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Risikomanagement von Betriebsübergängen im Rahmen des Outsourcings

Erstellt am: 20.06.2007 | Stand des Wissens: 14.12.2023
Synthesebericht gehört zu:
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. Dr. h.c. W. Kersten

Jedes Outsourcing-Projekt birgt Risiken für den Verlader und den Dienstleister. Diese Risiken können das Outsourcing-Projekt nicht nur gefährden, sondern im schlimmsten Fall auch zum Scheitern bringen. Im Folgenden sollen die Risiken in die Kategorien zwischenmenschliche und wirtschaftlich-rechtliche Risiken aufgeteilt und analysiert werden.

Zwischenmenschliche Risiken lassen sich in verschiedenen Punkten nach Rudolph et al. [KlPr07, S. 380f.] unterscheiden:
  • 'Nicht Können' - Mangelnde fachliche Kenntnis um effektiver zu arbeiten
  • 'Nicht Wissen' - Mangelnde Fähigkeiten die Veränderung zu vollziehen
  • 'Nicht Wollen' - Mangelnde Motivation die Veränderung umzusetzen
Der Aspekt 'Nicht Können' tritt durch die mittlerweile hohe Qualifikation von Arbeitskräften im deutschen Raum zunehmend in den Hintergrund. 'Nicht Wollen', also allgemeiner Widerstand der übernommenen Belegschaft gegenüber dem Geschäftsmodell des Outsourcings, ist jedoch ein häufig auftretendes Problem [KlPr07, S. 377].
Der Erfolg eines Betriebsübergangs hängt maßgeblich von der Art und Weise ab, wie die betroffenen Mitarbeitenden behandelt werden. In der Regel ist Outsourcing ausschließlich durch erhoffte Kosteneinsparung motiviert, was konkret Lohnkürzungen für die Mitarbeitenden, Entlassungen oder veränderte Arbeitszeiten bedeutet. Sowohl der Logistiker als auch der Auftraggeber haben ein großes Interesse daran, zumindest die leistungsstarken Mitarbeitende zu behalten und an das neue Unternehmen zu binden [HuRo16, S. 344]. Der Logistikdienstleister sollte besondere Aufmerksamkeit darauflegen, den übernommenen Mitarbeitenden sein Know-how zu vermitteln, um auch den Bereich 'Nicht Wissen' steuern zu können. Diese Weiterbildung der übernommenen Mitarbeitenden kann auch dazu führen, dass deren Motivation steigt [KlPr07, S. 377].

Über die zwischenmenschlichen Risiken hinaus existieren auch noch wirtschaftlich-rechtliche Risiken. Direkte Personalkosten können bei Vertragseintritt des Dienstleisters zwar nicht in ihrer Höhe, jedoch aber in ihrer Wirkung beeinflusst werden. Indirekte Personalkosten und Personalstruktur liegen im Rahmen eines Übergangs nicht im Einflussbereich des Dienstleisters [KlPr07, S. 378]. Diese Personalrisiken sind für den Dienstleister nicht steuerbar und sollten daher beim Verlader verbleiben. Das Investitionsrisiko kann nicht einfach der Verlader- oder Dienstleisterseite zugeschlagen werden. Der Dienstleister muss eine spezifische Investition tätigen, welche er nur für diesen Kunden erbringt und welche er zu verdienen hat. Für den Verlader hingegen ist es eine Investition in die generelle Kundenbeziehung [KlPr07, S. 378].

Wie in Abbildung 1 zu sehen, können die zwischenmenschlichen Risiken als steuerbar und die wirtschaftlich-rechtlichen Risiken als nicht steuerbar betrachtet werden.
risikocluster.png
      Abbildung 1: Unterschiedliche Risikokategorien und ihre Steuerbarkeit (in Anlehnung an [KlPr07, S.379]) (Grafik zum Vergrößern bitte anklicken)
Aus den zwei Risikokategorien und deren unterschiedlichen Steuerungsmöglichkeiten lassen sich drei grundsätzliche Maßnahmen ableiten, welche helfen sollen, diese Risiken für den Verlader und Dienstleister zu reduzieren:

Als erste Maßnahme seien vertragliche Maßnahmen genannt. In Form von speziellen Vertragsklauseln können diese gewährleisten, dass die nicht steuerbaren Risiken entweder direkt beim Verlader verbleiben oder vom Verlader in einer Versicherung abgedeckt sind. Dieses Modell kann für den Verlader interessant sein, da er nur eine geringe Belastung trägt, solange das Risiko nicht eintritt [KlPr07, S. 380].
Eine Geschäftsmodellmodellierung wiederum bietet sich in den Fällen an, in denen Uneinigkeit über die zuzuordnenden Risiken besteht. Dienstleister und/oder Verlader könnten das Geschäftsmodell des spezifischen Outsourcing-Projektes um weitere Partner modellieren. Diese weiteren Partner würden das Risiko zusätzlich rückversichern, absichern oder teilen [KlPr07, S. 380].
Das Change Management kann dabei helfen, Widerstände der übernommenen Mitarbeiter abzubauen und sie dadurch in die Lage zu versetzen, die Leistungsversprechen des Dienstleisters in der geplanten Produktivität und Effizienz umzusetzen und somit die angestrebte Profitabilität des Projektes zu sichern. Die Maßnahmen dazu sind vielfältig, lassen sich aber in drei Kernfelder unterteilen: Einbindung, Kommunikation und Schulung [KlPr07, S. 380f.]. Zudem wurde im Zusammenhang des Change Managements eine Umfrage durchgeführt, welche die Gründe des Scheiterns von Change Management Prozessen darstellt. Hier wird ersichtlich, dass die größte Problematik der Widerstand von Mitarbeitern darstellt (hier 30 Prozent) [ScWi05]. Dies ist in Abbildung 2 visualisiert.
Risikomanagment von Betriebsuebergaengen im Rahmen des Outsourcing_228229.pngAbbildung 2: Ursachen für das Scheitern von Wandlungsprozessen in Unternehmen (in Anlehnung an [KlPr07, S. 379]
(Grafik zum Vergrößern bitte anklicken)
Bei Betriebsübergängen ist es besonders wichtig, sich der möglichen Risiken vorab bewusst zu werden. Nur dann ist es möglich, diese bei den Vertragsverhandlungen zwischen Dienstleister und Verlader zu diskutieren und gemeinsam Problemlösungen zu definieren. Die Unterteilung in verschiedene Risikokategorien kann dabei hilfreich sein. Das rechtzeitige Handeln und Auseinandersetzen mit möglichen Risiken hilft die Betriebsübergänge eines komplexen Outsourcing Projekts erfolgreich durchzuführen [KlPr07, S. 374-386].
Ansprechpartner
Technische Universität Hamburg, Institut für Logistik und Unternehmensführung, Prof. Dr. Dr. h.c. W. Kersten
Zugehörige Wissenslandkarte(n)
Kontraktlogistik (Stand des Wissens: 01.09.2023)
https://www.forschungsinformationssystem.de/?285349
Literatur
[HuRo16] Michael Huth, Frank Romeike, (Hrsg.) Risikomanagement in der Logistik
Konzepte - Instrumente - Anwendungsbeispiele
, Springer Gabler Wiesbaden , 2015/09/17, Online-Referenz doi:10.1007/978-3-658-05896-8, ISBN/ISSN Softcover ISBN: 978-3-658-05895-1
[KlPr07] Rudolph, T.; , Pfohl, H.; , et. al., Klaus, Peter, Prof., Prockl, Günter, Dr. Handbuch Kontraktlogistik - Management komplexer Logistikdienstleistungen, Ausgabe/Auflage 1.Auflage, WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA/Weinheim, 2007, ISBN/ISSN 978-3-527-50203-5
[ScWi05] Schott, E., Wick, M. Change Management, veröffentlicht in Strategisches Projektmanagement, 2005, Online-Referenz doi:10.1007/3-540-26836-7_10
Glossar
Verlader Der Verlader ist derjenige Teilnehmer in der Transportkette, der die Ladung/Transportgut erstmals aufgibt. Unter einem Verlader versteht man ein Unternehmen, das Logistikdienstleistungen (Transport, Verladen etc.) bei einem Logistikdienstleister in Auftrag gibt.
Logistikdienstleister Logistikdienstleister (abgekürzt: LDL; Englisch: logistics service provider) bezeichnet die Weiterentwicklung des traditionellen Speditionsgeschäfts. Über Transport, Umschlag und Lagerung (TUL) hinaus bietet der LDL weitere Leistungen und Lösungen an, zum Beispiel kundenbezogene Lagerung, Kommissionierung, Assemblierung, Fakturierung usw. LDL und 3PL werden häufig synonym verwendet.
Geschäftsmodell
Ein Geschäftsmodell besteht allgemein aus den drei Hauptkomponenten Nutzenversprechen (value proposition), Architektur der Wertschöpfung und Ertragsmodell.
Outsourcing Beim Outsourcing (Fremdvergabe) werden Aufgaben oder Dienstleistungen, die nicht zum Kerngeschäft eines Unternehmens gehören, ausgelagert, das heißt an externe Unternehmen abgegeben. Die Ausgliederung von Logistikaktivitäten ist die häufigste Form des Outsourcings. Das Wort leitet sich von 'outside' und 'resourcing' ab.

Auszug aus dem Forschungs-Informations-System (FIS) des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur

https://www.forschungsinformationssystem.de/?228229

Gedruckt am Donnerstag, 25. April 2024 03:23:42