Markus, Roder, Kurt, Weber, Roland, Wolf, Andreas, Zander, Ulf , Weber, Roland, Dr.-Ing. Auswirkungen von neuen Fahrzeugkonzepten auf die Infrastruktur des Bundesfernstraßennetzes, Ausgabe/Auflage Schlussbericht, Langfassung (2. Auflage), 2006/11
[BASt10a] k.A. OECD-Studie (Summary Report): Moving Freight with better trucks - Stellungnahme der BASt, Bergisch Gladbach, 2010/12/01
[BASt16b] Marco Irzik , Thomas Kranz, Jan-André Bühne , Klaus-Peter Glaeser, Sigrid Limbeck, Jost Gail , Wolfram Bartolomaeus , Andreas Wolf , Christof Sistenich , Ingo Kaundinya , Ilja Jungfeld , Uwe Ellmers , Janine Kübler , Hardy Holte , Rolf Kaschner Feldversuch mit Lang-Lkw, Bergisch Gladbach, 2016/11/01
[BMVI21v] Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur Lang-LKW fahren dauerhaft auf geeigneten Strecken, 2021/09
[DVS10] Salet, Martin, Aarts, Loes, Honer, Marieke, Davydenko, Igor, Längere und schwerere Lastkraftwagen in den Niederlanden - Einblicke und Erfahrungen im Zeitraum 1995-2010, 2010/03
[FHBr07] Friedrich B., Hoffmann, S., Brackelmann, F. Auswertung des niedersächsischen Modellversuchs zum Einsatz von "GigaLinern", 2007
[KuP06a] K+P Transport Consultants Verkehrswirtschaftliche Auswirkungen von innovativen Nutzfahrzeugkonzepten, 2006/09
[OECD10] k.A. Moving Freight with Better Trucks - Summary Document , 2010/06
[Ramb04] Ramberg, Kenneth Three Short Become Two Long, if the EU Follows the Example Set by Sweden and Finland; Fewer Trucks Improve the Environment, 2004/10
[TFK02] Backman, Haide , Nordström, Rolf Improved Performance of European Long Haulage Transport, 2002/05, ISBN/ISSN 91 88752 38 0
[VDA06a] VDA EuroCombi: Mehr Güter - Weniger Verkehr, 2006
Weiterführende Literatur
[Leuv08] Transport & Mobility Leuven Effects of adapting the rules on weights and dimensions of heavy commercial vehicles as established within Directive 96/53/EC TREN/G3/318/2007, 2008
[DFPR09] Doll, C., Fiorello, D. , Pastori, E., Reynaud, C., Klaus, P., Lückmann, P., Hesse, K. , Kochsiek, J. Long-Term Climate Impacts of the Introduction of Mega-Trucks, 2009
[Rath07] Rathmann, Matthias Tiefensee outet sich als Gegner / Letzter großer Aufruf, veröffentlicht in trans aktuell, Ausgabe/Auflage Nr. 21, 2007/09/28
Glossar
Vor- und Nachlauf Unter Vor- und Nachlauf sind im Kombinierten Verkehr Transporte der Ladeeinheit vom Versender zum Umschlagpunkt oder von dort zum Empfänger zu verstehen. Am Umschlagpunkt wechselt die Ladeeinheit das Verkehrsmittel. Der Transport zwischen zwei Umschlagpunkten wird als Hauptlauf bezeichnet.
Lkw Lastkraftwagen (Lkw) sind Kraftfahrzeuge, die laut Richtlinie 1997/27/EG überwiegend oder sogar ausschließlich für die Beförderung von Gütern und Waren bestimmt sind. Oftmals handelt es sich dabei um Fahrzeuge mit einer zulässigen Gesamtmasse zwischen 3,5 und 12 Tonnen. In Einzelfällen kann die zulässige Gesamtmasse diese Werte jedoch auch unter- beziehungsweise überschreiten, sofern das Kriterium der Güterbeförderung gegeben ist. Lastkraftwagen können auch einen Anhänger ziehen.
tkm tkm = Tonnenkilometer Die Einheit Tonnenkilometer [tkm] beschreibt die im Rahmen einer Güterbeförderung erbrachte Verkehrsarbeit. Diese definiert sich als Produkt der Gütermenge (Summe der beförderten Güter in Tonnen) und der von dieser dabei zurückgelegten Wegstrecke in km. Verkehrsarbeit [tkm] = Gütermenge [t] * Wegstrecke [km]
BASt Bundesanstalt für Straßenwesen
OECD Die OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development) besteht gegenwärtig aus 30 Mitgliedsländern, die hinter Demokratie und Marktwirtschaft stehen. Aufgrund der aktiven Beziehungen zu 70 weiteren Ländern, nichtstaatlichen Organisationen und zur Gesellschaft besitzt OECD eine globale Reichweite. OECD ist durch seine Publikationen, Statistiken, ökonomischen Arbeitsabdeckungen und makroökonomischen Sozialausgaben, um Ausbildung, Entwicklung, Wissenschaft und Innovationen zu fördern, bekannt.
BMDV
Bundesministerium für Digitales und Verkehr (bis 10/2005 BMVBW, bis 12/2013 BMVBS und bis 11/2021 BMVI)
Modal Split
Modal Split wird in der Verkehrsstatistik die prozentuale Verteilung des Personen- und Güterverkehrs auf verschiedene Verkehrsmittel (Modi) genannt. Der Modal Split ist Folge des Mobilitätsverhaltens der Menschen und der wirtschaftlichen, insbesondere der verkehrlichen Entscheidungen von Unternehmen.
Betriebskosten
Betriebskosten sind laufende Aufwendungen, die im Zusammenhang mit der Erbringung von Verkehrsleistungen entstehen. Hierzu zählen zum Beispiel Aufwendungen für Energie, Personal, oder Infrastrukturnutzung.
Kombinierter Verkehr
Intermodaler Verkehr, bei dem der überwiegende Teil der in Europa zurückgelegten Strecke mit der Eisenbahn, dem Binnen- oder Seeschiff bewältigt und der Vor- und Nachlauf auf der Straße so kurz wie möglich gehalten wird.
Verkehrsaufkommen Das Verkehrsaufkommen beschreibt die Anzahl der zurückgelegten Wege, beförderten Personen oder Güter pro Zeiteinheit. Im Unterschied dazu bezieht sich das spezifische Verkehrsaufkommen auf zurückgelegte Wege und beschreibt die mittlere Anzahl der Ortsveränderungen pro Person und Zeiteinheit.
Externe Kosten Kosten, die nicht vom eigentlichen Verursacher, sondern von der Allgemeinheit getragen werden und deshalb nicht in den Marktpreisen enthalten sind, werden als externe Kosten bezeichnet.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?232064

Gedruckt am Donnerstag, 28. März 2024 12:30:04